ORF/JOSEPH SCHIMMER
Punkt eins
Wie viele Ferienwohnungen verträgt ein Urlaubsland?
Wieder Diskussionen um Airbnb: Regeln für die Sharing-Ökonomie. Gäste: Dr. Birgit Bosio, Tourismusforschung, MCI/TTR, Innsbruck & DI Roman Seidl, Stadt- und Regionalforscher, TU Wien. Moderation: Xaver Forthuber. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
31. Juli 2024, 13:00
Der österreichische Sommertourismus läuft dieses Jahr eher langsam an - für die kommenden Wochen wird aber mit einem starken Anstieg gerechnet, hieß es Anfang dieser Woche. Bei der Frage nach der bevorzugten Unterkunft haben sich die Gewohnheiten verändert. Die klassischen Drei-Stern-Hotels geraten zunehmend unter Druck: Wer nicht gleich ins "bessere" Hotel gehen kann oder will, wählt heute individuelle Angebote vom gehobenen Camping bis zur Ferienwohnung. Ungebrochen ist vor allem auch der Trend zu Sharing-Plattformen, allen voran Airbnb. Ursprünglich eine Börse für Privatunterkünfte, hat sich das Angebot in den letzten Jahren stark professionalisiert. Attraktiv platzierte Appartements in den hippen urbanen Vierteln, die nur noch dem Zweck dienen, kurzzeitig Tourist:innen zu beherbergen, oder Gruppen von eigens errichteten Tiny Houses direkt am See zählen heute zu den typischen Angeboten.
Airbnb gilt als einer der Vorreiter der Sharing Economy - jenes Wirtschaftsmodells, bei dem Ressourcen wie zum Beispiel Unterkünfte plattformgestützt geteilt werden. Ein Modell, mit dem im Idealfall vorhandene Ressourcen besser genutzt werden können, immer von jenen, die sie gerade brauchen. Die Wertschöpfung wird in Richtung kleinerer Anbieter:innen umverteilt und verbleibt tendenziell eher in der Region, heißt es auch. Wo Sharing im klassischen Sinn betrieben wird - etwa bei Fahrgemeinschaften oder Gemeinschaftsgärten - gilt es auch als nachhaltigere, ressourcenschonende Form des Wirtschaftens.
Das Ausufern von kommerziellen Angeboten wird aber auch zunehmend kritisch gesehen. Die systematische, kurzzeitige Überlassung von Stadtwohnungen an Gäste entzieht dem Markt dringend benötigten Wohnraum, lautet ein häufiges Argument. Der Airbnb-Tourismus trage außerdem zur Gentrifizierung bei und verschärfe das Problem des Übertourismus. Im Extremfall bringe er "die Infrastruktur durcheinander" und "hebelt die Raumordnung aus", sagte Österreichs Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler letzte Woche zur APA. Das könne man in Italien oder Spanien bereits sehen.
Länder, Städte und Gemeinden in ganz Europa suchen seit geraumer Zeit nach Lösungen - und schielen dabei auch aufeinander. Immer wieder gibt es Vorstöße zur Regulierung, die anderen dann als Vorbild oder abschreckendes Beispiel dienen, je nachdem, als wie effizient, praktikabel oder umstritten das jeweilige Modell sich dann erweist.
Wien versucht es seit Anfang Juli über die Bauordnung. Abgesehen von Ausnahmegenehmigungen dürfen Wohnungen nur noch maximal 90 Tage im Jahr auf Plattformen angeboten werden, sofern der Vermieter oder die Vermieterin dort selbst einen Wohnsitz hat. Neu geregelt ist auch die Zustimmung aller Miteigentümer:innen. Die Apartmentvermieter:innen finden die Bestimmungen schikanös für diejenigen, die auf die Kurzzeitvermietung als Geschäftsmodell gesetzt haben. Sie bekennen sich zur Sicherstellung der Wohnraumversorgung, sehen dieses Ziel mit der Einschränkung von Ferienwohnungen aber nicht erreicht.
Der Stadt- und Regionalforscher Roman Seidl beobachtet die Entwicklung von Airbnb schon seit Jahren, vom "Homesharing" zur kommerziellen Immobilienverwertung. Den Boom in Wien hat er 2017 mit einer wissenschaftlichen Studie begleitet, der ersten dieser Art für Österreich überhaupt.
Seit neuestem gibt es auch Forschung zu den Effekten von Kurzzeitvermietungen in Österreichs ländlichen Regionen. Birgit Bosio und ihre Forschungsgruppe vom MCI Tourismus in Innsbruck haben kürzlich eine Studie über die Bedeutung von Airbnb in Tirol fertiggestellt und sich dabei unter anderem angesehen, wie die Angebote gestaltet sind, ob sie das bestehende Angebot verstärken, ergänzen oder nur zusätzlich bewerben, in welchen Regionen sich die privaten und halbprivaten Unterkünfte möglicherweise konzentrieren und wer von ihnen profitiert.
Birgit Bosio und Roman Seidl diskutieren als Gäste bei und mit Xaver Forthuber und unseren Hörer:innen über neue Wege der Beherbergungswirtschaft - und wohin sie führen.
Reden Sie mit: Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at
Sendereihe
Gestaltung
- Xaver Forthuber
Playlist
Komponist/Komponistin: DePaul/Raye
Titel: Star Eyes (davon 16 Sek. unterlegt)
Ausführende: Chet Baker
Länge: 05:42 min
Label: Blue Note
Komponist/Komponistin: Richard Rodgers
Titel: Blue Room (davon 13 Sek. unterlegt)
Ausführende: Chet Baker
Länge: 08:36 min
Label: Blue Note
Komponist/Komponistin: Gil Fuller
Titel: I Waited for You (davon 49 Sek. unterlegt)
Ausführende: Chet Baker
Länge: 04:55 min
Label: Blue Note