Zwischenruf

Bibel und Menschenrechte

Rund um den "Tag der Menschenrechte" zeigt Jutta Henner, Direktorin der Österreichischen Bibelgesellschaft, Berührungpunkte zwischen Bibel und modernen Menschenrechten auf

Der "Tag der Menschenrechte" erinnert daran, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" am 10. Dezember 1948 verabschiedet hat. Der gestrige Gedenktag hält vor Augen, dass es weltweit noch nicht überall gut um die Menschenrechte bestellt ist. Ich nehme dies zum Anlass, in die Bibel zu schauen und zu fragen, welche Anknüpfungspunkte es in diesem sehr alten Buch zu den - verhältnismäßig modernen - Menschenrechten gibt.

"Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren", formuliert der Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Dass allen Menschen, unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Sprache oder Religion der gleiche Wert und die gleiche Würde zukommt, formuliert auch die Bibel, beispielsweise wenn sie erzählt, dass Gott am Anfang "den Menschen" "als Mann und Frau" zu Gottes Ebenbild geschaffen habe (1Mos/Gen 1,26f). Das bereits in der Hebräischen Bibel eindringlich formulierte Gebot, "deinen Mitmenschen" zu "lieben wie dich selbst" (3 Mos/Lev 19,18) gilt ohne Einschränkungen.

Als später Jesus einmal von einem religiösen Gesprächspartner die Frage gestellt wird: "Wer ist denn mein Mitmensch?" (Lk 10,29), antwortet Jesus ihm mit der Geschichte vom barmherzigen Samariter. Dieser sieht ein Verbrechensopfer, einen ausgeraubt und zusammengeschlagen am Wegrand Liegenden, an dem bereits mehrere Personen vorbeigegangen waren. Er hat Mitleid, hält an und sorgt persönlich für Hilfe und Pflege. Die Frage, so könnte man Jesu Antwort interpretieren, war falsch gestellt worden. Nicht, wer mein Mitmensch ist, ist zu fragen, sondern wem ich als Mitmensch begegnen kann.

Die Mahnung, Menschen keinesfalls nach ihrem Ansehen oder Vermögen in der christlichen Gemeinde unterschiedlich zu behandeln, kann der Verfasser des frühchristlichen Jakobusbriefes nicht deutlich genug machen. Unterschiedliche Maßstäbe anzulegen, sei aber jedenfalls ein falsches Verhalten. Das kann sich keinesfalls auf Gott berufen (Jak 2,1-7).

"Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich...", so formuliert es der 7. Artikel der Erklärung der Menschenrechte. Korrupte Justiz ist leider nicht nur ein Phänomen längst vergangener Zeiten. Gerade ärmere Menschen stehen in der Gefahr, von den Mühlen der Justiz zermahlen zu werden. Die bereits im Alten Testament wiederholt überlieferte eindringliche Mahnung der Bibel, ohnehin armutsgefährdeten Fremden oder Waisen keinesfalls "ihr Recht vorzuenthalten" (5 Mos/Dtn 24,17), ist eindeutig. Ja, die Bestimmung der Hebräischen Bibel "Bei euch soll für alle dasselbe Recht gelten, für Fremde wie für Einheimische" (3 Mos/Lev 24,22), hat geradezu moderne Anklänge.

Die Menschenrechte im modernen Sinn kommen in der Bibel noch nicht vor. Dennoch gibt es mehr Berührungspunkte zwischen der Bibel und den modernen Menschenrechten, als man wohl vermuten würde. Allein das sollte genügen, dass alle, die sich auf die Bibel berufen, sich leidenschaftlich gemeinsam mit allen Menschen, die guten Willens sind, für die Menschenrechte einsetzen.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Toshimitsu Tanaka
Album: Peter Sadlo : Classic Percussion
Titel: Two Movements
* I. Allegro (00:02:24)
Solist/Solistin: Peter Sadlo /Schlagzeug
Länge: 02:27 min
Label: Koch CD 310141 H1

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