Zwischenruf
Hoffnung, die Sinn stiftet
von Magdalena Holztrattner, Geschäftsführerin des Frauen- und Sozialreferats bei Kolping Österreich
23. Februar 2025, 06:55
"Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal, wie es ausgeht." Dieser Satz des tschechischen Schriftstellers und Politikers Vaclav Havel begleitet mich schon länger - ich habe aber die Vermutung, dass ich ihn bisher nicht in seiner vollen Tiefe verstanden habe.
Wer das Leben mit einer engen Fokussierung auf Erfolg sieht, für den ergibt diese Aussage Havels keinen Sinn. Diese Hoffnung ist mit der Erwartung konkreter Erfolge verknüpft: ewige Jugend, perfekte Kinder, viel Vermögen, einen angesehenen Beruf, der Traumprinz etc. Wenn der Erfolg aber nicht eintritt, hat sich diese Hoffnung zerschlagen. Hoffnung aber von der Erwartung konkreter Erfolge zu trennen, eröffnet den Raum für eine Sinn-Dimension. Dann ist das Leben in einen größeren Horizont eingewoben. Dann kann es sein, dass dunkle Zeiten als sinnvolle Zeiten wahrgenommen werden.
In hebräischer Sprache hat das Wort für Hoffnung, "tikvah", denselben Wortstamm wie das Wort für Seil. In der hebräischen Sprachfamilie ist mit Hoffnung das Bild eines Seils verbunden. Ein Seil, das von der Gegenwart in die Zukunft reicht und gespannt ist. Das eine Seilende liegt, so das Bild, in unserer Hand. Das andere Seilende liegt aber nicht irgendwo lose am Boden. Es ist in der Zukunft verankert. Mit der Bibel gesprochen: Es ist in Gott verankert, von Gott her hat das Seil eine Zugkraft. Wie kann ich aber hoffnungsstark bleiben, wenn ich auf unsere Welt schaue - wo viel zu oft blanker Egoismus, Gier und Hass das Leben von Menschen und Tieren zerstören? Wo Bequemlichkeit und das Festhalten an falsch verstandenem Wohlstand die Hoffnung auf ein gutes Leben aller verdunkeln - Stichwort drohende Klimakatastrophe.
Vaclav Havel war der Überzeugung, dass Hoffnung nicht nur im Kopf existiert, sondern erst im Tun und im konkreten Leben verdeutlicht wird. Es gibt aber - z. B. in der Friedens- und Umweltschutzbewegung - auch eine andere Sichtweise von Hoffnung. Dieses Verständnis dreht die gängige Sichtweise um: Ich brauche nicht erst eine große Portion Hoffnung, um handeln zu können. Im Gegenteil: Hoffnung kommt und begleitet mich, sobald ich selbst ins Handeln komme. Es geht so gesehen also nicht darum, zuerst die Hoffnung zu stärken, um dann mehr Kraft zum Handeln zu haben. Sondern der Blick ist umgekehrt. Er sagt: Fangt an zu handeln, dann kommt die Hoffnung dazu.
Hoffnung ist - so verstanden - keine feste Erwartung von etwas, sondern die Entschlossenheit, angesichts und trotz der großen Herausforderungen und Unsicherheiten unserer Zeiten sich am sprichwörtlichen Seil weiter zu handeln und daran festzuhalten, dass mein hoffnungsstarkes Handeln auf dieser Erde sinnvoll ist, weil es in der Zukunft, weil es in Gott verankert ist. "Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal, wie es ausgeht." In diesem Sinne: einen hoffnungsstarken Sonntag!
Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach
Gesamttitel: THIRTY-TWO SHORT FILMS ABOUT GLENN GOULD / Original Filmmusik
Titel: Präludium Nr.1 in C-Dur BWV 846 / aus "Das Wohltemperierte Klavier I" BWV 846 - 869
Untertitel: Aria
Anderer Gesamttitel: 32 VARIATIONEN ÜBER GLENN GOULD / Original Filmmusik
Solist/Solistin: Glenn Gould /Klavier
Ausführender/Ausführende: Glenn Gould/1932 - 1982
Länge: 02:25 min
Label: Sony Classical S2K 64315 (2 CD)