Ich wäre ein Haus
Von: Ralf Wendt | 13. Jänner 2023, 15:00
Wie soll ich das sagen?
Ich wäre ein Haus
meine Wände verlieren sich in Pflanzen und Geröll
niemand geht hier hinein. das Haus ist offen. drinnen ist draußen. ich weiß es ja selbst nicht.
ich bin sympathisch für sympathische Menschen. die nennen mich nicht Haus.
die nennen mich gar nicht.
ich bin ja ein Teil von ihnen, sie sind ja der lebende Teil meines Körpers.
meine Wände sind ja nur Oberflächen, sie sind aus Erz und Schiefer, Borke und Kupfer, Geflechte eherner Ranken und Glas, ja Glas. ich liebe die zerbrechlichen Teile meiner Schuppenflechte, überall ist wachsendes kristallenes Geflecht, das sich verbindet mit den glitzernden Nägeln der jungen Menschen im Licht.
Meine Fasern wehen im Wind, mein Körper hat kein Ende, die Enden sprechen mit anderen Enden, ein endloses Gespräch über Endlosigkeit und Bewohnbarkeit.
In den Sätzen und Satzgeflechten verlieren sich die Anfänge in den Endlosigkeiten. Es ist ein Spiel der Enden, das eigene Ende zu beenden, die Fragen zur Feier, die Vermutungen zur Essenz zu machen - ach, wie schön ist Hausen ohne Not und Enden. Dieses Wispern und Maunzen in allen Räumen, wer antwortet, spielt mit der Idee, aus dem Haus zu fliegen. Und um das Haus fliegen viele Satzanfänge und endloses Raunen und von unten her werden die Manifeste eingerollt und manche rauchen andere verwandeln die Stoffbahnen in eine neue alles verbindende Wäscheleine, auf denen kleine Totenkopf-Äffchen in die Küchen lugen. Sie wollen nichts sein außer neugierig. Und wenn es gut riecht in den Küchen, vergessen sie kurz ihre Neugier und essen mit den Menschen, bevor sie verächtliche kleine Kommentare über die Katzen abgeben, von denen sie sagen, sie würden gern Totenkopf-Äffchen sein und sich um nichts weiter kümmern, als um Neugier und Essen. Aber die Katzen verstehen diese Sprache ja nicht. Sie laufen einfach durch mich hindurch und um mich herum und überall legen sie sich nieder, wenn nur eine Minute Sonenlicht den Platz wärmt.
Ich wäre ein Haus.
Müssten Menschen mich beschreiben, aber das müssen sie ja nicht. Sie bewohnen mich ja und sich und das drumherum und wissen gar nicht mehr, warum das Wort Wohnen überhaupt existiert. Ich bin nur ein Teil ihrer Gedanken, die geschützt sein wollen einen Moment lang, nicht nur vor dem Regen und dem Wind.
Ich wäre gern viele Häuser mit unzähligen Balkonen, Dächern, Terrassen, Verflechtungen und Gängen, die keine kennt und keiner benutzt, ein labyrinthisches Ewiges voller Seen und Vögel, Wind und Windschatten, Windjammer und Windhosen. Ich würde gern flechten und wachsen, pulsieren und mich verlieren in den Wiesen, denen die Luft ausgeht wegen der vielen feuchten Flächen. Ich würde atmen und sprießen, manchmal eruptiv, das ganze Grün und Rot würde einfach ein einer oder an vielen Stellen aus mir herausbrechen und die Menschen würden innehalten und sagen: sieh- gute Laune hat das Haus.
Ich wäre launisch, sicher.
Ich wäre nicht nett, sicher.
Einladend die Menschen lade ich aus. Ich lade aus ohne einzuladen. Ich lade alles aus, was zu den Häusern gehört in dieser sogenannten Stadt, die ein Markt war und ein Umschlagsplatz. Ich schlage alles um und verleibe es. Ich verdaue gar nichts, ich scheide einfach aus und verwandle es.
Es wäre nicht ein Haus,
das alles kaputt macht, weil alles ist ja längst kaputt.
Es wäre ein Haus,
das alles kaputt macht, was Legomenschen ganz nennen und fertig.
Ich wäre ein Haus,
das nie fertig wird, eine lebendige fötale Ruine einer nächsten Vorstellung einer Bewohnung, die früher Stadt genannt wurde, als die Menschen noch keine Ahnung hatten von der Seuche des Funktionierens und überall Treppen hingebaut haben, weil sie das Rhizom nicht kannten und die Flechten und Verflechtungen.
Damals hätten sie mich seltsames Haus genannt, nicht wissend, dass ich sie bin und sie ich und wir zusammen nur ein Teil einer Nicht-Stadt, einer Statt-Stadt, einer ganz anderen schizophrenen Unendlichkeit eines plauderndes Gespräches über einstürzende Türme und sogenannte Vergiftungen des gesunden Volkskörpers.
Heute bin ich einfach und multipel der Anfang vom Ende dieses Ortes.
Webseite
http://radioworks.de/making-nature/
Übersicht:
Track 5' - Wie soll ich das sagen?