gestern geschah morgen
Von: Rainer H. Kremser | 6. Jänner 2021, 20:12
Rainer H. Kremser ©2021, gestern geschah morgen
Mitwirkende:
Sprecherinnen:
Carina Boucher (Mitte)
Klara Boucher (links)
Magdalena Boucher (rechts)
Lisa Piglmann: finaler Mix und Mastering
Elisabeth Hager: Textredaktion
Rainer H. Kremser: Konzept, Text, Gestaltung, Komposition, audio-coding, Sounddesign, Fieldrecording, alle Instrumente, technische Realisation
Kurzbeschreibung:
Ungewöhnliche Ereignisse, deren Eintreten der Gang der Uhren angekündigt hat, treffen eine Hauptstadt.
Text:
Rainer H. Kremser ©2020, gestern geschah morgen
Es würde etwas geschehen.
Es würde bald etwas geschehen.
Etwas würde bestimmt geschehen.
Die Uhren gingen abwärts.
Was bisher geschah, geschah arithmetisch.
Die Uhren liefen nun geometrisch abwärts.
Es würde gestern geschehen.
Es geschah morgen.
Was gestern geschehen könnte, geschah morgen.
Ein mächtiger azurblauer Handschuh mit defektem Antrieb war Freitag spätnachts inmitten Glasscherben und leerer Getränkedosen am Platz des Heldengedenkens aufgefunden worden.
Namhafte Wissenschaftler wurden beigezogen, um Ursprung und Funktionsweise des Objekts zu bestimmen.
Die Feuilletons der nationalen Presse zeigten sich beunruhigt, da linkshändige Experten den Handschuh eindeutig als rechtshändig, und rechtshändige ihn ebenso eindeutig als linkshändig befanden.
In Horoskopen und Leitartikeln der Boulevardzeitungen wurde dem in seiner Symbolträchtigkeit einzigartigen Fundort eine zentrale Bedeutung im Geschehen zugemessen.
Die Regierungsparteien riefen zum Gebet in nationaler Besinnung auf gemeinsame tragende Werte in schwerer Stunde auf.
Die Raben, die bisher regelmäßig den Platz nach Sonnenaufgang aufgesucht hatten, blieben fern.
Spiegel in anliegenden Ministerialgebäuden trübten sich türkisfarben und zersprangen schließlich ohne besonderen Grund.
Der nationale Kultursender unterbrach stündlich das Historische Operettenkonzert, um neueste Ergebnisse der laufenden Untersuchungen zu verlautbaren.
Die Schule für nationale Dichtkunst veröffentlichte im halbamtlichen Regierungsblatt die Ausschreibung zur Position ihres Portiers. Selbige war durch dessen tragisches Ableben im Dienst überraschend vakant geworden.
Damit verbunden wurde auch darauf hingewiesen, dass die gegenwärtige Campagne „Dichtungen im Baumarkt“ deshalb bis auf weiteres ausgesetzt sei.
Was wirklich geschah, geschieht logarithmisch.
Was vielleicht geschieht, geschah exponentiell.
Kurzbiografie
geboren 1963 in Wien
Abschluss des Realgymnasiums, des Studiums der Klassischen Gitarre und des Lehrgangs für Harmonikale Forschung an der Hochschule bzw. Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien
Unterrichtstätigkeit an einer höheren staatlichen Schule bis 2018
Autorentätigkeit u.a. für die Edition Text & Kritik, München
Mitglied in diversen Ensembles im Bereich des Jazz und der frei improvisierten Musik
Zahlreiche Kompositionen für kleinere Ensembles und Solisten, sowie elektro-akustische Werke
Begleiter von VokalistInnen
2020 Finalist in zwei Kategorien beim Berliner Hörspielfestival
Übersicht:
Track 5' - Was wirklich geschah