3-Monats-Koliken im 6-Tage-Krieg

Von: dunja | 10. Juli 2017, 11:10

1967 kam mein Bruder zur Welt. Immer abends litt er stark an den sogenannten 3-Monats-Koliken. Nur die Redionachrichten, insbesondere die Berichterstattung zum 6-Tage-Krieg, konnten ihn beruhigen.

Ich war fünf, als mein Bruder am 4.5.1967 geboren wurde. Wir lebten damals in Zagreb im damaligen Jugoslawien. Im August 1968 sind wir dann nach Oberösterreich übersiedelt.
Meine Mutter, mein Bruder und ich lebten im Sommer 1967 vorübergehend während des 4-monatigen Mutterschutzes bei den Großeltern, die ein Häuschen mit Garten im Osten der Stadt hatten. Mein Vater blieb indessen in unserer Wohnung im Westen der Stadt, wo sich auch sein Arbeitsplatz befand.
Mein Bruder litt schon wenige Wochen nach der Geburt an den sogenannten 3-Monats-Koliken. Das bedeutete abendliches Geschrei über ein bis zwei Stunden, bis er schließlich vor Erschöpfung einschlief.
Mein Opa (1901-1983) verfolgte damals mit großem Interesse die Weltnachrichten über das Radio - Fernseher gab es keinen. Rund um den 6-Tage-Krieg gab es vermehrt Sendungen, die mit einer besonderen akustischen Kennung eingeleitet wurden. Gerade diese Kennung aber auch die nachfolgende Berichterstattung, möglicherweise auch mit O-Tönen, konnte meinen Bruder herrlich beruhigen. Dreimal ist er dabei sogar eingeschlafen. Der 6Tage-Krieg dauerte glücklicherweise nicht lange, leider gab es bald auch keine Sondersendungen mehr. Der Beruhigungseffekt war dahin. Aber mein Opa besann sich der Kennung und gestaltete mit seiner tiefen Stimme einen rhythmischen Sing-Sang, der meinen Bruder ebenfalls beruhigen konnte.
Natürlich habe ich erst viel später gecheckt, worum es sich beim 6-Tage-Krieg handelte. Und es gibt auch keine Aufnahmen, weder vom Geschrei noch von der Berichterstattung - unser erstes Magnetophon kam ins Haus, als mein Bruder schon Sätze bilden konnte, also ca. 1971. Ich weiß nicht, ob es bei "Radio Zagreb" Archivaufnahmen aus der Zeit gibt. Ich würde mir das gerne wieder anhören.
Ö1 trat bewusst in mein Leben 1972, als ich zehn war und ins Gymnasium kam. Ich musste täglich um 7:10 das Haus verlassen, um den Zug in die nächste Bezirksstadt zu erreichen. Morgens lief immer Ö1, und alle konnten sich daran zeitlich orientieren. Jeweils zu Beginn des Morgenjournals sollte ich mit dem Frühstücken fertig sein...

Übersicht:
Die Ö1 Fundgrube