Als der Schnee nicht taute

Von: Miriam Brümmer | 14. Jänner 2023, 22:38

Hörspiel

ALS DER SCHNEE NICHT TAUTE

Text und Lyrik von
Miriam Brümmer














































Wie soll ich sagen, ...wie in Worte fassen?
Welche Worte reichten aus, voranzustellen, die Ahnung gäben, von welcher Tiefe Wunden, von welcher Tragödie ich hier spreche?
-
Ich weiß es nicht und so beginne ich mit. -

Es war einmal Jahrtausende lang
und brennt noch immer ….












































Prolog


Schneewittchen – Hälfte der Frau

Fragil die Zuflucht,
zu hell die Haut
und Gabe durchzublicken, ist sie
der eignen Leiden Hunger.
Neid im Spiegel nimmt das Licht
von den Augen.

Eine Seite schimmert noch
die andre bleich und lebenstaub,
Tochter die nicht wissen darf
das letzte Stückchen nimmt -
R o t l i e b e s g l a u b
und fällt.

Kann nicht heraus
noch sterben
Das Gift, die Zweifel, wirkt.
Zweiwittchen in sich selbst
als Witwe vor der Zeit.

Und kein Prinz kommt,
der Schnee drauf fällt,
von gestern heut,
nur Schimmer schaut.

Während eine erfriert,
glühen der anderen die Dornen ...




















Gespräch mit dem Feuer


Ich werfe mich in deiner Hände Flammen,

mit allem, was ich zu verschwenden habe.

Ich - das Wort, für dass du brennst,

Ich schenke mich dir.


Aber, wenn du meine Worte nicht hören wirst,

sondern deine Macht verspielen,

wird ewige Kälte herrschen.

Unsere Liebe wirst du ausgelöscht finden!


Du hast, was alle dieser Erde brauchen.

In jedem von uns brennt dein Funke.

Du hast, wonach ich tief mich sehne,

und glühst als Feuerwerk der Träume,

die mir das Wasser sind, den Durst stillen.


Wenn du nicht, wer dann muss es sein,

der um die Achtung weiß, mit seiner Glut

nicht durch zu brennen.


Du darfst mit mir nicht spielen,

an meinen Hals nicht gehen.


Ich bin es,

die dich löschen kann,

mit nur einem Atemzug!



Bevor du dich verlierst,

kann ich dir Zündstoff sein,

kann dir das Wasser reichen,

bevor du ausuferst,

kann dir den Atem geben,

um dein Licht zu weihen.


Ich bin, von der du lebst.


Ich gebe denen Stimme,

die man versucht hat zu ersticken.

In meinen Zellen,

ein Flackern noch der Furcht,

was kalte Wut bereit ist zu zerstören,

sogar das Herz heraus zu schneiden.


Ich bin, die man verraten hatte,

ohne ein Funken von Gewissen.


Ich stehe hier und spreche

für alle meine Schwestern.

Ich bin der Schnee von gestern

in neuen Schuhen, kann durch die Kälte laufen.


Ich spucke dir den Apfel vor die Füße,

wenn du versuchst, mir meine Luft zu rauben,

meinen Wind, den du brauchst, deine Glut

zu entfachen, das Leben zu feiern.


Wenn du mir Gift einflößt,

weil du nicht weißt, ob ich mich füge,

wenn du in deinem Brennen

dir selbst verloren gehst,

in deiner Angst ertrinkst,

du könntest nicht das Wasser reichen

und drohst mich zu ersticken,

statt deiner Liebe Glut zu sprühen,

dann wird der Schnee von gestern,

der von heute werden!


Du bist die Glut, die in mir rauscht,

der ich die Worte leihe.

Ich bin mit dir zusammen, sie zu teilen.

Ich bin die Luft, die unserer Kinder Namen trägt,

hier auf diesem Boden.

Ich bin die Göttin, die deine Götterwelt vergessen hat.
Ich bin die Luft, die ihre Welt vergessen hat
zu ehren!


Ich sage das nur einmal noch,

denn ohne mich, wirst du nicht leben können,

nicht einen Atemzug lang!











(VERWEHRT

Auf meinen Durst
legen sich die Luftschlösser
wie Neuschnee, ihn zu stillen.
Viel Zeit haben sie nicht.
Die glatten Haare aber
umranken sie mit Locken
und über meine Löcher und Wunden
pusten sie.


TRANSPLANTIERT

Meine Stunden
verharzen die Wunden.
Fast finde ich Gefallen
am Neustoff.
Überpflanzung, die ein Hauch
im Flaum scheint von Nähe
zu fernen Ufern,
in neues Land.)






























ABER DAS FEUER VERBRANNTE,
DER SCHNEE FIEL UND
DIE KÄLTE SCHLUG UM SICH...

(Dieser Tag brach
blind in seinem Zorn
mit seiner größten Liebe,
zerschnitt das Band zum Leben.
Ein Atemzug schien milde Luft
Verheißung noch zu sein und Worte
flüsterten in einem letzten Wimpernschlag,
verfielen rot vor warm der Erde.
Die sich noch wagten auf zu Bäumen,
sie ließ man einfach hängen,
zu oft fand man sie haltlos schon
ungehalten, die quer geschossen,
schnitt man hier glatt die Hecken:
Die dünne Luft, so sanft
war Täuschungsmanöver,
geblinzelte Fatamorganastreifen,
die heute Alltag jagen.
Wachsweich glitt jeder Laut jetzt
von den Klippen.

Die Herzen schmolzen wie das Land
der schwimmenden Fragen und Träume,
die keine Ufer mehr kannten.
Sie ertranken.
Kein Korn mehr, kein Spross,
kein Ausblättern, kein Gefallen,
keine Gefallenen.
Jedes Sehnen, jede Hoffnung,
jedes VerSprechen
hüllte in Schweigen.

So schien, was umschlug, kaum bemerkt,
blütende Stille, gefolgt von einem ersten Rascheln,
als Staub fiel im Niesel, Eischnee
wie Regen zu prasseln begann und endlich
eiskalt der Hagel auf unser aller Gewissen knallte.
Jeder Halm war gebrochen, der grünen Puls noch verriet.

Wer trug auf wessen Schulter wessen Last?
Wer trug auf wessen Rücken wessen Wut?
Wer trug an diesem Beben die ganze Schuld?
Wer wagte je Prometheus` Klagen ernst zu nehmen?
Wer wagte je sie in Frage sie zu stellen?





Das Licht zu schwach
war nichts mehr aus zu machen.
Die Luft Asphalt, eiskalt. Jedes kleinste
Hoffnungsflimmern, jedes Aufbegehren,
dass den Kopf in den Wind zu heben erlaubte,
fand man im Keim erstickt.

Vom Grundeis geschliffen, lagen verwundet die Seelen.
Keine Luft reichte mehr, aus der Tiefe zu singen.
Sie schlugen wild mit den Flügeln
an einer letzten Welle,
sich das Genick zu brechen,
die überraschend diesen Ausweg nahm,
einem für immer
vorüber!

-

Und sollte je ein Apfel
bezaubern, werben, verführen noch wollen,
in welchem Glanz und Farbspiel,
rot, grün, gelb oder gold
und unter welcher Fahne,
aus welchen Reihen auch immer,
er würde verschmäht von
Mann wie Frau oder Hermaphrodit,
von allen auch die hofften noch
auf einen Weg
der Flucht.

Er hatte zu lange in Kammern
Kälte gelitten.

-

Endlich galt Gleiches für alle.
Endlich war alles nur gleich.

-

Nur die ungehaltenden Worte,
die hängen blieben
brüllen
heiß und brennend und
lauter denn je!

Sie erschlägt nichts und niemand.





(HINTER DEM PUNKT

Unter dem Eis
glüht das Wort
bis auf die Haut.
Hinter dem Satzende
bricht sie auf und
nimmt seine Hand.
Ein gefrorenes Stück Glück
im Neuklang.


HINTER DEM PUNKT

Unter dem Eis
das Salz,
bis es brennt, auf der Haut.
Hinter dem Satzende
Aufbruch und Neuklang.
Im gefrorenen Stück Glück
ein Summen.


HINTER DEM SATZENDE

Unter dem Eis
liegen verhungert die Worte,
sie gluten,
Als der Neuklang sie hüllt,
bricht ihre Schale.
Hinter dem Punkt
kann ich es singen hören.


UND VOR DEM PUNKT

Unter dem Eis
liegen die Worte im Hunger.
Sie gluten bis auf die Knochen.
Ihre Haut nur ein Hauch.
Aber die Leute kleben
die vollen Löcher lieber
mit glitzerndem Neuschnee
und rollen darüber.
Was frei liegt macht Angst.
Als der letzte Satz zu fallen droht,
bäumt er sich auf und beutelt
aus vollen Taschen.

Er sah zu,
wo er bleibt! )

Epilog

IN DER SCHNEEPAUSE

Die blassen Träume zerplatzen
am mündigen Wund der Lippen.

IM SCHNEEVERFALL

bekennt sich Farbe.


WORAUF ICH WARTE

Meine Rippen falte ich
zu einem Halm, so dünn -
als eine Wimper nur -
um mich in dich hineinzustehlen,
als die, wie du mich wolltest.

In einem leisen Zwinkern
breche ich in deine Stirn.
In einem Kratzen, haarfein,
gleite ich in deine Tiefe, mich in
dem Rachen deines Hungers zu regen.

In deiner Lunge breite ich mich aus
und raube dir die Luft, den Schlaf und
wovon du eh zu wenig hast -
solange bist du ausspuckst,
womit du mich verrietst.



...Es ist erneutes Knistern zu hören,
Funken fliegen …

Eine Stimme ruft von weit:

„Bei der Arbeit“

Lange Stille
und schließlich ein Flüstern.


„Ich brenne für dich,
mit meiner Glut möchte ich mich
auf deinen Lippen wiegen,
mit dir singen,
auf neuem Boden tanzen!“

Webseite
https://www.stimmeundausdruck.de

Übersicht:
Track 5' - Wie soll ich das sagen?