Andrey Boreyko

RICHARD DE STOUTZ

Das Ö1 Konzert

Musik in Zeiten des Krieges: Chatschaturjan & Schostakowitsch

ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Dirigent: Andrey Boreyko; Nemanja Radulovic, Violine. Aram Chatschaturjan: Konzert für Violine und Orchester d-Moll op. 46; Dimitri Schostakowitsch: Symphonie Nr. 8 c-Moll op. 65 (aufgenommen am 4. Mai im Großen Konzerthaussaal in Wien in 5.1 Surround Sound)

Die Welt liegt in Scherben. Millionen Menschenleben hat der Krieg bereits gefordert, Millionen wird er noch fordern. Allein in der Schlacht um Stalingrad im Kriegswinter 1942/43 sterben Hunderttausende Soldaten. Unter diesen Eindrücken schreibt Dmitrij Schostakowitsch im Sommer 1943 innerhalb von nur zwei Monaten seine Achte Symphonie.

Dabei begibt sich der Komponist selbst in große Gefahr: Schon öfter ist er bei Stalin in Ungnade gefallen; die Erinnerung an den Großen Terror ist noch allgegenwärtig. Daher formuliert er die Worte über seine Symphonie mehrdeutig auslegbar: "Dieses Werk spiegelt meine Gedanken und Gefühle nach den freudigen Meldungen über die ersten Siege der Roten Armee wider. Ich versuche darin die nahe Zukunft der Nachkriegsepoche wiederzugeben. Die philosophische Konzeption dieser Symphonie ist in wenigen Worten ausgedrückt: Alles, was dunkel und schändlich ist, wird untergehen, alles, was schön ist, wird triumphieren."

Schostakowitschs Musik steht im starken Kontrast zu diesen Worten - vor allem im ersten Satz. Mit ungeheurer Intensität und Spannung vermittelt er darin Wut und Entsetzen, Schmerz und Verzweiflung. Nach dem karikaturhaften Allegretto im zweiten Satz wendet er sich im dritten und vierten Satz zwei barocken Formen zu: Auf eine Toccata mit beharrlichen Viertelnotenbewegungen folgt eine Passacaglia mit trauernder Grundstimmung. Sie leitet in den letzten Satz über, der nach der Wiederkehr der Dramatik des ersten Satzes am Ende im Pianissimo verklingt.

Drei Jahre früher, aber am gleichen Ort wie Schostakowitschs Achte Symphonie, entsteht Aram Chatschaturjans Violinkonzert im Haus des sowjetischen Komponistenverbands unweit von Moskau. Aram Chatschaturjans Musik ist geprägt von der kaukasischen und transkaukasischen Volksmusik. Er lässt die reiche musikalische Tradition der Aschughen - transkaukasischer Volkssänger - ebenso einfließen wie die Skalen des Mugham, denen bestimmte Melodietypen mit spezifischem Ausdrucksgehalt zugeordnet sind.

Das Violinkonzert widmet Chatschaturjan David Oistrach und es wird zu einem großen Erfolg - wohl auch, weil es in gänzlich anderer Stimmung entstanden ist als Schostakowitschs Werk: "Ich komponierte diese Musik wie auf einer Woge des Glücks und der Freude - ich wartete auf die Geburt meines Sohnes. Und dieses Gefühl der Beflügelung, der Lebensfreude ging in die Musik des Violinkonzertes über." Chatschaturjan wird für dieses Konzert mit dem Stalinpreis ausgezeichnet. Es nützt ihm aber nicht gegen spätere Repressalien: 1948 wird er als "Volksfeind" kategorisiert. Für Künstler unter Stalins Regime waren Maßregelungen nie eine Frage nach dem "Ob", sondern nach dem "Wann".

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