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Radiokolleg - Worldmusik aus A (wie Austria)
Wie gehen Musiker/innen in Österreich mit Traditionen um (1). Gestaltung: Tonmeisterstudent Jakob Kainz von der mdw - Universität für Musik und darstellende Kunst Wien in Zusammenarbeit mit Hans Groiss
22. Februar 2021, 09:45
Zu Beginn der frühen 1990er Jahre definierte die Plattenindustrie ein neues Genre: die Weltmusik. Klänge, zumeist auf Folklore basierend und teilweise mit Jazz, HipHop, Rock oder Chanson-Elementen erweitert, sollten in den Plattenläden ein eigenes Regal - mit dazugehörigen Register - bekommen. Es ging anscheinend um Verkaufszahlen, lange vor Spotify, iTunes oder YouTube.
"Ich rieche sofort Patchouli, wenn ich daran denke, und sehe diese bunten Schals und Kleider des Weltladens", ist eine erste Reaktion einer Interviewpartnerin.
"Esoterikmusik, die mich bei schlechten Meditationsprogrammen immer zur Weißglut bringt". Oder ist Weltmusik wie eine alte, weise Frau, die auf den zweiten oder dritten Blick doch eine feine Dame ist - wie eines dieser Kippbilder? Eine akustische Täuschung? "Heimat, Grüß Gott, Jodeln, Quetschn, Schrammelmusik, Dialekt" - da haben wir Österreich im Kopf. Doch wie reflektiert der Österreicher Österreich, und wie sieht es eine Nicht-Österreicherin?
Auch aus Österreich gab es Weltmusiken. Roland Neuwirth schrammelte extrem, zuvor hatte schon Kurt Ostbahn Frank Zappa verwienerischt. Attwenger und Knödel machten neue Volx-Musik und auch Hubert von Goiserns "Hiatamadl" rockte. Letzterer entwickelte seine österreichische Weltmusik bis nach Afrika und in den Orient.
Eben auch wie gegenwärtig Klänge von Julia Lacherstorfer, Sigrid Horn oder Ina Regen - die Künstlerinnen bedienen sich der Mundart, aber auch der Volksmusik. Folkshilfe verzerrt die Quetschen wie Rammstein und Ernst Molden rezitiert sinistres Wienerlied.
Diese Musik strandete früher beim Label Extraplatte, das 1977 von Harald Quendler gegründet, aber 2013 eingestellt wurde. "Who is who" der neuen Weltmusik aus Österreich? Und welche/r österreichische/r Musiker/in wagt es sich als Weltmusiker zu outen? Die musikalischen Wurzeln liegen womöglich in alpinen Traditionen, oder müssen auch Einflüsse aus dem Balkan berücksichtigt werden? Ist Worldmusik ein prägendes Mittel für nationale und kulturelle Identität und inwieweit ist diese Musik dann gegenwärtig noch Austropop. Denken Sie an Rainhard Fendrichs "I am from Austria", der inoffiziellen österreichischen Bundeshymne, wo das Englisch noch wenig Selbstbewußtsein zeugt.
In einer globalisierten Welt ist Weltmusik ein eher problematischer Begriff, will doch niemand als Ewiggestriger dastehen. Und ein Rückbezug auf Heimat gilt schnell als "neuer" Patriotismus, obwohl die Kolonialismusdebatten der letzten Dekaden eine ganz andere Reflexion zulassen würden. Hans Groiss und Studierende der mdw - der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien analysieren, problematisieren und lösen den Knoten zwischen Kraut und Rüben auf.
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