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Beeindruckt von den russischen Soldaten
Robert Heiterer, Jg 1947 - 6. April 2025, 20:44
Als Kind habe ich in Floridsdorf in einem Gemeindebau in der Prager Straße gewohnt, nahe der russischen Kommandantur. Ich habe diese Soldaten bewundert wegen ihrer Stiefeln und Reithosen. Am Eck der Prager Straße war ein Greissler, wo mich meine Mama zum Einkaufen hingeschickt hat. Vor mir in der Reihe haben sich zwei russische Soldaten die Einkaufsnetze mit Bierflaschen füllen lassen, und als die draußen waren, sagt eine Verkäuferin zur anderen: "Jetzt feiern's in Stalin sein Tod" und ich habe nicht gewusst, wer der Stalin ist und warum man das feiert. Beim Abzug der Russen stehe ich auf der Prager Straße und schaue zu, wie die letzten LKWs mit winkenden russischen Soldaten auf der Ladefläche abfahren. Später habe ich als Hauptschullehrer in Vorarlberg oft den Kindern davon erzählt.
Der Krieg ist aus
Wolfgang Müller, Jg 1960 - 6. April 2025, 19:18
Wie mein Vater und dessen Zwillingsbruder, geb. 1933, als Kinder - mit einem französischen Kriegsgefangenen und einer ukrainischen Zwangsarbeiterin - den elterlichen Bergbauernhof im Kärntner Görtschitztal führen mussten und zufällig vom Kriegsende erfuhren.
Mein Großvater, Bergungsleiche 194
Christine Schwarz, Jg. 1954 - 6. April 2025, 00:16
Am 12. März 1945 ist mein Großvater, Beamter im Unterrichtsministerium, verschüttet worden, da bei der Bombardierung der Oper auch der Philipphof neben der Albertina bombardiert worden ist. Mein Vater war an der Front in der Steiermark. Aufgrund der Nachricht vom Tod seines Vaters hat er sogar Urlaub bekommen. Er hat eine Nummer erhalten, der Großvater war Bergungsleiche 194. Hinten am Zentralfriedhof, an der Mauer, sind die Toten in Papiersäcken in provisorische Gräber gelegt worden. Als mein Vater eine oder 2 Wochen nach dem Tod seines Vaters in Wien angekommen ist, hat er den Papiersack aufgemacht. An den Haaren hat er seinen Vater erkannt. Jedes Mal, wenn wir bei der Albertina vorbeigegangen sind, hat uns unser Vater diese Geschichte erzählt. Ich hab unseren Großvater natürlich nicht gekannt, ich bin ja erst neun Jahre später zur Welt gekommen. Aber du hast einfach gespürt... Mein Vater hat immer gesagt, im Grunde hat ihm der Tod seines Vaters das Leben gerettet, weil die Einheit, wo er in der Steiermark eingesetzt war, ziemlich aufgerieben worden ist.
Bevorstehende Rückkehr in die Heimat
Johann Kilianowitsch - 5. April 2025, 23:43
Ich erzähle von meiner Kindheit - Heimat und Fluchtgeschichte 1939 - 1947.
Aufgeschrieben von Marion Kilianowitsch.
TEIL 4:
Im Sommer 1945 erreichte uns die Nachricht, dass wir Flüchtlinge wieder nach Hause dürften. Das war eine Vereinbarung zwischen den Amerikanern und Tito, dem Präsident Jugoslawiens.
Wir verließen unsere Einzimmerwohnung, in der wir fast ein Jahr wohnten, und Amerikanische Soldaten brachten uns auf einem Lastwagen von Obernberg nach Ried auf den Güterbahnhof. Dort standen zwei, ungefähr 100 Meter lange Silolager. Beide Hallen waren leer, nur Strohmatratzen lagen am Boden.
Wir warteten dort bis endlich ein Zug für unsere Rückreise nach Subotica bereit stand. Endlich war es soweit! Diesmal war es kein Viehwaggon, sondern ein Personenzug. In diesen Zug durften nun die Flüchtlinge aus der ersten Halle einsteigen, dann war der Zug voll. Wir waren traurig und sahen uns sehr Leid, noch nicht in unsere Heimat zurückzukehren und noch länger zu warten. “Gott sei Dank!“ Wir konnten nicht ahnen, dass das ein großes Glück für uns war. Die Mutter mit den zwei Kindern aus unserem Nachbarzimmer in Obernberg, war bei diesem ersten Heimtransport dabei. Es vergingen acht Tage, vierzehn Tage und es war noch immer kein Zug für uns vorhanden.
Wir Kinder zogen viel in der Gegend herum und bekamen sehr schnell mit, wo in der Nähe des Güterbahnhofes etwas zu Essen aufzutreiben war. Nicht sehr weit von uns entfernt stand ein amerikanisches Offiziersheim und an schönen, sonnigen Tagen nahmen die Amis ihr Mittagessen immer draußen ein. Wir Buben gingen mit unserem Geschirr hin, um die Reste des Mittagessens zu bekommen. Auch österreichische Kinder warteten, die Drängelei war groß, denn wenn einer der Amerikaner zu essen aufhörte, streckte jedes Kind gleich seine Schale hin, um den Rest zu ergattern. Damals ging ich immer barfuß, und bei einem solchen Gedränge trat mir einmal ein einheimischer Junge auf die Füße: “au meine Fies!“ schrie ich. Alle Kinder lachten mich aus. Damals sprach ich noch nicht gut Deutsch, und die Schwaben sagten zu den Füßen immer „Fies“ also dachte ich, dass es Deutsch war.
Für meinen Vater sammelte ich immer fleißig Zigarettenstummeln, die die Amerikanischen Soldaten auf den Boden warfen und brachte ihm diese. Er öffnete die Stummeln sammelte den Tabak zusammen und drehte sich daraus eine Zigarette.
Auf dem Güterbahnhof sahen wir viele deutsche und österreichische Kriegsgefangene in Viehwaggone, die am Bahnhof abgestellt und später in Kriegsgefangenenlager transportiert wurden. Sie waren so hungrig, dass sie durch die kleinen Luftschlitze der Waggone, die grade mal eine Hand breit waren, sogar ihren Ehering hinaushielten nur um ein stück Brot zu dafür zu bekommen. Das haben natürlich viele Leute in Ried ausgenützt. Es war eine schwere Zeit, auch den Einheimischen ging es nicht gut.
Nach einem Monat erfuhren wir, dass für uns kein Heimtransport mehr möglich war. Anfangs wussten wir nicht warum, aber später stellte sich heraus, dass diejenigen die mit dem ersten Zug wegfuhren, niemals zu Hause ankamen und gleich nach der ungarischen Grenze kurz vor Subotica in Lager kamen, dort verhungerten oder umgebracht wurden. “Da kam keiner je wieder heraus!“
Das schreckliche Schicksal dieser Menschen erreichte natürlich Ried, und von da an gab es für uns kein Zurück mehr in unser Heimatland. Die Amis brachten uns nach Obernberg zurück, wir zogen wieder in unser altes Zimmer und erhielten nun auch das zweite Zimmer, das die Mutter mit den zwei Kindern vorher bewohnt hatte.
Im Schuljahr 1945/46 kam ein Volksdeutscher Lehrer nach Obernberg, der ungarisch, serbisch und deutsch sprach. Dieser Lehrer unterrichtete Kinder in verschiedenen Gruppen. Die kleineren Kinder hatten am frühen Vormittag ein paar Deutschstunden und alle größeren Kinder ab Zehn Uhr Vormittag.
Ich versäumte zwei Jahre Schulzeit durch den Krieg, die verspätete Einschulung und durch die Flucht. Deshalb lernte ich sehr viel auch in den Sommerferien 1946. Der Sohn unserer Nachbarn besuchte das Gymnasium in Ried und ich durfte mir von ihm in den Sommerferien alle Hefte der zweiten Klasse ausleihen, um den ganzen Jahresstoff zu lernen. Damit half er mir sehr, aber da war noch jemand, der mir sehr viel beim Lernen half, es war Hubert Feichtelbauer*. ich habe ihm diesbezüglich sehr viel zu verdanken! Tja, und mit unserem Pfarrer frischte ich in den Sommerferien mein Latein auf.
Die Prüfung hatte ich in den Fächern Mathematik, Latein und Deutsch. In Deutsch weiß ich heute noch, dass ich bei der Prüfung ein großes Bild „Die Bauernhochzeit“ von Bruegel beschreiben musste. Ich schaffte die Prüfung nicht, also besuchte ich die Hauptschule Obernberg. Nach einem Gespräch mit dem Direktor konnte ich die zweite Klasse Hauptschule überspringen und in der dritten Klasse meine Schulzeit fortsetzen.
In dieser Klasse lernte ich meinen Freund Erwin Berghammer* kennen. Erwin war sehr gut in Mathematik, aber leider kannte ich mich bei den Mathe Hausübungen nicht immer aus. In der Früh bevor die Stunde anfing fragte er mich immer: “Alles in Ordnung? Hast alles?“ wenn nicht, schrieb ich noch schnell von ihm ab.
*Hubert Feichtelbauer Journalist, schrieb das Buch: DER FALL ÖSTERREICH. ich traf ihn wieder bei einem Vortrag in Ried über die Politik in der Nachkriegszeit.
* Erwin Berghammer, Begründer der Möbelfirma Team 7
und nach wie vor mein bester Freund.
Auch In Englisch hatte ich natürlich große Schwierigkeiten. Ich fing ja bei Null an! Alle Schüler in der Klasse hatten schon zwei Jahre Englischunterricht. Anfangs meisterte ich es noch so einigermaßen, ich schrieb einfach von der Tafel ab und lernte alles auswendig. Zur Schularbeit übten wir einen Aufsatz: “A journey to Salzburg“. Jeder von uns kam einmal dran, ein paar Sätze dazu beizutragen und wir schrieben sie auf. Wir sagten diesen Aufsatz immer wieder auf bis wir ihn auswendig konnten. Alles lief hervorragend bei der nächsten Englischstunde alles war perfekt. Bis zur Schularbeit! Alle schrieben fleißig und nach dem langen ewigen Aufsagen konnte ich den Aufsatz zwar auswendig aber schreiben konnte ihn ich nicht. Ich schrieb den Aufsatz genau so, wie ich ihn immer hörte. Nach einigen Tagen bekamen wir die Schularbeit zurück, machten die Verbesserung in der Schule und ich wusste nicht wo ich anfangen sollte. Die Lehrerin ging durch die Bankreihen, kam bei mir vorbei und ich fragte sie, was ich machen soll? Sie antwortete “nichts“, sie machte mein Heft zu und ging. Nach der Englischstunde kam sie zu mir und sagte, dass ich heute nach der Schule in der Klasse bleiben soll. Meine Lehrerin kam dann später in die Klasse zurück und schlug vor, mir nach dem Unterricht, Nachhilfe in Englisch zu geben.
In Deutsch bekamen wir die Aufgabe, einen Lebenslauf zu schreiben. Ich schrieb sehr viel. Der Lehrer ging in der Klasse herum, las da und dort mal was die Schüler so schrieben. Bei mir blieb er auch stehen und las. Dann meinte er “sag mal, stimmt das alles was du da schreibst?“ Er war sehr erstaunt und verwundert über meine Lebensgeschichte und über die Mittlerweile guten Deutschkenntnisse.
Ich las sehr viel, stand um fünf Uhr früh auf und lernte. In Geographie und Naturkunde zum Beispiel, lernte ich bereits die nächsten Seiten im Buch. So konnte ich immer während der nächsten Stunde sehr gut mitarbeiten.
Befreiung Österreichs 1945
Johann Kilianowitsch - 5. April 2025, 23:41
Ich erzähle von meiner Kindheit - Heimat und Fluchtgeschichte 1939 - 1947.
Aufgeschrieben von Marion Kilianowitsch.
TEIL 3:
Am 2. Mai 1945 hörten wir, dass geschossen wurde. Die SSler schossen mit der Flak über den Inn nach Deutschland auf die Amerikaner. Als diese mit ihren schweren Geschützen zurückfeuerten, flüchteten die SSler. In Obernberg war weithin der einzige Übergang über den Inn. In Schärding und Braunau waren die Brücken nicht mehr befahrbar. Am gleichen Tag fuhren die Amerikaner über die Stauwerksbrücke, die nur mit Jeeps befahrbar war, über den Inn nach Österreich.
Der Bürgermeister ging mit einigen Leuten und einer weißen Fahne zum Inn hinunter und übergab Obernberg. Als die Amis in den Ort hinauf kamen, waren alle vorsichtig und ängstlich am Marktplatz versammelt. Die Wirtin vom Gasthaus nebenan winkte als erste begeistert mit dem Taschentuch.
Ab diesem Zeitpunkt waren die Menschen in Österreich nicht mehr so freundlich und hilfsbereit zu uns Flüchtlingen. Sie änderten ihre Meinung und beschimpften uns als „s’Gfrastleut, Banatergfrast schaut's, dass wieder weiterkommt’s. Warum seid‘s überhaupt herkommen!“ Seitdem behandelte man uns wie das Letzte!
In dieser Zeit musste mein Bruder Franz den ganzen Rückzug von Russland, Ungarn bis nach Österreich machen. Als mein Bruder zu Hause ankam freute sich die ganze Familie. Von nun an lebten wir zu siebt in unserem Zimmer, in dem mein Vater mittlerweile als selbständiger Schneider auch seinen Arbeitsplatz hatte. Die Lebensmittel teilten wir nun durch sieben.
Bei Kriegsende ließen die Soldaten, im Flieger Quartier des Militärflugplatzes Stift Reichersberg alles liegen und stehen und haben das Weite gesucht. Die Uniformen, Lederstiefel usw. alles was liegen geblieben war, nahmen sich die Leute aus der Umgebung mit. Auch wir nahmen uns, was wir brauchen konnten. Die Uniformen trennten meine Mutter und ich fein säuberlich auf, mein Vater wendete die Stoffe und schneiderte neue Sakkos, Hosen und Mäntel daraus. Auch die Kundschaften brachten Uniformen, die mein Vater änderte.
Am Flugplatz in Reichersberg spielten meine Freunde und ich „Fliegersoldaten“. Wir versammelten uns im Flugzeughangar und besprachen wer die Piloten, die Funker und die Bordschützen waren und den nächsten „Angriffsplan“, dann rannte jeder zu seinem Flugzeug.
In diesem Frühsommersommer 1945 fanden wir sehr viel Munition und andere technische Geräte, die einfach in der Gegend herum lagen. Wir sammelten Gewehrpatronen, sowie 2cm-Flakpatronen. Klopften den Sprengkörper aus der Hülse, sammelten das Schießpulver und das Zündpulver und legten uns ein Lager in Säckchen an. Bei Gelegenheit streuten wir eine „Straße“ mit Zündpulver auf und entzündeten eine gewisse Menge Schießpulver, dabei hatten wir immer sehr viel Spaß.
Einmal war ein Junge sehr unvorsichtig mit einer Handgranate. Die Handgranate explodierte vorzeitig und seine Hand wurde dabei weggerissen. Rundherum lagen Benzinkanister und verschiedene Munitionsarten. Alles fing Feuer und explodierte.
Mein Bruder Franz musste sich bei der Gemeinde in Obernberg melden. Seine Daten wurden aufgenommen. Die Amerikaner kontrollierten seine Herkunft und seinen Aufenthalt in der Kriegszeit. Er wurde ins Gefangenenlager nach Lambach gebracht. Meine Mutter und ich besuchten ihn und fuhren auf einer Lastwagenladefläche voll Menschen, die auch ihre Angehörigen besuchen wollten, nach Lambach, um etwas zum Essen zu bringen.
In Lambach mussten wir vor dem Eingang neben dem Büro sehr lange warten. Mussten Angaben machen, wer wir sind, wen wir besuchen und was wir mitbringen. Das Packerl für meinen Bruder mit Äpfeln und Kartoffeln mussten wir im Büro lassen. Erst nach gründlicher Untersuchung der Aufsicht bekam es Franz. Während der Wartezeit schlich ich am äußeren Zaun eines Doppelzaunes des Lagers, in dem dazwischen Wachtürme standen, entlang um vom Zeltlager der Gefangenen mehr zu sehen. Ich sah Latrinen die ein langer Holzbalken waren, wo sich die Häftlinge draufsetzten, dahinter lag der ganze Mist von den Leuten. Mein Bruder erzählte mir später, dass die Gefangenen oft zu schwach vor Hunger waren, verloren das Gleichgewicht auf dem Balken und fielen rückwärts hinunter. Die anderen Gefangenen halfen ihnen wieder hinauf. Obwohl es Frühjahr war gab es keinen einzigen Grashalm im Lager, weil die Gefangenen das Gras aufaßen.
Nach einer ausreichenden Prüfung bekam Franz leichtere Haftbedingungen. Im Herbst, irgendwo zwischen Lambach und Gmunden, mussten die Gefangenen einen Wald roden und Baracken bauen, in denen sie im Winter unterkommen konnten.
Ankunft in Österreich 1944
Johann Kilianowitsch - 5. April 2025, 23:39
Ich erzähle von meiner Kindheit - Heimat und Fluchtgeschichte 1939 - 1947.
Aufgeschrieben von Marion Kilianowitsch.
TEIL 2:
Am 16. Oktober 1944 kamen wir in Antiesenhofen an und wurden auf der Ladefläche eines Lastwagens nach Obernberg am Inn gebracht. Am Marktplatz in Obernberg warteten schon Frauen auf uns, die uns anzeigten, in das Gasthaus Zöpfl zu gehen. Dort sind wir im Veranstaltungssaal untergebracht worden. Wir bekamen Säcke die aus Papierschnüren gewebt waren und stopften diese mit Stroh aus. Das waren unsere Matratzen. Jeder Erwachsene bekam einen Strohsack, eine dünne Decke und einen Platz zum Schlafen. Ich kann mich nicht erinnern ob ich einen eigenen Strohsack gehabt habe. Aber das war nichts Außergewöhnliches damals es ging allen so. wir waren bis Ende November in diesem Saal untergebracht alle dicht nebeneinander gereiht. Es gab keine Rücksicht auf Intimsphäre.
Mein Vater sah sich schon am zweiten Tag nach unserer Ankunft nach Arbeit um. Er begann in einer Schneiderei am Marktplatz an zu arbeiten.
Nach ungefähr sechs Wochen bekamen wir eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der wir zu sechst nur ein Zimmer bewohnten. Das zweite Zimmer hatte eine Mutter mit ihren zwei Kindern bekommen. Sie mussten immer durch unser Zimmer gehen. In unserem Raum hatten wir einen Kachelofen mit Backrohr und darin konnten wir Erdäpfel braten. Wir hatten nicht genug Betten im Zimmer. Mein Vater schlief alleine, meine Mutter und Lisl hatten zusammen eine Schlafstelle, auch Magda mit ihrem kleinen Sohn hatte ein Bett und ich schlief auf einer Zweierbank, ich konnte mich nie ausstrecken. Aber wir waren zufrieden, besser gesagt wir alle haben zufrieden sein müssen.
Vor Weihnachten musste ich zum ersten Mal in Österreich in die Schule. Ich habe absolut nichts verstanden, habe nur “bitte“ und “danke“ sagen können. Wenn mich jemand lächelnd und freundlich etwas gefragt hat, habe ich mit „Ja“ geantwortet. Wenn mich jemand ernst und unfreundlich angeschaut hat, habe ich „Nein“ gesagt. Mehr konnte ich nicht. Einmal sprach mich ein Lehrer in der Schule an. Seinen Gesichtsausdruck war freundlich deshalb habe ich „Ja“ gesagt, plötzlich hat er zu schimpfen begonnen, alle Mitschüler haben gelacht ich weiß heute noch nicht was er damals zu mir gesagt hat. So ist es mir öfter gegangen, dass mein „Ja“ oder „Nein“ überhaupt nicht auf die Frage passte. Dadurch sind die Leute draufgekommen, dass ich überhaupt nichts verstehe.
Zu Weihnachten gab es für uns Flüchtlinge eine Weihnachtsfeier wir bekamen sogar Geschenke. Ich habe gestrickte rostfarbene Stutzen bekommen die ich mir bis über die Knie ziehen konnte aber das war mir egal warm sind‘s gewesen. Im Winter ging ich gern Schlitten fahren auch wenn ich keinen Schlitten besaß. Ich sah den Kindern beim Schlittenfahren zu und manchmal wurde ich gefragt ob ich mitfahren möchte „Ja, ja!“ rief ich voller Freude. Auch wenn ich damals noch nicht richtig Deutsch konnte habe sofort „aus da bahn“ gerufen. Für‘s mitfahren habe ich den Schlitten hinaufziehen müssen. So bin ich zum Schlittenfahren gekommen.
Für eine Person waren 800 Kalorien vorgesehen. Die Brotmarken für sechs Personen pro Tag ergaben einen Laib Brot ca. 900 g wir teilten das Brot wie eine Torte in sechs Teile. Jeder musste mit diesem Stück ca. 150 g am Tag auskommen. Meine Mutter hat mir öfter von ihrem Stück Brot etwas zugeschoben. Ich war im Wachstum und hatte immer Hunger.
Wenn uns jemand fragte, was wir heute zu Mittag gegessen haben sagten wir zum Spaß “heute gekochte Kartoffeln, gestern hatten wir Erdäpfel und vorgestern Krumbiren. Das waren Kartoffel mit Schale im Kachelofenrohr gebraten. Diese mussten im Rohr immer hin und her bewegt werden dann wickelten wir die Kartoffeln in ein großes Tuch und darin wurden sie fertig gedünstet.
Als ich mein erstes Zeugnis bekam sah ich, dass dort wo bei meinen Mitschülern Noten standen alles durchgestrichen und mit „Mangelhaft“ bezeichnet war. Ich wusste nicht was das heißt. Nach der Schule zeigten wir uns gegenseitig die Zeugnisse und meine Schulkollegen erklärten mir mit den Worten “nix gut“ dass ich überall ein nicht genügend hatte.
Heimat und Flucht 1939 - 1944
Johann Kilianowitsch - 5. April 2025, 23:37
Ich erzähle von meiner Kindheit - Heimat und Fluchtgeschichte 1939 - 1947.
Aufgeschrieben von Marion Kilianowitsch.
TEIL 1: Meine Eltern waren Ungarn, ich Johann (Jancsi) bin 1932 in Szabatka (Subotica) geboren.
Als Familie donauschwäbischer Vorfahren väterlicherseits, lebten wir in der Stadt Subotica in der Bacska (heute Wojvodina) im Haus der „Nagymama“ (Großmutter) mütterlicherseits, welches ein großes Areal, mit mehreren Mietern und einem sehr großen Gemüse- und Obstgarten war.
Mein Vater war Schneidermeister und arbeitete zu Hause in seiner kleinen Schneiderei.
Die Stadt Subotica hatte ca. 120 000 Einwohner u. gehörte ursprünglich zu Ungarn. Nach dem 1. Weltkrieg um ca. 1920 wurde unsere Stadt und das Bundesland Bacska von Jugoslawien besetzt. Bis Ungarn im April 1941 dieses Gebiet zurückeroberten und nach dem wieder verlorenen 2. Weltkrieg Jugoslawen das Gebiet Bacska wieder einnahm. Damit nicht nur Ungarn und deutschstämmige Menschen in dieser Gegend wohnten, siedelte man immer mehr Serben, Bosnier und Kosovaren an.
Meine Muttersprache ist ungarisch. Die ersten zwei Jahre in der Volksschule 1939 bis 1941 lernte ich serbisch, dann wieder ungarisch. Die Volksschule in die ich ging war eine jüdische Schule im Areal einer Synagoge. Es war die nächstgelegene Schule, ich hatte dort auch katholischen Religionsunterricht. Mein bester Freund war ein jüdischer Junge. Mit ihm war ich oft in der großen Synagoge in Subotica.
Als das ungarische Heer im April 1941 kampflos in Szabatka einmarschierte schaute ich mir den Aufmarsch an. In Szabatka gab es Nationalserben die Tschetniks. Sie haben von den Dachböden aus auf das ungarische Militär geschossen und ich war mitten drunter. Die ungarischen Soldaten zogen mich zu einem Stoß liegenden Holzmasten in Deckung. Als es wieder ruhiger wurde wollte ich nach Hause laufen. Eine Familie die in der Nähe wohnten haben mich gesehen es war noch viel zu gefährlich, sie rissen das Fenster auf und riefen „jancsi gyere ide, gyere ide!“ (komm her, komm her!). Sie packten mich an der Hand und zogen mich durchs Fenster hinein. Später als es ruhig war brachten sie mich nach Hause.
Mein Bruder Franz wollte unbedingt schon mit 19 Jahren zum Militär, er wollte zum ungarischen Heer. Es gab die auch Möglichkeit beim deutschen Militär einzurücken und er meldete sich 1942. Alle deutschstämmigen jungen Männer kamen zur Waffen-SS und so kam mein Bruder obwohl er kein Wort deutsch konnte ein halbes Jahr zur Ausbildung nach Krakau und zog in den Krieg gegen Russland.
1944 Sommeranfang gab es immer Fliegerangriffe und Bombardierungen. Zwei Bezirke in unserer Stadt wurden völlig zerstört und es gab tausende Tote. Da wurden wir schon von den Amerikanern bombardiert.
Im Herbst 1944 begannen die Partisanen mit nächtlichen Schießereien und Sprengungen. Sie versteckten sich am Tag im Friedhof, schoben die Steinabdeckungen der Gruften weg und verbargen dort ihre Waffen und Munition. Nachts griffen sie an und sprengten wichtige Zentren die das Leben in der Stadt aufrechterhielten wie auch das Zentral E-Werk der Stadt.
Mein Vater traf sich an Sonntagvormittagen mit den anderen deutschstämmigen Leuten im deutschen Kulturbund.
Ich war fast zwölf Jahre alt und ging in die zweite Klasse im Piaristen Gymnasium, als am Sonntag den 8. Oktober 1944 mein Vater vom Stammtisch des Kulturbundes um 11:30 nach Hause kam und sagte: „Wir müssen weg! Um 15:00 fährt der Zug.“
Schon einige Wochen zuvor sah ich immer wieder Kolonnen von Pferdefuhrwerken mit Planen durch die Stadt fahren. Es waren Volksdeutsche aus den Gebieten Siebenbürgen und aus dem Banat.
Wir packten alles was wir tragen konnten, alles was in dieser kurzen Zeit überhaupt möglich war. Ich weiß noch das ich meinen kleinen Kopfpolster und eine blaue Kanne mit Wasser getragen habe.
Als wir das Notwendigste gepackt hatten fuhren wir, meine Geschwister meine Eltern und ich mit dem Fiaker den mein Vater zuvor organisiert hat zum Bahnhof.
Am Bahnhof waren hunderte Leute alle warteten. Nach einiger Zeit bekamen wir einen Viehwaggon zugewiesen und alle stiegen nach den Anweisungen der Soldaten in die Waggone. In einen Waggon wurden fünfundfünfzig Leute hineingepfercht. Die Anzahl schrieb ein Soldat außen mit Kreide auf die Waggone. Es gab nur schmale Luftschlitze an den oberen Waggonwänden und nicht einmal Stroh am Boden.
Am Abend fuhr der Zug los wir hörten wieder Schüsse und nahmen an, dass es die Partisanen waren.
Auf dem Weg nach Budapest blieben wir oft lange mit dem Zug stehen. Nach zwei Tagen kamen wir am Budapester Ostbahnhof an und hielten uns dort ungefähr eineinhalb Stunden auf. Meine Schwester und ich wollten in dieser Zeit etwas zu essen und trinken besorgen. Wir kamen fast zu spät zurück, der Zug wurde langsam in Richtung Westbahnhof verschoben. Wir rannten um den Zug noch zu erreichen. Unsere Eltern riefen, knieten an der Öffnung des Waggons und zogen uns durch die offene Schiebetür hinein.
Die Flucht ging weiter westwärts. Während der Fahrt konnte man nicht jederzeit die Notdurft verrichten und wenn der Zug stehen blieb nutzten wir die Gelegenheit. Doch nicht jeder konnte sich das so einteilen. Keiner mehr hatte ein Schamgefühl es roch und die Luft war stickig. Mit Vorsicht öffneten die Erwachsenen manchmal die Schiebetür des Waggons damit die Luft wieder etwas erträglicher wurde.
Bei der Fahrt durch Österreich wurde unser Zug mehrmals beschossen. Wenn ein Fliegerangriff drohte gab Vorwarnungen. Der Zug blieb stehen alle liefen hinaus und wir versteckten uns hinter Heumandln, Büschen, Bäumen oder sonst wo. Nach dem Angriff kündigte der Lockführer zweimal ein Pfeifsignal für die Weiterfahrt an. Schnell liefen wir zurück zum Zug. Allmählich wurden wir aber immer weniger und wir bekamen im Waggon etwas mehr Platz. Kann sein, dass einige den Angriff nicht überlebt haben und manche hatten einfach Pech, versäumten denn Zug und mussten hinten bleiben.
Ich kann mich gut erinnern, dass wir in Linz auf die Bahnstation Kleinmünchen verschoben wurden dort bekamen wir das erste Mal nach knapp einer Woche eine warme Suppe vom Roten Kreuz. Jeder hatte irgendein Geschirr stellten uns in einer Reihe an und warteten bis wir dran waren.
Es ging weiter nach Attnang - Puchheim. Die Bahnstation war schon ziemlich kaputtgeschlagen von den Bombardierungen und dort haben wir einen Tieffliegerangriff der Lightnings erlebt - so etwas kann man sich nicht vorstellen. Diese Flieger flogen über den Zugdächern hinweg und haben links und rechts in die Züge hineingeschossen. Wir lagen im Waggon alle am Boden und schützten uns. Ich habe keine Ahnung ob jemand umgekommen oder verletzt wurde, jeder schütze nur seine eigene Familie.
Familiendrama nach Vergewaltigung durch Soldaten
Christine Schwarz, Jg. 1954 - 5. April 2025, 23:21
Meine Familie hat im zweiten Bezirk gewohnt, und dort ist die Tante meines Vaters in der Ybbsstraße vergewaltigt worden. Ihr Mann hat sich das zum Vorwurf gemacht, dass er das nicht verhindern konnte - und wollte seine Frau im Hof des Hauses erschießen. Sie hat sich gewehrt, daraufhin hat er sich selbst erschossen. Mein Vater, der desertiert ist und in diesen letzten Kriegstagen nicht erwischt werden durfte, musste mit der Tante ihren Mann in der Ybbsstraße, im Nebengarten, begraben. Mein Vater hat uns geschildert, wie dramatisch die Situation damals war. Im zweiten Bezirk haben sich die Menschen versteckt, wenn die Russen gekommen sind, weil die haben an die Türen gepocht und wollten die jungen Mädchen und Frauen herausholen. Aber ein Gemeindebau hat wegen der vergitterten Tore eine gewisse Sicherheit geboten. Mein Vater hat die Russen daraufhin nie als Befreier gesehen.
Milchkanne über den Kopf
Maria Strasser, Jg. 1956 - 5. April 2025, 20:31
Meine Großmutter hat im Stall eine Kuh gemolken, als die Stalltür aufgeht und ein russischer Soldat vor ihr steht, das Gewehr im Anschlag. Die Großmutter ist total erschrocken, nimmt den vollen Milchkübel, stülpt ihn dem Soldaten über den Kopf, reißt ihm das Gewehr aus der Hand und schmeißt es auf den Misthaufen. Dann ist sie natürlich vor lauter Schreck, dass sie das jetzt gemacht hat, davongelaufen und hat sich hinter einer Steinmauer im Garten versteckt. Der Soldat sucht schimpfend und fluchend nach dem Gewehr und meiner Großmutter, aber hat sie nicht finden können. Vor lauter Zorn hat er dann ein Kalbl mitgenommen und ist davon.
Mit plündernden Dorfbewohnern mitgezogen
Ruth Linko, Jg. 1939 - 5. April 2025, 19:53
Wie ich im Jahr 1945 mit den plündernden Bewohnern - nicht mit den Russen! - mitgezogen bin und mir selber als Kind Spielzeug aus einer Wohnung mitgenommen habe: Wir sind zurückgekommen, die Wohnung war vom Krieg zerstört, ich hab mein Spielzeug zertreten auf dem Boden gefunden. Da haben die Leute aus dem Dorf neben Lilienfeld in der Wohnung vom Betriebsleiter Sachen gesucht, und da habe ich etwas mitgenommen - zum Entsetzen meiner Mutter. Ich musste das zurücktragen, an den Russen vorbei. Das war mir eine Lehre fürs Leben. // Meine Großmutter hat ihre Wäsche auf der Leine vom Nachbarn gefunden. Weil damals noch das Monogramm in Wäschestücken drinnen war, hat sie einfach die Wäsche von der Leine runtergenommen und hat gesagt, das ist meine. Also durchaus nicht nur die Fremden, auch die eigenen Leute sind durch den Ort gezogen und haben mitgenommen, was sie gebraucht haben.