Krieg der Generationen

Von: Romana Haagen | 8. Jänner 2024, 19:17

Auf den Straßen herrscht reges Treiben. Autos befahren sie auf- und abwärts im langsamen Fließverkehr. Menschen gehen über die Gehwege, welche so überfüllt sind, dass sie teilweise auf die Straße ausweichen müssen. Manche von ihnen blicken auch in das große Fenster eines Cafés am Vorübergehen, um entweder einen kurzen Blick auf die einladend aussehende Auslage am Tresen, gefüllt mit Torten, Muffins und ähnlichem oder auf die Gäste zu erhaschen.

Ein runder Tisch, besetzt von 3 älteren Damen, ist gut zu erkennen. Das Trio kommt jeden Donnerstag um dieselbe Zeit.

„Ihr glaubt es mir nicht. Jetzt will sie ihn verlassen!“, klagt die Linke mit langem grauen Haar. Die Rechte, fest ihre Tasse umklammernd, erhebt ihre Stimme: „Jetzt noch? Das Mädchen sollte überlegen, was sie sich da antut, sie ist ja auch nicht mehr die Jüngste. Das wird sich schon richten. Sie haben ja Haus und Kinder!“. Der Kurzhaarigen in der Mitte scheint es die Sprache verschlagen zu haben: „Deine Tochter…Ich meine mit 57…also wirklich". Alle drei nippen von ihrer Tasse, so synchron, dass es wie einstudiert wirkt. Die Linke schien ins Nachdenken gefallen zu sein, ihr Blick auf dem Tisch, bis sie zögerlich spricht: „Also, ich und Franz hatten ja auch unsere Probleme, aber wenn ich mich hätte scheiden lassen, nach 17 Jahren Ehe und Kindern…Mutter hätte mich verstoßen.“ Die drei anderen nicken. „Sowieso sind die jungen Leute so beziehungsunfähig heutzutage. Seiner Zeit hätte es einen ständigen Partnerwechsel nicht gegeben!“, schloss die Rechte das Thema ab, „Ja bei uns, da gab es noch richtigen Familienzusammenhalt!“

Sie winken einem jungen Kellner, um zu bezahlen und verlassen das Café in aller Ruhe.

Der runde Tisch wird abgeräumt und gewischt, bevor der Kellner zum nächsten gehen kann, um eine Bestellung aufzunehmen. Ein Paar hat es sich bei einem viereckigen, kleinen gemütlich gemacht.

„Zwei Kaffees und ein Schoko Muffin, kommt sofort.“, lächelt der junge Kellner und verlässt den Tisch.

„Um nochmal auf das Thema zurückzukommen, du findest Michael Jackson war kein guter Sänger?“, sagt der Mann empört und legt als Witz die Hand geschockt an die Brust. Die Braunhaarige Frau ihm gegenüber, lacht: „Das habe ich so nie gesagt. Ich meinte nur, er hat etwas übertrieben und ich hab ihn nie so sehr gemocht. Red Hot Chili Peppers waren schon eher was für mich, besonders in meiner Jugend“ Der Mann runzelt überrascht die Stirn: „Ich lerne immer wieder neue Seiten an dir kennen.“ „Ich weiß noch, wie sich Mama immer aufgeregt hat, wenn ich mit meinem Walkman durch die Küche gelaufen bin, die Musik so laut, dass sie durch die Kopfhörer mitzuhören war.“, schmunzelt die Frau. Sie beginnt ihre Mutter nachzuäffen, wie sie sie früher immer zurechtwies: „Das ist doch viel zu laut und auch noch so eine Musik…“ Beide scheinen Ende 40 zu sein. Der Mann schmunzelt etwas, bis seine Miene allerdings ernster wird: „Sowas hat meine nie gemacht. Sie hat mich einigermaßen in Ruhe gelassen mit solchen Dingen. Womit sie mich allerdings immer belästigt hat, war, schnell zu heiraten und eine Familie zu gründen. Sie wollte immer Enkelkinder und hat versucht mich mit Kinder ihrer Freundinnen und Bekannten zu verkuppeln. Als ob die schnelle Ehe mit meinem Vater so harmonisch gewesen wäre, dass ich es genauso machen hätte sollen.“ Die Bestellung kommt an den Tisch.

Nun verschwindet der Kellner in der Küche, durch eine Tür nach hinten zum Raucherbereich. Zwischen den Mülltonnen hatten er und ein paar Kollegen sich einen Art Pausenraum eingerichtet. Er steckt sich eine Zigarette zwischen die Lippen und genießt die kalte Luft. Während er Bestellungen aufnahm, brachte und den Boden wischte, hatte er den Gesprächen beider Tische gelauscht.

Er muss gedankenversunken lächeln. Der junge Kellner denkt an seine Mutter, die ihn immer rügte, was für Jeans er zur Schule tragen wollte. Natürlich zerrissene, die sie ihm heimlich flickte, weswegen er sie vor ihr versteckte. Der Versuch ihr zu erklären, dass das zur damaligen Zeit modern war prallte lediglich an ihr ab: „Das höre ich in all meinen Lebensjahren zum ersten Mal!“

Die Alten beschweren sich über die Jungen, während die Jungen die alt werden, sich wiederum über die nächste Jugend beschweren. Ein fortwährender Krieg der Generationen.

Übersicht:
Track 5’ - Höre ich zum ersten Mal