SELBSTBESCHREIBUNG
Von: Oliver Augst / Michael Riedel | 30. Juni 2020, 16:54
Oliver Augst / Michael Riedel
SELBSTBESCHREIBUNG
für 27 Stimmen, Dauer 4 Min 58 Sec
Aus der illustren Sammlung von Sounddateien, die Riedel mit Hilfe von inzwischen historischen Sprachcomputern in den letzten Jahren produzierte und dokumentierte, komponierte Oliver Augst einen Soundtrack, der den Rhythmus der visuell ablaufenden Muster akustisch wiedergibt. Ausgangsmaterial sind die für Riedel typischen grafischen Bild- und Textwerke, die nun selbst lautstark zu Wort kommen.
Seit Mitte der 1990er Jahre sind die Kommentarbedürftigkeit von Kunst und die in der Folge entstehenden unerschöpfliche Mengen an Textmaterial für Riedel die Quelle, aus der er seine Bildsprache systematisch entwickelt. Es ist stets die Selbstbeschreibung des Kunstsystems, die er aufgreift und als Werkereignis wiederholt und kommuniziert. Mit einfachen Befehlen eines Grafikprogramms werden die Texte durch unterschiedliche Schreibrichtungen, vervielfachte Buchstaben, satzsprengende Vergrößerungen von Schriftzeichen oder alphabetische Sortierungen an den Rand ihrer Lesbarkeit gebracht und in Auflage gedruckt. Es entsteht eine Form, die sich aus Formen zusammensetzt und stets, mit dem möglichen Anschluss als Prinzip, die Formgrenzen in vielseitige Übergänge verwandelt. Die aus 27 Tonspuren ertönenden Stimmen sind das gesprochene Textmaterial solcherlei ausgestellten Layouts. Augst konstruiert verschiedene Stimm- und Klanggeneratoren, Module, die unter kompositorischen Gesichtspunkten auf Riedels Archiv zugreifen; sie interagieren miteinander auf der System-Ebene, und alle Systeme bilden gemeinsam ein Netz, das die Oberfläche der SELBSTBESCHREIBUNG ist. Es entsteht ein nicht determinierbarer Text, der wie ein Hilfsmotor unsere innere SELBSTBESCHREIBUNG in Gang setzen kann. Wir allein sind in der Lage, aus dem, was die elektronische SELBSTBESCHREIBUNG liefert, Zusammenhang zu konstruieren, eine Methode, unsere innere SELBSTBESCHREIBUNG erfahrbar zu machen.
Unsere Ausgangsfrage: „Müssen wir denn noch reden?“ Klar! Aber zunächst müssen wir lernen zuzuhören: durch Verzicht auf Bilder, quasi als Gehörbildung! Und wie bei der Selbstbeschreibung in einem guten Bewerbungsgespräch, müssen wir uns erst einmal klar werden, was die eigenen Stärken und Schwächen sind und diese ehrlich und authentisch rüberbringen. Es geht dabei um Offenheit und Demut. Dann können wir anfangen zu reden. Wir versuchen dies künstlerisch. Unser Thema und Titel ist SELBSTBESCHREIBUNG. Wir verstehen SELBSTBESCHREIBUNG als Gesamtkunstwerk, indem wir das Reden und Reflektieren über Kunst zu Kunst und Soundtrack werden und so zu uns zurück sprechen lassen. Unser Ansatz versucht das künstlerische Werk Riedels mittels unterschiedlichen Kompositionsstrategien sich selbst weiter schreiben zu lassen, den selbstreferentiellen Informationsgehalt zu vervielfachen und zu einem neuen komplexen künstlerischen Kosmos anwachsen zu lassen. Die Bilder beginnen zu sprechen und die Selbstbeschreibung zu beschreiben: Der Kreis schließt sich. Das Layout der Riedelschen Bildflächen speichert nicht mehr als grafisches Ereignis die Geräuschkulissen des Betriebssystems Kunst, sondern erzeugt selbst den Augstschen Diskurs-Sound. Eine Kunst der Gesellschaft, die sich der Selbstbeschreibung verschrieben hat.
- Michael Riedel studierte an der Kunstakademie Düsseldorf, der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris und der Städelschule in Frankfurt am Main. Er macht „eine Art Appropriation Art“, indem er auf bereits existierende Dinge zurückgreift, sie sich aneignet, sie wiederholt und dabei ein zweites Bild von ihnen erstellt. Er ist Professor für Malerei an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig.
- Oliver Augst, studierte visuelle Kommunikation an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und Popularmusik/Performance an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Hamburg. Seine Musik-, Theater-, und Hörspielproduktionen u. a. in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Zeichner und Poeten Raymond Pettibon, dem japanischen Konzeptkünstler On Kawara oder Blixa Bargeld werden seit 1991 international präsentiert. Zusammen mit Pettibon realisierte er 2007 das Musical „The Whole World Is Watching“ im Rahmen der Berliner Festspiele.
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