Gemeinsam erinnern
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1. Erlebnisse in den letzten Kriegswochen
Illi-1 - 22. April 2025, 11:19
Auszuge aus der Geschichte meiner Familie, die ich als Zeitzeuge (geboren 1933) für meine Kinder und Enkel geschrieben habe, um die Lebensumstände in früheren Zeiten nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. 1. Teil.
1933 geboren verbrachte ich die Kriegs- und Nachkriegszeit zusammen mit meiner ältere Schwester und meinem dreijähriger Bruder bei meinen Eltern, in einer Mietwohnung in Leoben wohnend. Wenn ich an diese frühe Zeit zurückdenke, dann fallen mir vor allem die häufigen Fliegeralarme ein, die viele Zeit, die wir im Luftschutzkeller verbrachte. Auf Leoben fielen aber keine Bomben, wohl aber hörten wir oft die auf Graz zufliegenden Flugzeuge. Der heute bei Feueralarm gegebene Sirenenton, der den Fliegeralarm einleitete, berührt mich heute noch unangenehm. Ich war nicht begeistert, immer wieder nachts aus dem warmen Bett geholt zu werden, aber man nahm es als selbstverständlich hin, wir Kinder kannten es nicht anders. Rückblickend zeigt es mir, dass sich der Mensch an von ihm nicht zu beeinflussende Umstände gewöhnen kann. So hatte ich auch keine Angst, dass etwas Schreckliches passieren könnte.
Das Schicksal, ausgebombt zu werden oder wie es vielen anderen damals erging, sogar fliehen zu müssen, blieb mir und meiner Familie erspart. Auch spätere Einquartierungen durch die Besatzungsmächte blieben uns erspart. Was eine zerbombte Stadt bedeutet, erlebte ich in Graz, wo der Bahnhof und das Gelände herum nur noch aus Bombentrichtern bestand. Beim Umsteigen in einen Anschlusszug musste man zwischen den Trichtern balancierend lange Strecken zu Fuß gehen.
Die Züge, von kohlebeheizten Dampflokomotiven gezogen, waren so voll, dass ich froh war, wenn ich noch einen „Stehplatz“ auf den Puffern zwischen den Waggons fand. Für die 70 km lange Strecke von Leoben bis Graz war man mehrere Stunden unterwegs. Einmal erlebte ich unterwegs einen Fliegerangriff. Der Zug hielt auf freier Strecke an und ich rannte mit den anderen Reisenden unter Bäume, Schutz suchend vor einem niedrig fliegenden Jagdflugzeug, welches auf uns herunterschoss.
In der Nähe von Leoben waren Fliegerabwehrkanonen (FLAK), bei deren Einsatz Granatsplitter entstanden, bizarre Gebilde, die ein beliebtes Sammelobjekt waren. Ich erinnere mich, dass während eines Bergausflugs die FLAK geschossen hat und wir uns in Böschungen, die Rucksäcke auf den Kopf haltend, zu schützen versuchten. In den letzten Kriegsmonaten konnte man auch Gewehrpatronen finden, wohl von durchziehenden, vielleicht fliehenden Soldaten, denn die Front im Osten war nicht mehr sehr fern.
Leichtsinnig schlugen wir Buben diese auf, holten das Schießpulver heraus und hatten Spaß daran, mit diesem am Boden Figuren zu bilden und sie an einem Ende anzuzünden. Unsere Eltern wussten nichts von diesem gewagten Spiel!
Kurz vor Kriegsende. Anfang April 1945, erlebte ich in Leoben einen Durchzug von Gefangenen. In langen Schlangen zogen armselig und erschöpft aussehende Menschen in schmutzigen weißlich-grauen Gewändern - ungarische Juden, wie ich viel erfuhr - durch die Stadt, eskortiert von einigen zivilen und uniformierten Personen. Das war zwar aufregend für mich, aber eher spannend, man eilte hin, war neugierig, aber ich kann mich nicht erinnern, dass es mich besonders berührt hat. Ich meine auch gesehen zu haben, vielleicht weiß ich es auch nur aus Erzählungen, dass Gefangene, die nicht mehr weiterkonnten, erschossen wurden. Dieses Ereignis ist als „Todesmarsch“ in die Geschichte eingegangen.
Ich erinnere mich noch deutlich an die in den letzten Kriegswochen fliehenden Menschen, die mit übervoll beladenen, von Pferden oder auch selbst gezogenen und geschobenen Leiterwägen durch die Stadt kamen. Von so einem Wagen reichte mir einmal eine Frau einen kleinen Schemel, sie erkannte wohl, wie sinnlos es für sie war, diesen mitgenommen zu haben und war glücklich, dass ich mich darüber freute. Die Menschen, darunter auch Soldaten, kamen von Osten, aus Richtung Bruck und gingen weiter in die andere Richtung, vor den Russen fliehend, in der Hoffnung, die westliche Front der Amerikaner zu erreichen.
Was habe ich damals empfunden, als ich mich zwischen diesen Fluchtwägen und den vielen fliehenden Menschen herumbewegte? Jahrelang hörte ich nur von Siegen der Deutschen und nun dieses vernichtende Ende, dieses Chaos. Es war beängstigend, aber ich glaube nicht, dass ich mir viel Gedanken gemacht habe, ich nahm auch dies hin, genauso wie die bedrückenden Umständen der Kriegsjahre davor. Ich war wohl zu jung, um Zusammenhänge erfassen zu können.
Ganz kurz vor Kriegsschluss hatte ich noch ein besonders Erlebnis. In dem ganzen Wirbel dieser letzten Kriegstage lag auf den Straßen allerlei Kriegsgut herum, darunter auch Gewehre, für die meine Freunde und ich sich besonders interessierten. Wir nahmen welche an uns, keiner kümmerte sich darum, und wir schossen am Flussufer der Mur, von den Eltern nicht einsehbar, auf in Büschen aufgehängte Glühbirnen. Gegenüber am anderen Ufer hörten wir auch Schüsse, da waren wohl andere, die sich derselben Beschäftigung hingaben. Plötzlich spürte ich einen Schlag am rechten Knie, den ich zunächst nicht besonders beachtete. Da sah ich, wie einer meiner Freunde schreiend, am Unterschenkel stark blutend, die Uferböschung hinaufrannte, wo sich ein deutsches Soldatenlager befand. Ich bemerkte, dass es in meinem linken Schuh feucht-warm wurde und sich mein Strumpf darüber rot färbte. Vor Schreck, weniger wegen eines Schmerzes, als mehr über das Blut, das mich erschreckte, begann ich auch zu schreien und lief ihm nach zu den Soldaten, die uns halfen, unsere Wunden mit Jod bepinselten und verbanden. Man jagte uns auch eine - in der Erinnerung - überdimensional große Tetanus-Spritze in den Oberschenkel, das empfand ich als das Schlimmste. Was war nun wirklich passiert? Eine wohl verirrte Kugel vom anderen Flussufer traf zunächst die rechte Wade meines Freundes und war dann durch mein linkes Knie gedrungen, knapp oberhalb der Kniescheibe, die vermutlich ausgewichen war. Zwei Narben zeugen bis heute von diesem Vorfall und dem Glück, das ich gehabt habe.
Ich lag noch mit meiner Verwundung im Bett, als uns die Mitteilung traf, Deutschland habe kapituliert, der Krieg ist zu Ende.
Jeden Heiligabend Vaters Kriegsgeschichten
Hr. Zöch, Jahrgang 1952 - 22. April 2025, 02:41
Als Jugendlicher wunderte sich Hr. Zöch darüber, dass sein Vater am Heiligen Abend immer wieder Geschichten aus dem Krieg erzählte. Der Grund dafür wurde ihm klar, als er erfuhr, dass sein Vater am Heiligen Abend 1948 aus der sowjetischen Kriegs-gefangenschaft zurückgekehrt war. Damals kam der Vater in einem alten russischen Soldatenmantel und mit Bart und langen Haaren zurück. Er wollte sich beim Friseur herrichten lassen, aber die Leute erkannten ihn nicht und hatten Angst vor ihm, bis er beruhigte: I bin's, da Ludwig!
Vater, der Fleischhauermeister, wusste Bescheid
Hr. Zöch, Jahrgang 1952 - 22. April 2025, 02:41
Mein Vater, also Adoptivvater, war Fleischhauer, später dann Landwirt. Er war im Krieg kein Widerstandsheld, aber auch kein Nazi - eher ein Typ Soldat Schwejk: man wurschtelt sich durch und will überleben. Und weil er Fleischhauermeister war, war er bei einer Einheit, die ganz vorne an der Ostfront die russischen Kolchosen, sagen wir mal, ausgeraubert haben. Weil die Wehrmacht brauchte ja Fleisch, um die Soldaten zu ernähren. Also der hat ziemlich genau gewusst, wie es dort zugegangen ist. Wenn die Rede gekommen ist auf das 1945er Jahr und wie es bei uns war, hat der immer nur einen Satz dazu gesagt: Ja arg, aber wenn die Russen, die Sowjets, dasselbe gemacht hätten wie wir im Osten, dann wär's hier noch zehnmal ärger gewesen. Das hat mich schon irgendwie beeindruckt, das ist hängen geblieben. Ich weiß mittlerweile natürlich auch aus verschiedenen Dokumentationen, was da alles abging im Osten.
Acht Geschwister auf Kinderverschickung
Brigitte Lohinger, Jahrgang 1945 - 22. April 2025, 01:31
Schon im Alter von sechs Wochen erkrankte Brigitte Lohinger an der Ruhr, die dank der Hilfe eines jüdischen Arztes behandelt werden konnte. In den folgenden Jahren wuchs die Wiener Familie auf 8 Kinder an, und 1950 erkrankte der jüngste Bruder an einer Lungenentzündung. Die Familie hat Penicillin erhalten, was damals bemerkenswert war. Um die acht Kinder der Familie aufzupäppeln, wurden sie ins Ausland verschickt. Brigitte Lohinger selbst kam im Alter von fünf Jahren nach Südtirol, später in die Schweiz und schließlich nach Dänemark zu einer alleinstehenden Frau, die sich liebevoll um die Kinder kümmerte. Meistens wurde Brigitte Lohinger zusammen mit einem Geschwisterteil verschickt. Die Eltern wussten nicht, wo genau ihre Kinder untergebracht wurden. Wie konnten sie das aushalten? Dennoch schien es die einzige Möglichkeit zu sein, die Kinder zu versorgen. Brigitte Lohinger selbst hatte als Mädchen keine Schwierigkeiten mit der Situation, im Gegensatz zu einem jüngeren Brüder, der früh verstarb. Er hat die Belastung des Weggeschicktwerdens sein Leben lang mit sich getragen. Er wurde als kleines Kind ohne ein Geschwisterteil ins Ausland geschickt, was für ihn besonders traumatisch war.
Erste Begegnung mit einem schwarzen Menschen
Franz Rüdisser, Jahrgang 1940 - 22. April 2025, 01:31
Es waren ein paar Wochen vor meinem fünften Geburtstag. Da hatten die Franzosen, die Marokkaner Hohenems erreicht. Eine ganze Reihe von Panzern kam durch die Bahnhofstraße herunter. Plötzlich wurden die Panzerhauben nach oben geschoben. Die Köpfe von Soldaten zeigten sich, winkten, zeigten, wir sollten herankommen. Einige mutige Buben aus der Nachbarschaft kletterten auf die gegenüberliegende Gartenmauer. Und die Soldaten gaben ihnen dann etwas, ich weiß nicht mehr, waren es Kekse, war es Schokolade? Und zum Schrecken meiner Mutter rannte ich selber auch los. Kletterte auf diese Gartenmauer, streckte meine Hand aus und ich weiß es heute noch, plötzlich ein lautes Gerassel. Die Panzerhauben schlossen sich wieder. Ich rannte so schnell ich konnte zurück in unseren Keller. Aber Tage später habe ich dann doch noch etwas bekommen. Meine Mutter hat nach mir gerufen, ich solle heimkommen es ,wird dunkel, und sie haben mich gesucht, aber nicht gefunden. Sie kam wahrscheinlich fast in Panik. Die Marokkaner hatten in der Nähe unseres Hauses ein Lager aufgeschlagen. Meine Mutter, nahm allen Mut zusammen und ging in dieses Lager hinein, und dort fand sie mich. Ich saß auf den Knien eines großen, dicken Schwarzen, und der hat mich gefüttert. Was ich zu essen bekam, weiß ich nicht mehr. Aber Erinnerungen an diesen großen, dicken, schwarzen Mann, die sind sehr lebendig geblieben. Es war wahrscheinlich auch meine allererste Begegnung mit einem richtig schwarzen Menschen. Eine schöne Erinnerung.
Das Sterben des 15-jährigen Bruders
Inge Ungerböck, Jahrgang 1939 - 21. April 2025, 23:53
Mein Bruder war 15 Jahre alt. Er ist bei einem Bombenangriff am 21. Februar 1945 in der Kirche Maria vom Berge Karmel verschüttet worden und hat vermutlich innere Verletzungen gehabt. Am 12. April 1945 ist er gestorben in unserer Wohnung, dort waren zu der Zeit auch 20, 25 Russen. Mein Bruder hat gut Klavier gespielt. Er hat ihnen noch alles Mögliche vorgespielt. Die haben auf unserem Flügel getanzt und den Vodka reingeschüttet. Die Schwägerin von meiner Mama hat dann wenigstens die Möglichkeit gefunden, dass mein Bruder bei uns in der Wohnung sterben hat können, dass die Russen dann doch raus sind. Auf einem Leiterwagerl ist er dann auf den Friedhof geführt worden, meine Mama und meine Tante haben selber das Grab ausgehoben. (..) Aber einer der Russen war sehr lieb zu mir, der hat ein bisschen Deutsch gesprochen. Ich hab einen angeborenen Grauen Star, bin also fast blind und hatte dicke Augengläser. Und der Russe hat den Leuten gesagt, sie sollen mir nicht meine Augengläser wegnehmen. Der hat selber auch Kinder zu Hause gehabt. Das ist eigentlich das erste Mal, dass ich das so komprimiert jemandem erzähle.
Heimweh als Internatsschülerin der Blindenschule
Inge Ungerböck, Jahrgang 1939 - 21. April 2025, 23:03
1939 geboren und aufgrund eines angeborenen grauen Stars fast blind, kam Inge Ungerböck 1946 in die Blindenschule im 19. Bezirk in Wien, da das Blindeninstitut im 2. Bezirk noch völlig zerstört und ausgebrannt war. Inge U. kam damals ins Internat, die Zustände dort zur damaligen Zeit beschreibt sie als "ganz schlimm, katastrophal". Im Internat litt sie unter Heimweh, da sie stark an ihre Mutter gebunden war. In der Blindenschule waren auch viele Kinder, die beim Spielen furchtbare Unfälle durch Minen erlitten hatten, und dadurch ihr Augenlicht verloren hatten.
"Sie Znaimer Gurkn!", "Sie foaste Nudel!"
Helmut Friedrichsmeier, Jahrgang 1944 - 21. April 2025, 23:03
Wortgefechte mit den Einquartierten Die Amerikaner waren die ersten Einquartierten bei uns in der Bad Ischler Sommervilla meines verstorbenen Großvaters. Ich hab das spannend gefunden, diese Soldaten in Uniform bei uns zu haben. Meine junge Mutter war auch interessiert am Kontakt. Und das hat meine Großmutter verurteilt: Was werden die Leute sagen! Bald darauf mussten wir eine Flüchtlingsfamilie aus der Brünner Gegend in unserer Villa aufnehmen. Das war natürlich nicht das, was meine Großmutter wollte; die Amerikaner hatten noch einen gewissen Status verliehen. Mich hat es gefreut, weil ich als einen Spielkameraden hatte, während meine Großmutter sich bald mit der Frau dieser Flüchtlingsfamilie verfeindet hat. Meine Großmutter hat immer gesagt: Sie Znaimer Gurkn! Znaim war ja eine Gemüsezucht Gegend. Und die Frau aus Südmähren hat gesagt: Sie foaste Nudel! Meine Großmutter war ja nicht ganz schlank. An solche Wortgefechte kann ich mich erinnern. Die sind dann auch nach eineinhalb Jahre ausgezogen. Mehr dazu im Buch: Helmut Friedrichsmeier, Die Sicht von unten. Kindheitserinnerungen aus dem Salzkammergut (1948-1955)
Webseite
https://oe1.orf.at/ugcsubmission/view/b8a83fa3-e340-48a4-860d-2489b452689b/Die-Sicht-von-unten
Überlebt in Berlin
Ulrike Drescher - 21. April 2025, 11:11
Eine liebe Freundin hat den Brief meines Vaters (damals 23 Jahre) an seine Eltern in Kindberg aus dem Kurrent ins Reine geschrieben. Endlich kann ich ihn lesen.
Berlin, den 28.11.1943 Sonntag 17:20
Meine lieben Eltern!
Eine Woche wüsten Geschehens liegt hinter uns, ich weiß nicht, wann Euch dieser Brief erreichen wird, aber es wird wohl einmal der Fall sein. Ich will versuchen, Euch jene Gedanken zu schildern, die mich bewegten. Am Montag (22.11) hatte ich Dienst in der Akademie. Abends kam dann jener Grossangriff, der von uns aus, also von Wittenau gesehen nicht schlimm aussah.
Ich wurde erst stutzig, als ich keine Nachricht von Traudl bekam und da am nächsten Morgen kein Verkehrsmittel zu erreichen war, machte ich mich um 5 h früh auf den Marsch. Es war furchtbar u. ist kaum zu schildern. Mein Weg führte durch rauchige Strassen, an zerstörten u. brennenden Häusern vorbei, bis ich endlich immer näher an die Luitpoldstrasse herankam. Ich war verzweifelt, als ich die Zerstörungen zunehmen sah u. war natürlich vollkommen erschüttert, denn die Ruinen u. der Bombentrichter vor Haus 31 sagten mir deutlich genug, hier ist niemand mehr herausgekommen. Ich fragte einen Soldaten, der mir meine Vermutung nur bestätigte u. erklärte, dass selbst eine Bergungsmannschaft nichts mehr auszurichten im Stande war. – Was sollte ich tun? – In der Luitpoldstrasse stand kein Haus mehr, alles war verbrannt, daher auch kein Mensch, der mir hätte näheres darüber sagen können.
So ging ich in das Marineamt, (gleich an der Luitpoldstrasse) u. dort erst sagte man mir, dass einige Personen gerettet wurden – wer allerdings, wusste man nicht! Bis endlich ein Feuerwehrmann mir die Nachricht von Traudl mitteilte u. auch sagte, wo sie sich aufhalte.
Wie froh ich da war, dass kann niemand auch nur annährend nachspüren. Natürlich machte ich mich sofort zum OKM auf den Weg, wo dann die Freude für uns beide doppelt gross war! Aber wie sah meine Kleine aus, der Mantel zerrissen, das Haar verbrannt u. verschmutzt, aber darüber wird Euch Traudl selbst erzählen können. Ich war ja nur froh, dass sie heil da war, das andere war mir vollkommen egal. Wenn sie nichts retten konnte u. alles verlor, was bestimmt auch schmerzlich ist, so steht über allem doch das Menschenleben, die anderen Werte sind ja alle ersetzbar. Wie viel man sich dadurch als Mensch u. Liebender näherkommt, dürftet Ihr wohl verstehen.
Der nächste Gedanke war, was soll nun geschehen? Ich lud sie sofort nach Kindberg ein, um dort einmal die nötige Ruhe zu finden u. sich wieder zu erholen. Und so konnte sie bereits Donnerstag früh? Berlin verlassen, was sie auch mit schwerem Herzen tat. Wie es war, - wie es hier aussieht, – das kann sie Euch selbst schildern. Mir kommt es forderhand darauf an, dass sie so schnell nicht wieder hierher kommt. Ich bin so froh, dass ich sie bei Euch in Sicherheit weiss.
Flucht in die Höhle vorm Reiter auf dem Schimmel
Gertrud Grinschgl, Jahrgang 1936 - 21. April 2025, 00:08
Meine Mutter ist geflüchtet in eine Höhle im Wald. Die war damals 30 Jahre, also eine fesche junge Frau. Ein Reiter auf einem Schimmel kam und wollte, dass meine Mutter mit ihm geht. Meine Mutter hat sich in diese Höhle geflüchtet und musste sich dann eine ganze Woche jeden Tag verstecken, weil der Reiter ist immer dahergekommen und wollte nur meine Mutter. Wir sind dann geflüchtet nach Pongrazen, ein paar Kilometer weiter am Berg oben, und haben wir in einem Keller gehaust. Den Lebensgefährten meiner Mutter haben sie mitgenommen. In Hartberg wurden damals einige erschossen. Und auch der Lebensgefährte meiner Mutter war darunter. Als der Krieg vorbei war, sind wir zu Fuß ins Dorf hinunter gegangen. Da sah ich ein niedergebranntes Bauernhaus. Und am Galgen sind Leichen gehangen.