Martin Schenk

Martin Schenk - ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Gedanken für den Tag

Alle guten Geister

von Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie Österreich und Psychologe

"Die Welt dreht sich halt weiter und ich komme irgendwie nicht nach." Das sagt ein junges Mädchen, 15 Jahre. In Österreich haben sich in den vergangenen Jahren Arbeitslose, ältere Menschen, Einkommensarme und Jugendliche am häufigsten einsam gefühlt.

700.000 Menschen in Österreich, knapp acht Prozent der Bevölkerung, sagen, dass sie in den vergangenen vier Wochen meistens oder immer einsam gewesen sind. Hier geht es nicht um die selbstgewählte Einsamkeit in der Askese oder im Mönchstum, im Aussteigen oder eine Woche in die Stille Gehen. Den Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein macht die Freiheit. Es gilt die unfreiwillige Einsamkeit, unter der man leidet, zu trennen vom freiwilligen Alleinsein, nach dem man sich bisweilen sehnt.

Die Philosophin Hannah Arendt fasst das so zusammen: "Ich nenne diesen existenziellen Zustand, in dem ich mit mir selbst umgehe, ,Alleinsein', im Unterschied zur ,Einsamkeit', in der man auch allein ist, aber nicht nur der Gesellschaft anderer Menschen entbehrt, sondern auch der möglichen eigenen." Hier spricht sie etwas an, das bei Einsamkeit oft übersehen wird: die Entfremdung; das Gefühl, sich selbst fremd zu werden. Denn Einsamkeit bedeutet, sich von der Welt getrennt fühlen. Die jungen Leute äußern in der Tiefe: Ich bin verlassen, vergessen und abgelegt. Die Welt gibt es da draußen, aber ich bin nicht mehr mittendrin. Die Welt mag tönend, farbig, warm und frisch sein. Meine Welt ist es nicht mehr. Wer sich von allen guten Geistern verlassen fühlt, verliert auch das Vertrauen in die Welt rundum, in seine Umgebung, in die Gesellschaft, in die Demokratie.

Soziale Isolation geht unter die Haut, verändert die Beziehung zur Welt. Einsamkeit ist kein individuelles Schicksal, sondern geht uns alle an. Wer etwas gegen Einsamkeit tut, tut auch etwas für sozialen Zusammenhalt und Demokratie.

Service

Martin Schenk, Hedwig Wölfl, "Was Kindern jetzt gut tut. Gesundheit fördern in einer Welt im Umbruch, AmPuls Verlag

Diakonie: Therapie und Diagnose für Kinder und Jugendliche
Rat auf Draht 147
Diakonie: Schulassistenz für Schülerinnen und Schüler
Diakonie: Sesam
Mobile sozialpädagogische Betreuung für Familien

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Maurice Ravel
Album: Complete Works for Solo Piano
Titel: Menuett für Klavier cis-Moll
Anderssprachiger Titel: Modéré
Solist/Solistin: Jean-Efflam Bavouzet
Länge: 01:17 min
Label: CHANDOS CHAN20287 EAN: 0095115228722

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