Zsammenbrochen im Zug

Von: Kondukteur | 26. Dezember 2022, 17:50

"Herr Kondukteur, Herr Kondukteur!"
"Ja, was schreiens denn so? S'werd scho net so eilig sein, glaub ich!"
"Doch, das ist es! Eine Dame ist im Zug zusammengebrochen!"
"Wos? In meinem Zug zsammenbrochen? Ja, was macht denn die für Sachen? Und jetzt können‘s nicht allein wieder aufrichten? Is so schwer?"
"Sie verstehen mich nicht! Wie soll ich das sagen? Sie hat einen Schwächeanfall oder was weiß ich!"
"Hat's Hunger? Soll ich was zum Essen bsorgen, aber das wird schwer werden, mitten im Wald!"
"Sie hat keinen Hunger, wir brauchen einen Arzt!"
"Einen Arzt? Ja, des wird ja noch schwerer werden, wir fahrn grad durch den Bregenzerwald, da wird si schwer a Doktor finden lassen! Was hats denn, die Frau?"
"Das können wir ja nicht herausfinden, sie sagt nichts und atmet sehr schwer!"
"Hier ist ja kein Haus weit und breit, wo soll da ein Doktor herkommen? Schlafts vielleicht und hat einen Alptraum? Das kenn ich, ich träum manchmal, der Zug fährt zu spät ab, weil ich verschlafen hab, dann schnauf ich auch schwer beim Aufwachen!"
"Also bitte!"
"Ja, ich denk halt nur …"
"Kein Haus weit und breit, sagen Sie? Und worauf fahren wir gerade in der Ferne zu? Da steht doch ein Schloss im Wald, keine hundert Meter vom Gleis entfernt!"
"Ha ha, hat Sie's jetzt auch erwischt? Hier war in den letzten dreißig Jahren kein Schloss, da hättens schnell bauen müssen!"
"Schauen Sie doch raus, da links, was steht da?"
"Oh mei, jetzt habens mich auch angsteckt mit ihren Halluzinationen! Und Sie schwören mir, dass die Dame wirklich sehr krank ist?"
"Ja, soweit ich das beurteilen kann. Da sind ja auch zwei andere Damen, die kümmern sich um sie und haben mich geschickt, dass ich Hilfe hole!"

"Was sind das denn noch für zwei Damen?"
"Ich kenne die doch auch nicht! Die eine sieht im Vertrauen so aus, als ob sie einen gleich fressen würde und das auch könnte, die andere ist sehr höflich, aber sie sagen, sie können auch nicht helfen, außer sie hinlegen und auf Atmung und Puls achten."
"O mei, muss ausgerechnet ich heute Dienst haben? Ich ziehe jetzt auf ihre Verantwortung die Notbremse, und sie geben mir sobald wie möglich Ihre Personalien, damit ich in meinem Bericht auf sie verweisen kann!"
Der Zug war von der Art, dass eine Notbremsung niemanden stürzen ließ, bald kam der Lokführer an, und sie gingen im Zug zu dem Abteil mit der zusammengebrochenen Dame. Sie brachten die Kranke auf einer Trage zum Schloss, das auch den Lokführer sehr erstaunte, und beruhigten die wenigen Fahrgäste, es werde so bald wie möglich weiter gefahren. Das Tor zum Schloss oben an einer breiten Treppe stand jetzt im Sommer offen, eine junge Frau in Hausmädchen Kleidung eines vergangenen Jahrhunderts sah sie kommen und erfasste sofort die Situation, dazu verkündeten die Träger zu ihrer Fracht:
„Wir hätten da a Frau abzugeben!“
Sie ließ die Kranke von zwei Hausburschen in einen Salon tragen und vorsichtig in einen Sessel setzen. Die zwei Zugangestellten nahmen die Trage schnell wieder an sich und waren schon zur Tür hinaus, bevor jemand sie aufhalten konnte, und mit ein paar ‚Immer mir muss sowas passieren!‘ führte der Kondukteur die Gruppe zum Zug zurück, dann hörte man den anfahren und gemächlich seine Fahrt fortsetzen.

Übersicht:
Track 5' - Wie soll ich das sagen?