Mutter-Baby-Dialog
Von: Doris Firmkranz | 7. Jänner 2024, 16:32
Die emotionale Bindung zwischen einer Mutter und ihrem ungeborenen Kind beginnt früh. Dialoge sind aber in der Regel sehr einseitig geführt.
Aber... sind sie das wirklich?
MUTTER: Mein liebes Ungeborenes! Erst seit kurzem in meinem Bauch, bist du mir
doch längst vertraut. Ich weiß, wenn du wach bist, weiß wenn du schläfst. Spüre,
wenn es dir wieder einmal zu eng in deiner Behausung wird. Ja, ich erkenne sogar,
wenn dich von Zeit zu Zeit ein Schluckauf plagt.
BABY: Hallo! Ich weiß, du hörst mich nicht. Ich aber krieg‘ alles mit, was da
außerhalb so gequatscht wird. Da gibt es viele Dinge, über die da gesprochen wird.
Derzeit höre ich besonders oft von den „-Innen“ . Ich meine LehrerInnen, ÄrztInnen,
PolitikerInnen, vielleicht auch MitgliederInnen - nein, Blödsinn! Das geht sich rein
anatomisch schon nicht aus.
MUTTER: Jetzt weiß ich, dass du ein Bub bist.
BABY: Mir is‘ es vollkommen wurscht, ob Manderl oder Weiberl. Es is‘ noch gar
nicht so lang her, da war ich so was von divers. Ich bin übrigens nachweislich
männlichen Geschlechts. Soll mir recht sein. Wusste nicht, ob man es dir schon
erzählt hat, hab den letzten Ultraschall verpennt.
MUTTER: Auf den Bildern von den Ultraschalluntersuchungen konnte ich bis jetzt nicht viel erkennen. Aber dass du ein Junge bist, kann man jetzt schon deutlich sehen, sagt zumindest die Gynäkologin.
BABY: Ich verstehe nicht warum, aber die Geschlechterfrage scheint für euch ja von
enormer Bedeutung zu sein. Ihr habt offenbar große Probleme damit, Männer und Frauen richtig anzusprechen. Warum kapiert denn keiner da draußen, dass es
Dinge gibt, die wirklich wichtig sind? Während ihr euch mit Binnen-i, Pünktchen und Strichen beschäftigt, verändert sich unser Planet - und das nicht zu seinem Vorteil.
Es ist fünf nach zwölf! Ich versteh’ zwar nicht alles, aber eines weiß ich sicher: `S
schaut gar nicht gut aus!
MUTTER: Ich konnte bereits das Schlagen deines winzigen Herzens hören, aber ich
kenne weder deine Stimme noch weiß ich, wie du aussiehst. Was wird das für ein
großer Moment sein, wenn du im Kreißsaal deinen ersten Schrei von dir gibst!
BABY: Weiß eh, dass du neugierig auf mich bist. Bist ja eine Frau, und Frauen sind
nun mal neugierig. Sorry, Vorurteil! Das war unfair von mir! Vorurteile führen zu
nichts. Höchstens zu Missverständnissen und diese wiederum zu Krieg und Gewalt.
Da halt’ ich mich lieber raus. Aber müsst ihr da draußen wirklich immer gleich mit
Gewalt reagieren? Kümmert euch lieber um den Zustand unseres Planeten! Die Erde weint, während ihr euch gegenseitig die Schädel einschlägt. Wenn ihr nicht
ehebaldigst was unternehmt, will ich gar nicht hinaus in die weite Welt, ich bleib
ganz einfach drinnen in deinem Bauch. Ja, ich mach‘s mir weiter gemütlich in dir,
Mama.
MUTTER: Ich kann die Geburt kaum erwarten. Und dich – höre ich zum ersten Mal.
SPRECHER: Sechs Wochen später. im Kreißsaal
MUTTER: Jetzt bist du endlich da, Bub! Willkommen auf unserer schönen Erde!
BABY: schreit
Übersicht:
Track 5’ - Höre ich zum ersten Mal