Tonspuren

Die Pariser Bouquinisten

Ein Ruhepol aus Büchern mitten im Getriebe der Stadt: Die Pariser Bouquinisten entlang der Seine gibt es schon seit Jahrhunderten, sie überlebten Zensur, die Französische Revolution - und sogar die Corona-Pandemie.

Wie zwei nicht enden wollende dunkelgrüne Würmer ziehen sich zu beiden Seiten der Seine die einheitlich gestalteten Verkaufsstände der Pariser Buch-Antiquare. Die so genannten Bouquinisten gibt es schon seit Jahrhunderten. Um die 200 Bouquinisten führen noch heute in etwa 900 verschließbaren Boxen Tausende und Abertausende gebrauchte Bücher, Drucke, Stiche und historische Postkarten. Und weil die Zeiten für den Buchhandel selbst in Paris nicht die besten sind, führen sie immer mehr Paris-Souvenirs und Nippes. "Boucquain", das war im Niederländischen ein "kleines Buch", als Bouquinistes tauchten die Buch-Antiquare bereits 1762 in französischen Wörterbüchern auf. Die offiziellen Buchhändler waren auf die Konkurrenz nicht gut zu sprechen, ebenso wenig wie die Regierung, denn die Verkaufskästen ähnelten anfangs tragbaren Bauchläden. Ihr Inhalt entging der Zensur allzu leicht.

Im Lauf der Jahrhunderte gewannen die Bouquinisten auch rechtlich an Ansehen, wurden achtbare Kaufleute, die zudem dazu beitrugen, das Image von Paris als literarischem Zentrum zu stärken. Morgens öffneten sie ihre hölzernen Boxen, präsentierten sorgsam ihre Bestände und verschlossen sie abends ebenso zeremoniell wieder - falls das Wetter mitspielte. Es ist bis heute ein Freiluftgeschäft geblieben, für das man sich bei der Stadtverwaltung um einen - kostenlosen - Standplatz bewerben muss, bevor man auf einer Länge von maximal 8,60 Meter seine "boîtes", die dunkelgrün lackierten Verkaufsstände, aufschlagen darf. Mittlerweile gehören die Bouquinisten zum immateriellen Welterbe Frankreichs. Entsprechend groß waren Wut und Unverständnis, als die französische Regierung forderte, dass die Freiluft-Antiquare zur Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele am 26. Juli ihre Boxen aus dem Blickfeld des Fernsehpublikums räumen sollten - aus Sicherheitsgründen, wie es hieß. Nach heftigen Protesten bei großer medialer Aufmerksamkeit durften sie schließlich doch bleiben. Sie bilden weiterhin einen Ruhepol aus Büchern mitten im hektischen Getriebe der Stadt.

Die Pariser Bouqinisten
Feature von Alexander Musik

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