Der Fluch der weißen Gams

Von: Brigitte Hager | 30. Dezember 2020, 22:55

MITWIRKENDE, GERÄUSCHE, MUSIK:


Klasse 2C (6. Schulstufe)

Text: Dorothea Eisl, Lilli Aigner, Brigitte Hager

Sprecherin: Dorothea Eisl
Franz Ferdinand: Elias Chalupnik
Sophie: Lilli Aigner
Leibjäger Mittendorfer: Michael Eisl

Selbst erstellte Geräusche:

Autotüren
Schritte im Gebirge
Getrippel
Vogelgezwitscher an der Ischl
Kratzen der Schreibfeder auf Papier
Stricknadelklappern
Buch blättern
Schuss (wurde später durch einen lauteren ersetzt)

"Gams-tot-Signal" und Eigenkomposition „Traurig“
Horn: Nicolas Reifner (2D)


VORBEMERKUNG:


Die Schüler/innen setzten sich in einem Projekt schon länger mit sagenumwobenen „normalen“ und weißen Gämsen bzw. mit ätiologischen Konzepten auseinander. Mehrere Texte wurden in Gruppen- und Partnerarbeit zusammengefasst und umgeschrieben. Aus den gewonnenen Erkenntnissen entstand im Rahmen von culture connected bereits ein knapp 14-minütiger Beitrag für eine Radiosendung der Unterstufe zum multimedialen fächer- und klassenübergreifenden Sagenprojekt „Magical Alps“.
Unser Beitrag "Der Fluch der weißen Gams" für Ö1 Track 5' basiert zwar auf dieser Radiosendung, wurde aber verändert, respektive den Wettbewerbsanforderungen angepasst:
neues Einsprechen, neue Hornmelodie, neue Geräusche, neue Reihung, neues Arrangement und Kürzungen.
Wegen der Corona-Bestimmungen wurden Textpassagen und Geräusche nicht nur im Studio aufgenommen, sondern auch mit einem Recorder in der Schule und in der Freizeit.
Wir danken dem Team vom Freien Radio Salzkammergut, dass wir das Studio nutzen durften! Besonderer Dank gebührt Mag. Erika Preisel für die technische Unterstützung.


ZUM INHALT:


27. August 1913
Blühnbach beim Hochkönig

Erzherzog Franz Ferdinand ist mit seiner Gattin Sophie und seinem Leibjäger Mittendorfer mit dem Auto unterwegs zum Hochstand, der dann erklommen wird. Das Husten des ungeduldigen Thronfolgers ist zu hören.

Exkurs:
Die Lungenkrankheit des Thronfolgers und passionierten Jägers (ca. 275.000 Tiere laut den Schussbüchern) hatte zur Folge, dass er in seinem Lieblingsjagdrevier Forststraßen anlegen ließ, um schneller zum jeweiligen Hochstand zu kommen.

Auf dem Hochstand beginnt Franz Ferdinand mit dem Schreiben von Briefen und überlässt es seinem Leibjäger, nach dem Wild Ausschau zu halten. Seine Ehefrau strickt, bis dem Thronfolger das Geklapper zu blöd wird und Sopherl daraufhin zum „leiseren“ Buch greift.

Exkurs:
Es ist überliefert, dass der Erzherzog am Hochstand Akten bearbeitete und nur zum Schießen seine Tätigkeit unterbrach.
Erzherzogin Sophie begleitete ihren Gatten häufig bei seinen Jagdausflügen.
Die Schülerinnen legten bei der Texterstellung großen Wert auf die Kommunikation zwischen dem Ehepaar, in der sich die innige Verbindung offenbart. Es ist uns nicht bekannt, wie Sophie und Franz Ferdinand sich gegenseitig nannten - wir entschieden uns daher für „Sopherl“ und für „Ferdl“ (nur als Sophie beim Steigen auf den Hochstand grantig wird, nennt sie ihn „Franzl“).
Apropos Sprache: Als kleiner Scherz wird die Iglo-Werbung „Iss was G‘scheit‘s“ in „Schieß was Gscheit‘s“ abgewandelt.
Elias imitiert gekonnt die (zum Teil lässige) Ausdrucksweise der Adeligen.

Nach dem Abschuss eines Hasen und eines Hirschen tötet Franz Ferdinand eine weiße Gams. Danach erklingt das Gams-tot-Signal mit dem Horn.

Exkurs:
In Wirklichkeit erlegte der Erzherzog bei seiner Jagd am 27. August 1913 zwei Gamsgeißen und 22 Gamsböcke - darunter eine weiße Gams.
Im Hörspiel ist das Vogelgezwitscher kurz nach den Schüssen zumindest etwas abgeschwächt. Eigentlich verstummen die Tiere nach einem so lauten Knallen. Da unsere sogenannte „Atmo“ auch das Rauschen eines Flüsschens beinhaltet, konnte das Vogelgeräusch alleine leider nicht stumm geschaltet werden.
Von einem Jäger haben wir erfahren, dass die ersten Vogellaute nach einem Schuss von Rabenvögeln beziehungsweise Krähen kommen. Diese haben gelernt, dass es dann irgendwo in der Nähe etwas zu fressen gibt. Nach dem Abschuss der weißen Gams ertönen im Hörspiel daher auch Krähen. Eine davon krächzt besonders laut, was sie gleichsam in die begeisterte Gratulation von Leibjäger Mittendorfer einstimmen lässt.
Die Tot-Signale bei Jagden dienen auch heute noch als Information für die Jäger und als Ehrerweisung für das jeweilige erlegte Tier. Das Gams-tot-Signal dauert besonders lange und wurde aus Zeitgründen für dieses Hörspiel ein wenig gekürzt.

Franz Ferdinand wird rasch klar, dass er einen folgenschweren Abschuss getätigt hat, wohingegen sich Sophie zuerst über sein Jagdglück freut.

Exkurs:
Hier endet vorzeitig das Gams-tot-Signal mit einem hohen Ton, um die Freude Sophies akustisch zu untermalen.

Die Stimmung kippt, als der Thronfolger auf die Sage verweist, laut der ein Schütze innerhalb eines Jahres stirbt, wenn er eine weiße Gams tötet.

Exkurs:
Die Passage „Hast du‘s nicht g‘sehn? Hast nix bemerkt?“ verweist auf das Gedicht „wos unguaz“ von H. C. Artmann: „hosd nix bemeagt..? hos as ned xeng..?“

Sophie fragt ihren Gatten, wieso er die Gams geschossen habe und erhält daraufhin seine überlieferte fatalistische Antwort.

Exkurs:
Laut Aufzeichnungen soll Franz Ferdinand nach dem Hinweis auf die Sage vom Fluch der weißen Gams auf die Frage seiner Frau geantwortet haben:
„Na, wenn man sterben muss, stirbt man sowieso!“

Am Ende reflektiert Leibjäger Mittendorfer dieses Jagderlebnis, erzählt vom tödlichen Attentat in Sarajevo und tut seine Trauer kund, die mit einer eigens von Nicolas Reifner komponierten Hornmelodie unterstrichen wird.

Exkurs:
In Bad Ischl befindet sich die Kaiservilla, in der Kaiser Franz Josef II. die Kriegserklärung an Serbien unterzeichnete, was zum 1. Weltkrieg führte. Daher giauben manche, der Fluch der weißen Gams gelte nicht nur für den Thronfolger, sondern auch für die etwa 17 Millionen Menschen, die im Krieg ihr Leben lassen mussten.
Die präparierte weiße Gams von Erzherzog Franz Ferdinand kann im Haus der Natur in Salzburg besichtigt werden.


SCHLUSSWORT:

Man spürt die große Begeisterung, die alle Beteiligten durch das Projekt getragen hat. Auch wenn im vorliegenden Beitrag nur 5 Schüler/innen „ertönen“, so war doch die ganze 2C-Klasse für die Erstellung des Hörspiels wichtig - sei es durch das Zusammenfassen von Informationen, sei es durch die Erzeugung und Aufnahme von Geräuschen. Ein Glücksfall war zudem, dass sich ein Hornist aus der Parallelklasse sofort bereit erklärt hatte, das Hörspiel mit zwei musikalischen Beiträgen zu bereichern.
Die Schüler/innen vermitteln in ihrem Hörspiel "Der Fluch der weißen Gams" persönliche Sichtweisen über das schicksalhafte Geschehen im Blühnbachtal. Auch wenn die Abfolge der Ereignisse in Wirklichkeit anders gewesen war und die Dialoge möglicherweise niemals auf diese Weise hätten stattfinden können, so haben die Schüler/innen mit ihrem Werk einen wichtigen künstlerischen Beitrag geleistet - denn Kunst erzeugt Emotionen und Bilder im Kopf. Und das ist diesen Zwölfjährigen meines Erachtens wirklich sehr gut gelungen! Es ist mir eine Freude und Ehre, dass ich diese jungen Menschen bei ihrem Gams-Projekt unterstützen und begleiten durfte.

Brigitte Hager

Übersicht:
Track 5' - Was wirklich geschah