Langlebig und mobil wie ein Transistorradio

Von: nikolaus1952 | 16. Mai 2017, 22:04

Seit nunmehr 50 Jahren begleitet mich mein Transistorradio - eine Beziehung, die nicht ohne wechselseitige Folgen geblieben ist. Gerade im Hinblick auf die Entwicklung der Hörgewohnheiten.

Schon am Vortag hatte es zu regnen begonnen und wir hatten recht viel Heu draußen lassen müssen. Ohne Aussicht auf Wetterbesserung gab es heute also bis auf die Stallarbeit nichts zu tun. Ich war 15 Jahre alt und verbrachte die letzten Wochen meiner Sommerferien bei einem alten Bauern im Allgäu, um ihm, wie schon im Vorjahr in der Landwirtschaft zu helfen. Seine Kinder waren schon aus dem Haus. Wir verstanden einander gut, auch wenn wir nur wenig miteinander sprachen. Er hatte mich eingeladen und mir 50 Mark für die Bahnfahrt geschickt und ich bin gern gefahren und nun war ich hier.
Es war Sommer der Jahres 1967 und ich hatte mir zuvor in den ersten Ferienwochen bei einem Vermessungsbüro im Münsterland mein allererstes Geld verdient und mir dafür ein Transistorradio gekauft. Nun lag ich nach dem Mittagessen auf meinem Bett und hörte ein Radioprogramm – nein, nicht den Bayerischen Rundfunk, sondern einen neuen österreichischen Sender mit der flotten Bezeichnung „Ö3“ und mindestens ebenso flotter Musik – und das war jetzt, zumindest an diesem Nachmittag endlich „mein Programm“, das aus endlich „meinem Radio“ erklang.
Endlich waren die Zeiten vorbei, da es zu den väterlichen Privilegien gehörte, abends nach dem Abendbrot am Telefunken –Rundfunkempfänger die Sendung „Zwischen Rhein und Weser“ (mit Schumanns „Rheinischen“ als Kennmelodie) einzuschalten, ja mittlerweile hatten wir daheim seit den Olympischen Winterspielen 1964 in Innsbruck sogar ein Radio-TV-Tonmöbel im Wohnzimmer stehen, Meinem ältesten Bruder war später zugestanden worden, dort Chris Howlands „Musik aus Studio B“ zu hören; das Gerät sollte nach Meinung meiner Mutter jedoch geschont und daher eher selten eingeschaltet werden.
Jetzt, im Jahr 2017, ist dieses alte Möbelstück längst schon der Geschichte anheimgefallen, während mein altes Transistorradio nach 50 Jahren immer noch brav seinen Dienst versieht. Selbstverständlich hat es mich auch im Jahr 1971 bei meinem Umzug aus Norddeutschland nach Österreich begleitet und steht jetzt an einem prominenten Platz in meinem Schlaf- und Arbeitszimmer. Sieht man von einigen Gebrauchsspuren ab hat es sich Im Gegensatz zu mir kaum verändert. Ebenso wie ich hat es sich aber in seiner Wirkungsweise verändert: Ohne Übertreibung wurde es mir mit den Jahren zum kulturellen Fenster zur Welt und gemeinsam hat sich schon vor Jahrzehnten bei uns das bevorzugte Programm von Ö3 in Richtung Ö1 geändert. Dabei wird es auch wohl für unsere weitere gemeinsame Zeit bleiben und wahrscheinlich wird es mich sogar überleben.

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Die Ö1 Fundgrube