Gemeinsam erinnern

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Unser wertvolles Heu und die englischen Soldaten

Frau Karner - 23. Juni 2025, 19:18

Es war wahrscheinlich Sommer 1954, in der Steiermark. In einem Graben haben wir damals ein Haus und auch Tiere gehabt. Im Sommer wurde das Heu geerntet und "aufgehiefelt", damit es trocknet. Dann konnte man es in den Stadel bringen. Dann haben die englischen Soldaten in diesem Graben ihre Zelte aufgebaut, haben von den Hiefeln unser wertvolles Heu genommen und es in ihre Zelte gegeben. Wir durften aber nicht zu den Soldaten. Ein Soldat hat dann gesagt, wir sollen doch herkommen, sie hätten was für uns. Meine Mutter hat ja gesagt, und ich durfte dann gemeinsam mit meinem 3 Jahre älteren und meinem jüngeren Bruder zu diesen Soldaten hingehen. Die haben uns ein Stück Schokolade gegeben und einen Cheddar Käse. Da habe ich das erste Mal so einen Käse gegessen. Der hat so gut geschmeckt! Später habe ich mir dann in Wien einen Cheddar Käse gekauft, und der war so grauslich...

Schulzeit in der Steiermark

Frau Karner - 23. Juni 2025, 19:08

Wir sind im Sommer alle barfuß in die Schule gegangen. Wir haben da zwei Kilometer gehabt, zum nächsten Ort, wo die Schule war. Und dann mussten wir im Sommer barfuß gehen, um die Schuhe zu schonen. Die durften wir nur in der Kirche anziehen, im Sommer. Aber das ist gar nicht aufgefallen. Da sind alle Kinder barfuß in die Schule gekommen, und das war gar nicht so schlecht. Und damals gab es auch noch in der Oberstufe die Volksschule, also von der vierten Volksschule weg bis zur achten. Und der Direktor, der in dieser Klasse unterrichtet hat, hat geschaut, dass er diese Klasse nicht aufgeben muss, dass genug Kinder da sind und dort, wo die Eltern sich nicht gekümmert haben, sondern dem Lehrer alles überlassen haben, dort hat er geschaut, dass er genug Kinder hat in dieser Klasse. Und es waren leider auch sehr oft sehr gescheite Kinder, die dort hingehen mussten. Mein Vater hat sich aber geweigert. Er hat geschaut, dass wir dann in die Hauptschule kommen. Die war dann sieben Kilometer weg, und da durften wir dann mit dem Rad hinfahren. Da hat jedes Kind ein Rad bekommen, und wir sind dann jeden Tag sieben Kilometer mit dem Rad hin und sieben Kilometer wieder zurückgefahren. Und das war einfach unser Alltag. Und niemand hat was gefunden dabei, dass das so schrecklich sei. Im Grunde haben wir eine riesige Freiheit gehabt da drinnen. Das kann man sich gar nicht vorstellen.

DIE AUMÜHL Geschichte und Geschichten

Rudolf Schlaipfer - 20. Juni 2025, 13:50

Ergebnis eines "Grabe wo Du stehst" und "Oral History" Projektes 1988-1991.

1991 habe ich als erster in unserer Region die zivilen Opfer des Nationalsozialismus in Erinnerung gerufen. U.a. wurden 139 Menschen in Hartheim vergast.

GELEITWORT 1991

Vor gut einem Jahrzehnt begann auch in Österreich die "Grabe, wo Du stehst"-Bewegung, die von Sven Lindquist in Schweden so beeindruckend gestartet worden war, Fuß zu fassen. "Geschichte von unten" nannte sich ein erster, von Hubert Christian Ehalt edierter Sammelband, in dem konkrete österreichische Projekte, ausländische Fallbeispiele und wissenschaftspolitische Absichtserklärungen publiziert wurden.
Wie erfolgreich "Grabe, wo Du stehst"-Ansätze eingesetzt werden können, wie nützlich die Resultate sein können, das zeigt Rudolf Schlaipfers Text über die Aumühl. Er geht weit in die Geschichte zurück, um aus den Dokumenten der Archive frühere Jahrhunderte ins Blickfeld zu rücken. Sobald aber die moderne Industriegesellschaft entsteht, Arbeiter auf den Plan treten, wird die eigenständige Qualität dieses neuen historischen Arbeitens sichtbar. Im Leben in der Kolonie verschränken sich Beruf, Alltag, Kultur und Familie zu einem bunten Bild, werden Lebensschicksale und Mentalitäten deutlich.
Der Autor schreibt sozial und politisch engagiert, aber nie vordergründig und plakativ. Seine Parteinahme für die kleinen Leute ergibt sich auch aus seinem Verständnis von Geschichte und leitet sich nicht nur aus aktuellem Engagement ab. So hat der Text, der auch sprachlich sehr geglückt ist, im Rahmen der Regionalgeschichtsschreibung und der Geschichtswerkstättenbewegung ohne Zweifel einen anerkannten Standplatz als modellhafte Umsetzung eines neuen Verständnisses von Geschichte. Nicht nur in der Region selbst sollte dafür Interesse vorhanden sein.
Helmut Konrad


Helmut Konrad studierte in Wien Geschichte und Germanistik. Nach einer ersten Station in Linz wurde er 1984 als Professor für Zeitgeschichte an die Universität Graz berufen, deren Rektor er von 1993 bis 1997 war. Konrad gilt heute als Doyen der österreichischen Zeithistoriker.

Kindheit

Frau Beck, Jg. 1945 - 17. Juni 2025, 17:02

Wir wohnten in einem alten, stillgelegten Bauernhof in Melk. Meine Tante Loli, die im Obergeschoss wohnte und deren Ehemann noch in Russland verschollen war und erst nach einigen Jahren Kriegsgefangenschaft heimkehrte, wurde ausquartiert und musste in der Wohnung meiner Eltern aufgenommen werden. Meine Mutter war entsetzt. Drei kleine Kinder, hochschwanger und schon die Russen im Haus. Letztendlich war die Beschaffung im Haus entscheidend für den Familie. Ein Kapital mit. Frau Nina bezog das Obergeschoss. Nina sprach perfekt Deutsch und konnte sich gut mit der Familie unterhalten. Der Herr Capitan - Er wurde immer nur Capitan genannt - war sehr beschäftigt und viel abwesend. Es kam bald der Zeitpunkt der Niederkunft. Zu dieser Zeit waren viele Flüchtlinge in unserem Garten und. Und auch in der Küche unterwegs. Sie machten Station bei uns und wickelten ihre Kinder frisch und zogen wieder weiter. Ungarische Soldaten waren in unserem Garten und viele russische. In diesem Umfeld ein Kind zur Welt zu bringen, war eine große Herausforderung. Aber Herr Capitan fand Hilfe und stellte Wachen auf, dass das Kind in Ruhe das Licht der Welt erblicken durfte. Am 27. Juni 45 um 10:00 Uhr war ich Margarethe Maria geboren und im Vier-Mäderl-Haus aufgenommen. der Herr Capitano gratulierte meiner Mutter mit einem Krug Wein und den Worten: "Du Mama trinken tun". Was meine Mutter freundlich ablehnte, aber der Kapital bekräftigte: "In Russland ist das so". Nina hatte ab jetzt eine große Aufgabe. Ihre ganze freie Zeit verbrachte sie in der Wohnung meiner Eltern und legte mich stundenlang auf ihren Knien. Es war zwar nicht immer so harmonisch. Einmal wollte uns Nina vor randalierenden Russen in Schutz nehmen. Diese warfen sie an die Tür, die in Trümmer ging. Ihr Kommentar: "Ach Mensch, euch helfe ich nicht mehr". Nach mehreren Monaten mussten Nina und der Capitan weiter ins 15 Kilometer entfernte Roggendorf ziehen. Mehrere Wochen kam der Offizier Pol später, der auch Nina immer mit Essen versorgt und brachte mir mit Pferd geritten einen Liter Milch. Der größte Wunsch von Nina war: Wenn Grete groß ist, möchte ich sie sehen. Dieser Wunsch konnte leider nicht erfüllt werden. Ich hätte Nina auch gerne kennengelernt. Vor einiger Zeit hörte ich einen Bericht, wonach nur 40 % der im Juni 45 geborenen Kinder überlebten. Als ich 14 Tage alt war, fuhr unsere sehr geliebte Tante Loli, meine Taufpatin, mit dem Kinderwagen von Spielberg nach Melk - das sind drei Kilometer - zur Taufe. Zum Kriegsende war die Administration wahrscheinlich auch gestört. So passiert es, dass meine Geburtsstadt mit dem 27. Juli registriert wurde. Erst 1951, zu meiner Schul-Einschreibung bemerkte meine Mutter diesen Fehler. Die Korrektur musste mit zwei Zeugen beglaubigt werden. Der Standesbeamte meinte: Die Mutter wird halt nicht wissen, wann ihr Kind geboren wurde. Laut Taufschein wäre ich schon vor der Geburt getauft worden.

Schutt im Augarten

Anonym - 17. Juni 2025, 11:23

Es handelt sich im Mai 1945. Es war so, dass wir nur ein paar Stunden Schulunterricht hatten, weil die Schulen zum großen Teil ausgebombt waren. Und wenn ich mich zurückerinnere, wenn ich beim Fenster von meiner Klasse, wo ich war, runtergeschaut habe, da habe ich mich immer gewundert, wie man überhaupt durch das Tor in den Augarten hineingehen kann. Weil es war fast so hoch mit Schutt angeräumt, wie der vierte Stock meiner Schule war.

Tanzen in der Nachkriegszeit

Gilda P., Jg. 1929 - 16. Juni 2025, 14:16

Während des Krieges waren Tanz und Musik verpönt. Denn, wenn die Männer an der Front sterben, darf im Heimatland nicht gefeiert werden. Doch in der britischen Besatzungszeit wurden Vergnügungen langsam wieder erlaubt. Das erste Tanzfest an das Gilda sich erinnert, war ein Faschingsball. Da erschienen die Menschen sogar verkleidet. Nur Gesichtsmasken hatten die Briten verboten. Sie wollten, dass jeder identifizierbar bleibt.

Auf der Flucht vor den Russen

Gilda P. - 5. Juni 2025, 15:47

April 1945, Söding in der Weststeiermark. In einem nationalsozialistischem Landdienstheim für Mädchen herrscht Aufregung: Die Russen kommen, das Heim muss geräumt werden. In diesem Heim sollten die Mädchen eine landwirtschaftliche Ausbildung machen. Gilda P. (16) hätte nach dem - erhofften - Sieg der Deutschen ins eroberte Russland geschickt werden sollen, um dort die Landwirtschaft auf Vordermann zu bringen. Doch es kam anders. Die Mädchen flüchten zu Fuß in ihre jeweiligen Heimatorte. Gilda P. ist mehrere Tage unterwegs. Sie marschiert querfeldein. Auf einer Wiese macht sie plötzlich eine grausige Entdeckung: zwei Soldaten hängen an einem Baum. Offenbar Deserteure. Ermordet in den letzten Kriegstagen. Gilda setzt sich in die Wiese und weint bitterlich. Ein Erlebnis, das sie niemals vergessen konnte.

Ich konnte nimmer aufhören zum Schreien

Dkfm. Margarethe Unfried - 3. Juni 2025, 13:37

2 Episoden heikle Begegnungen mit sowjetischen Besatzungstruppen 1945

Auszug aus Interview Dkfm. Margarethe Unfried, *2.5.1937, Weinzierl/Krems 20.8.2023
(Tondok. gesamt ca. 40 min.)
Interview und Transkription: Sohn Berthold Unfried und Enkelsöhne Elias und Leo Himmelstoss

Kriegsende Weinzierl/Krems April 1945:
"Dann kam der erste Russe. Er ist allein gekommen. Er hat unser ganzes Haus abgesucht nach flüchtigen Deutschen. Es waren versammelt im Haus: meine Großmutter, meine Tante mit ihren Kindern, meine Mutter, lauter Frauen, die Männer waren ja noch im Krieg oder in Gefangenschaft. Meine Mutter hat sich aufgebuddelt, dass der reinschaut in alle Kästen, schaut, ob er versteckte Soldaten findet oder Hitlerbilder: "Da ist niemand", und er soll schauen, dass er weiterkommt. Der hat natürlich nicht Deutsch gekonnt, aber an der Gestik und am Wortschwall – auf einmal ist es ihm zu blöd geworden und er hat seine Pistole gezogen gegen meine Mutter. Ich bin hinter ihm gestanden und ich musste annahmen, er erschießt jetzt meine Mutter. Weiß nicht, ob er's getan hätte, glaub eher nicht, aber kein Mensch hätte ihn zur Verantwortung gezogen. Und ich hab zum Schreien angefangen, ich hab einen Schreikrampf gekriegt, ich konnte nimmer aufhören zum Schreien – der hat sich erschrocken, hat sich umgedreht und hat versucht, mich zu streicheln. Er hat seine Pistole weggesteckt und dann haben sie mich mit Wasser angeschüttet, damit ich zum Schreien aufhöre. Dann ist er ohne Weiteres gegangen – gefunden hat er ja nichts."

"Und dann sind welche gekommen, die wollten die Pferde requirieren. Die sind gekommen und haben die Pferde aus dem Stall geführt – und ohne die Pferde waren die Bauern derschossen – einen Traktor oder sowas gab es ja nicht – und wenn die Pferde weg gewesen wären, womit hätten sie gepflügt? Und dann hat sich mein Cousin an die Leitseile der Pferde gehängt und hat die Pferde nicht losgelassen. Sie haben ihn immer wieder weggetan aber er hat sich immer wieder drangehängt. Und ich bin rüber gelaufen zu den Mietern meiner Tante. Er war Leiter vom Gefangenenhaus von Krems. Seine Frau dürfte früher Sängerin gewesen sein und dürfte eine Ostsprache gekonnt haben. Sie ist dann heruntergekommen und hat sich mit den Russen verständigt und die sind dann weitergezogen zum nächsten und haben dem die Pferde weggenommen."

Mein Vater, der fremde Mann

Manfred Golda, Jg. 1941 - 31. Mai 2025, 16:55

Mein Vater kam erst 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Da stand plötzlich ein fremder Mann in der Tür. Meine Mutter hat sich umgedreht und geschaut, was denn da los ist und hat einen Freudenschrei ausgestoßen. Die zwei sind sich da im Arm gelegen - und ich bin daneben gestanden und hab nicht gewusst, was los ist. Und dann hat sie gesagt, das ist dein Papa! Oder: dein Vater. Ha! Bis ich mich daran gewöhnt habe, dass da jetzt noch ein männliches Wesen im Haus ist, das hat eine Weile gedauert.

Wir Kinder haben die Erdäpfel am Acker gestohlen

Manfred Golda, Jg. 1941 - 31. Mai 2025, 16:27

Ich mich noch gut erinnern, wie es die ersten Lebensmittelkarten gab. Bei uns war weit und breit kein Geschäft, da mussten wir ziemlich weit laufen, bis man dann nach St. Peter, einem Vorort von Klagenfurt-Ost gekommen ist. Dort habe ich dann eingekauft, was man halt so gekriegt hat auf Lebensmittelkarten. Große Äcker hat die Firma Fischl gehabt, die spätere Kärntner Hefe- und Spiritusfabrik, die hat eine ziemlich große Landwirtschaft gehabt bei unserer Siedlung. Dort haben die auch Kartoffeln angepflanzt. Wir Kinder sind oft tagsüber auf den Kartoffelacker gegangen und haben die Erdäpfel gestohlen und dann geschaut, dass wir wieder heimkommen, ohne dass das wer bemerkt. Es ist auch immer ein Aufseher herumgegangen, der aufgepasst hat, dass nichts gestohlen wird. Wenn dann abgeerntet war, dann durfte man auch offiziell nach übriggebliebenen Kartoffeln suchen. Da haben dann auch andere Leute aus der Nachbarschaft den Acker abgesucht.