Gemeinsam erinnern
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Schutt im Augarten
Anonym - 17. Juni 2025, 11:23
Es handelte sich im Mai 1945. Es war so, dass wir nur ein paar Stunden Schulunterricht hatten, weil die Schulen zum großen Teil ausgebombt waren. Und wenn ich mich zurückerinnere, wenn ich beim Fenster von meiner Klasse, wo ich war, runter geschaut habe. Habe mich immer gewundert, wie man überhaupt durch das Tor gehen kann. Weil es war fast so hoch mit Schutt angeräumt, wie der vierte Stock meiner Schule war.
Tanzen in der Nachkriegszeit
Gilda P., Jg. 1929 - 16. Juni 2025, 14:16
Während des Krieges waren Tanz und Musik verpönt. Denn, wenn die Männer an der Front sterben, darf im Heimatland nicht gefeiert werden. Doch in der britischen Besatzungszeit wurden Vergnügungen langsam wieder erlaubt. Das erste Tanzfest an das Gilda sich erinnert, war ein Faschingsball. Da erschienen die Menschen sogar verkleidet. Nur Gesichtsmasken hatten die Briten verboten. Sie wollten, dass jeder identifizierbar bleibt.
Auf der Flucht vor den Russen
Gilda P. - 5. Juni 2025, 15:47
April 1945, Söding in der Weststeiermark. In einem nationalsozialistischem Landdienstheim für Mädchen herrscht Aufregung: Die Russen kommen, das Heim muss geräumt werden. In diesem Heim sollten die Mädchen eine landwirtschaftliche Ausbildung machen. Gilda P. (16) hätte nach dem - erhofften - Sieg der Deutschen ins eroberte Russland geschickt werden sollen, um dort die Landwirtschaft auf Vordermann zu bringen. Doch es kam anders. Die Mädchen flüchten zu Fuß in ihre jeweiligen Heimatorte. Gilda P. ist mehrere Tage unterwegs. Sie marschiert querfeldein. Auf einer Wiese macht sie plötzlich eine grausige Entdeckung: zwei Soldaten hängen an einem Baum. Offenbar Deserteure. Ermordet in den letzten Kriegstagen. Gilda setzt sich in die Wiese und weint bitterlich. Ein Erlebnis, das sie niemals vergessen konnte.
Ich konnte nimmer aufhören zum Schreien
Dkfm. Margarethe Unfried - 3. Juni 2025, 13:37
2 Episoden heikle Begegnungen mit sowjetischen Besatzungstruppen 1945
Auszug aus Interview Dkfm. Margarethe Unfried, *2.5.1937, Weinzierl/Krems 20.8.2023
(Tondok. gesamt ca. 40 min.)
Interview und Transkription: Sohn Berthold Unfried und Enkelsöhne Elias und Leo Himmelstoss
Kriegsende Weinzierl/Krems April 1945:
"Dann kam der erste Russe. Er ist allein gekommen. Er hat unser ganzes Haus abgesucht nach flüchtigen Deutschen. Es waren versammelt im Haus: meine Großmutter, meine Tante mit ihren Kindern, meine Mutter, lauter Frauen, die Männer waren ja noch im Krieg oder in Gefangenschaft. Meine Mutter hat sich aufgebuddelt, dass der reinschaut in alle Kästen, schaut, ob er versteckte Soldaten findet oder Hitlerbilder: "Da ist niemand", und er soll schauen, dass er weiterkommt. Der hat natürlich nicht Deutsch gekonnt, aber an der Gestik und am Wortschwall – auf einmal ist es ihm zu blöd geworden und er hat seine Pistole gezogen gegen meine Mutter. Ich bin hinter ihm gestanden und ich musste annahmen, er erschießt jetzt meine Mutter. Weiß nicht, ob er's getan hätte, glaub eher nicht, aber kein Mensch hätte ihn zur Verantwortung gezogen. Und ich hab zum Schreien angefangen, ich hab einen Schreikrampf gekriegt, ich konnte nimmer aufhören zum Schreien – der hat sich erschrocken, hat sich umgedreht und hat versucht, mich zu streicheln. Er hat seine Pistole weggesteckt und dann haben sie mich mit Wasser angeschüttet, damit ich zum Schreien aufhöre. Dann ist er ohne Weiteres gegangen – gefunden hat er ja nichts."
…
"Und dann sind welche gekommen, die wollten die Pferde requirieren. Die sind gekommen und haben die Pferde aus dem Stall geführt – und ohne die Pferde waren die Bauern derschossen – einen Traktor oder sowas gab es ja nicht – und wenn die Pferde weg gewesen wären, womit hätten sie gepflügt? Und dann hat sich mein Cousin an die Leitseile der Pferde gehängt und hat die Pferde nicht losgelassen. Sie haben ihn immer wieder weggetan aber er hat sich immer wieder drangehängt. Und ich bin rüber gelaufen zu den Mietern meiner Tante. Er war Leiter vom Gefangenenhaus von Krems. Seine Frau dürfte früher Sängerin gewesen sein und dürfte eine Ostsprache gekonnt haben. Sie ist dann heruntergekommen und hat sich mit den Russen verständigt und die sind dann weitergezogen zum nächsten und haben dem die Pferde weggenommen."
Mein Vater, der fremde Mann
Manfred Golda, Jg. 1941 - 31. Mai 2025, 16:55
Mein Vater kam erst 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Da stand plötzlich ein fremder Mann in der Tür. Meine Mutter hat sich umgedreht und geschaut, was denn da los ist und hat einen Freudenschrei ausgestoßen. Die zwei sind sich da im Arm gelegen - und ich bin daneben gestanden und hab nicht gewusst, was los ist. Und dann hat sie gesagt, das ist dein Papa! Oder: dein Vater. Ha! Bis ich mich daran gewöhnt habe, dass da jetzt noch ein männliches Wesen im Haus ist, das hat eine Weile gedauert.
Wir Kinder haben die Erdäpfel am Acker gestohlen
Manfred Golda, Jg. 1941 - 31. Mai 2025, 16:27
Ich mich noch gut erinnern, wie es die ersten Lebensmittelkarten gab. Bei uns war weit und breit kein Geschäft, da mussten wir ziemlich weit laufen, bis man dann nach St. Peter, einem Vorort von Klagenfurt-Ost gekommen ist. Dort habe ich dann eingekauft, was man halt so gekriegt hat auf Lebensmittelkarten. Große Äcker hat die Firma Fischl gehabt, die spätere Kärntner Hefe- und Spiritusfabrik, die hat eine ziemlich große Landwirtschaft gehabt bei unserer Siedlung. Dort haben die auch Kartoffeln angepflanzt. Wir Kinder sind oft tagsüber auf den Kartoffelacker gegangen und haben die Erdäpfel gestohlen und dann geschaut, dass wir wieder heimkommen, ohne dass das wer bemerkt. Es ist auch immer ein Aufseher herumgegangen, der aufgepasst hat, dass nichts gestohlen wird. Wenn dann abgeerntet war, dann durfte man auch offiziell nach übriggebliebenen Kartoffeln suchen. Da haben dann auch andere Leute aus der Nachbarschaft den Acker abgesucht.
Postmeisterin hat Soldaten verraten
Frau Freudenthaler, Jg. 1935 - 23. Mai 2025, 17:02
Ich hab den Bombenangriff am 16. Oktober 1944 live erlebt in Linz. Aber dann, 1945, war ich im Mühlviertel und habe dort das Kriegsende erlebt, in Königswiesen. In Wien war schon eine Regierung und dort in Linz, ist zuerst SS gekommen, ich war im Dorf bei meiner Tante. Die SS, die wollten eben da noch verteidigen, denn die Russen waren im Anzug. Und die SS ist noch aus dem Dorf gelaufen. Die Russen hinterher. Und das war noch ein richtiges Kriegsende dort. Dann sind die Amerikaner gekommen nach den Russen. Und das vorher, das ist auch eine tragische Sache: in den ersten Maitagen oder letzten Apriltagen hat die Postmeisterin vom Dorf, bei der kam ein junger Soldat, wollte mit seinen Eltern telefonieren, hat es auch gemacht und hat gesagt. „Ich bin so nahe zu daheim, ich komm jetzt. Der Krieg, es ist aus.“ Die Postmeisterin, eine so fanatische Frau, hat das sofort weitergegeben. Er wurde noch sofort standrechtlich geköpft oder gehängt. Das war in den letzten Tagen, wo in Wien schon die Regierung angefangen hat Anfang Mai. Das habe ich persönlich mitbekommen. Ich war 10 Jahre alt, weil ich bei meiner Tante im Dorf im Dorf war. Und das hat man schon furchtbar empfunden dort. Und in meiner Familie war eine Tante, die furchtbar mutig war, zu der hat man immer gesagt: „Halt den Mund, dich holen´s noch“. Wir waren natürlich immer erschüttert. Der junge Kerl teilt seine Eltern mit... und die fanatische Postfrau – die hat man ja im Dorf gekannt. Die Postmandi hat man zu ihr gesagt.
Sogar auf die Gräber fielen Bomben
Frau Freudenthaler, Jg. 1935 - 23. Mai 2025, 16:27
Ich lese Ihnen von meiner Cousine, Viktoria Blasl, vor. Sie schreibt als Überschrift: „Sogar auf die Gräber fielen Bomben“. „Meine Eltern wohnten in Linz in der Altstadt. Am zwölften Februar 45 gingen sie das Heulen der Sirene in den eigenen Keller. Doch da kam der Luftschutzwart und sagte zu ihnen, sie solle lieber in das gegenüberliegende, stärkere Haus kommen. Sie liefen mit. Doch Bomben fielen bereits, als sie in das Vorhaus kamen. Sie wurden verschüttet. Mit einem Schlag verlor sie Vater und Mutter. Die Mutter fand man nach drei Tagen auf einem Leiterwagen liegend. Den Vater fand man erst nach drei Wochen unter dem Schutt, als die Todesursache der Eltern kam, konnte ich nicht per Bahn nach Linz fahren von Enns. So ging ich in die Ennser Kaserne und fragte, ob mich ein Militärauto mitnehmen könnte. Nach langem Reden nahm mich eines mit. Dann konnte ich mit meiner Schwester alles weitere besprechen. DieToten dieses Viertels der letzten Nacht waren im Turnsaal der Raimundschule, das ist in Linz, in der Nähe der Herz-Jesu-Kirche - ich war in dieser Volksschule damals - vier lange Reihen, darunter kleine Kinder, Särge, mittlere und größere Särge, nur roh zusammengenagelt Bretter. Ein schrecklicher Anblick, der mich aber doch bewog, dies zu erzählen. Es waren 72. Wie ich nach Hause kam, weiß ich nicht mehr. Als das Begräbnis meine Mutter angesetzt war am Barbara-Friedhof, die als gewesene Stadt-Hebamme in das Familiengrab beigesetzt werden durfte, regnete es in Strömen. Mit vier Kindern, einem großen Blumenkranz gingen wir von Enns nach Linz, weil der Bahnverkehr eingestellt war. Von Klein-München weg konnten wir fahren. Viele Autos furhen an uns vorbei, aber keines nahm uns mit. In Pichling machten wir kurze Rast in einem Wartehäuschen. Als es zum Friedhof kam, war dieser gesperrt. Es dürfen keine Beerdigungen stattfinden, weil in der Nacht vorher Bomben auf die Gräber gefallen waren. Nun standen wir ratlos am Tor. Nach längerer Zeit kam eine Frau, auf unsere Bitte öffnete sie uns. Wir konnten die Mutter noch einmal sehen. Dann gingen wir den gleichen Weg nach Enns wieder zurück. Im Geschwader etappenweise kamen die brummenden Bomber, die wie Silberflüge am Himmel aussahen. Linz war schrecklich anzusehen. Kein Leben. Verdunkelte Fenster, bombenbeschädigte Häuser und Straßen. Wir waren froh, als dieses Grauen hinter uns war. Zu Vaters Begräbnis konnten wir nicht kommen. Frau Freudenthalers Cousine, Viktoria Blasl veröffentlichte den Beitrag „Sogar auf die Gräber fielen die Bomben“ in folgendem Buch: Fritz Fellner: „Passierschein und Butterschmalz: 1945 – Zeitzeugen erinnern sich an Kriegsende und Befreiung“, Ed. Geschichte der Heimat, 1995.
Russisches Geburtstagsstamperl
Gerhard Karpiniec - 23. Mai 2025, 11:32
Ich bin 1941 als Staatenloser in Wien geboren. Meine Eltern kommen aus Czernowitz. Das als Hintergrund zu dieser Geschichte. Unsere Familie hat Freunde in Linz. Und von Linz musste man natürlich durch die Besatzungszone Niederösterreich fahren, um dort anzukommen. Und da gibt es diese Geschichte, die unseren Eltern sehr, sehr starkes Bedenken hatten. Und zwar der Zug ist irgendwo über die Enns oder die Traun gefahren und wurde damals dort von den Russen aufgehalten und kontrolliert. Bei einer Kontrolle nahm ein Offizier irgendeinen Mitreisenden fest, hat ihn rausgenommen und die kamen und kamen nicht zurück. Und als sie zurückkamen, war der Fahrgast stockbetrunken. Der Grund war ganz einfach: Der Offizier hatte beim Durchlesen bemerkt, dass die zwei das gleiche Geburtsdatum hatten. Ja, das ist die Geschichte zum Schmunzeln. Was meine Eltern natürlich doch sehr bedrückt hat, weil damals gab es einige Verschleppungen, die auch bekannt wurden, meist nur durch Hörensagen: sie hatten Angst, in das russisch besetzte Gebiet von damals, sprich Czernowitz, zurückgebracht zu werden. Und das war die Angst. Aber mir ist diese kleine Geschichte zum Schmunzeln sehr wohl noch in Erinnerung.
Hamstern in der Nachkriegszeit
Frau Liegl, Jg. 1937 - 22. Mai 2025, 16:22
Es waren hauptsächlich Mütter, die damals Essen auftrieben. Sie packten Hausrat in Rucksäcke und zogen alleine oder zu zweit los. Viele Männer waren noch nicht vom Krieg zurück oder hatten keine Arbeit und es gab nur Essen mit Lebensmittelkarten. Sie versuchten ihr Glück bei Bauern, um eventuell etwas Fleisch oder Obst für die Kinder heim zu bringen. Manchmal waren eine Bekannte und meine Mutter auch länger aus und halfen bei den Bauern mit für Kost und Quartier. Es gab kein Telefon, also musste meine Großmutter auf uns aufpassen und aus fast nichts Essen machen, bis endlich der Rucksack am Küchentisch landete. 1946 bekam ich als unterernährte Schulkind von der Volkshilfe einen Erholungsurlaub in der Steiermark. Meine Pflegeeltern hatten ein Gasthaus. Dorthin wanderte meine Mutter auch immer tagelang und blieb für einige Tage. Ich war dort zwei Monate und besuchte die dritte Klasse Volksschule, obwohl der Aufenthalt über die Volkshilfe nur sechs Wochen galt. Die Pflegeeltern beschlossen, dass sie mich gerne das Schuljahr auf ihre Kosten dort lassen. Ich war gleichzeitig Kindermädchen für den 2-jährigen Ferdi und übte täglich Klavier. Ich wäre gerne noch länger geblieben, aber meine Eltern und Oma hatten Sehnsucht nach ihrer Großen. Zu Hause hatten wir einen Gemüsegarten und Erdbeeren, Mutti machte aus Allem etwas. Wir Kinder litten nie richtige Not, da uns die Erwachsenen nicht spüren lassen, was alles fehlte. Wir hatten eine schöne Kindheit in Oberternitz.