Praxis - Religion und Gesellschaft

Unveröffentlichte Islamstudien

Islamstudien für die Schublade? +++ Religiöse Vielfalt für Drittel der Deutschen "Bedrohung" +++ Serbisch-orthodoxer Patriarch Porfirije zu Besuch in Österreich +++ Gemeinsam gegen Antisemitismus: muslimisch-jüdischer Besuch in Auschwitz

1. Islamstudien für die Schublade?

Zu keiner anderen Religion gibt es derzeit so viele Studien in Österreich wie zum Islam. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang nicht nur, welche Studien veröffentlicht werden, sondern auch, welche nicht. So wurden vom seit Jahren ÖVP-geführten Bildungsministerium unter dem damaligen Minister Heinz Faßmann zwei Studien zum Thema Schulen und Islam in Auftrag gegeben: Eine beschäftigt sich mit islamischen Privatschulen in Österreich, eine andere knüpft an den medialen und politischen Aufschrei nach der Publikation "Kulturkampf im Klassenzimmer" der Wiener Lehrerin Susanne Wiesinger an. Beide Studien sind abgeschlossen, bezahlt, aber unveröffentlicht. Die Studie zu den islamischen Privatschulen sei "auf jeden Fall nicht zum Schluss gekommen, dass die islamischen Privatschulen alle Indoktrinierungsanstalten wären", erklärt der Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger. Der Historiker Heiko Heinisch, Mitautor der zweiten unveröffentlichten Studie, stellt fest: "Ich glaube, dass oft noch Ergebnisse nicht veröffentlicht werden, obwohl sie ins ideologische Konzept einer Partei hineinpassen würden, aber halt nicht zu dem Zeitpunkt, wenn sie geliefert werden." Seit Beginn des Jahres ist ein neues Bundesverfassungsgesetz in Kraft, das eine Veröffentlichungspflicht für Auftragsstudien des Bundes, der Länder oder Gemeinden vorsieht, für die beiden Islamstudien kommt dieses Gesetz allerdings zu spät. Gestaltung: Lisa Ganglbaur


2. Religiöse Vielfalt für Drittel der Deutschen "Bedrohung"

Die zunehmende religiöse Vielfalt in Deutschland macht gut einem Drittel der Bürgerinnen und Bürger Angst. Laut dem Religionsmonitor 2023 der Bertelsmann-Stiftung halten 34 Prozent der Befragten die Pluralität der Bekenntnisse für eine "Bedrohung". Es zeige sich auch eine zunehmende Polarisierung und abnehmende Toleranz, stellt eine der Studienautor:innen, die Religionssoziologin Yasemin El-Menouar fest. Die Sorge der Menschen habe auch damit zu tun, dass viele Menschen mit Religion ausschließlich negative Schlagzeilen verbinden würden. So hätten viele Menschen zunehmend den Eindruck, "dass Religion vor allen Dingen Probleme verursacht und die damit verbundenen Potenziale, die Religion auch mit sich bringt, sind für viele Menschen dann nicht sichtbar." Gestaltung: Andreas Jölli


3. Serbisch-orthodoxer Patriarch Porfirije zu Besuch in Österreich

Der serbisch-orthodoxe Patriarch Porfirije besucht von Donnerstag, 8. Juni, bis Sonntag, 11. Juni, Österreich. Er wird dabei unter anderem mit Kardinal Christoph Schönborn und Kultusministerin Susanne Raab zusammentreffen und die neue serbisch-orthodoxe Kapelle in Mauthausen einweihen. Die serbisch-orthodoxe Kirche hält unvermindert an ihrer Verbindung zum Kosovo fest. Patriarch Porfirije hat sich immer wieder für Versöhnung zwischen Serben und Kosovo-Albanern ausgesprochen. Nun ist es im Kosovo in den vergangenen Wochen erneut zu Unruhen gekommen. Stein des Anstoßes: Die Vereidigung neuer albanischer Bürgermeister in mehrheitlich von Serbinnen und Serben bewohnten Gemeinden. Auch im Ukraine-Krieg hat sich Patriarch Porfirije schon zu Wort gemeldet: Er hat dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj wegen seiner Räumung des Höhlenklosters in Kiew "Staatsterror" vorgeworfen. Gegenüber Moskau hört man von ihm keine so scharfen Töne. Mit Spannung wird daher erwartet, welche Zeichen der Patriarch bei seinem Besuch in Österreich setzen wird. Alexandra Mantler bittet im Praxis-Studiogespräch ORF-Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz um seine Einschätzung.


4. Gemeinsam gegen Antisemitismus: muslimisch-jüdischer Besuch in Auschwitz

Eine hochrangige Delegation von Jüd:innen und Muslim:innen hat dieser Tage die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz besucht. Mit dabei waren Imame, Religionslehrerinnen und hochrangige Vertreter der islamischen Glaubensgemeinschaft, die in ihrem Bereich als Multiplikator:innen wirken sollen. Der gemeinsame Besuch des Vernichtungslagers hat nämlich nicht nur Symbolcharakter, sondern soll konkret in die Aufklärungsarbeit in Moscheevereinen und Schulen münden. Aus den Erkenntnissen der Reise wird auch Unterrichtsmaterial zur Shoah erstellt. Auch wenn der Lehrplan für den islamischen Religionsunterricht das Thema Antisemitismus gar nicht vorsieht, soll es bereits im Herbst im islamischen Religionsunterricht eingesetzt werden. Eva Maria Kaiser berichtet.

Service

Praxis 17.5.23: Islamstudien und Politik
Humboldt-Universität zu Berlin: Rami Ali
Dokumentationsstelle Politischer Islam
Paris Lodron Universität Salzburg: Wolfgang Aschauer
Universität Wien: Thomas Schmidinger
think.difference
Blog von Heiko Heinisch: Freiheit, Menschenrechte und Pluralismus
Universität Wien: Andrea Lehner-Hartmann
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung
Educult: Islamische Schulen in Österreich
Religionsmonitor 2023: Religiöse Vielfalt für Drittel der Deutschen „Bedrohung“
Bertelsmann-Stiftung: Religionsmonitor
ORF-Projekt: Was glaubt Österreich?
Kirchenpolitische Themen bei Besuch von Patriarch Porfirije
Serbische orthodoxe Kirche Österreich und Schweiz
Juden und Muslime gemeinsam in Auschwitz
Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich
Israelitische Kultusgemeinde Wien

Sendereihe

Gestaltung