"Auch Frankreich wird aussteigen"

Cohn-Bendit: Fukushima brachte Wende

Der Grüne Europaparlamentarier Daniel Cohn-Bendit glaubt, dass der japanische Atomunfall eine Art energiepolitische Wende herbeigeführt haben könnte. Im Ö1-Interview "Im Journal zu Gast" sagt er eine solche Wende auch für den Atomstrom-Staat Frankreich voraus. Und er vermisst Aktivitäten Österreichs in der Anti-Atompolitik.

"Der AKW-Ausstieg beginnt im Kopf"

Der deutsch-französische EU-Abgeordnete der Grünen, Daniel Cohn-Bendit, "Im Journal zu Gast" am 02.04.2011 bei Fabio Polly

Atomenergie wird sich ökonomisch erledigen

Fukushima führe deutlicher als jeder Atomunfall zuvor die Machtlosigkeit des Menschen gegenüber dieser Technik vor Augen, sagt der deutsch-französische EU-Abgeordnete Cohn-Bendit. Atomkraftwerke seien "unverantwortlich". Die Folgen einer atomaren Katastrophe seien unvorhersehbar, "unsere Phantasie reicht nicht aus, um sich das Risiko auszumalen." Es sei klar, dass man nicht von heute auf morgen aus der Atomenergie aussteigen könne. Aber man müsse für die kommenden Generationen einen AKW-freie Welt schaffen. Forschungsmittel müssten in Richtung erneuerbare Energie und Energieeffizienz gelenkt werden. Außerdem glaubt Cohn-Bendit, dass Atomenergie immer sicherer und damit immer teuer werden muss. "Das wird sich damit ökonomisch erledigen."

Atomausstieg auch in Frankreich

In Deutschland fühlen sich die Grünen als Anti-Atom-Partei im Aufwind - nicht zuletzt weil bei der Landtagswahl im deutschen Bundesland Baden-Württemberg die Weichen neu gestellt wurden. Demnächst wird der Winfried Kretschmann der erste Grüne Ministerpräsident in Deutschland sein. Aber auch in anderen Ländern zeige sich ein Umdenken, sagt Cohn-Bendit. "Der Ausstieg aus der Atomenergie beginnt im Kopf, und der ist nicht nur in Deutschland in Gang." Der EU-Grüne ist sicher, dass es in zwei bis drei Jahren in Frankreich einen Volksentscheid über den Ausstieg aus der Atomenergie geben werde. Staatspräsident Nicolas Sarkozy werde die nächsten Wahlen verlieren und die Grünen würden mitregieren. Und in der französischen Sozialdemokratie werde es ein Umdenken geben.

Zu wenig Aktivität Österreichs

Kritik übt Cohn-Bendit an der österreichischen Anti-Atompolitik: "Eine Aktivität der österreichischen Regierung, um in Europa eine alternative Position aufzubauen, die gab es nicht." Auch bei Anstrengungen für mehr Energieeffizienz liege "viel im Argen".

Stresstests schaffen Risiko nicht ab

Skeptisch ist der Grün-Abgeordnete auch gegenüber den "Stresstests", denen die europäischen AKW unterzogen werden sollen. Die Frage werde sein, ob das atomenergiekritische Wissenschaftler sind, die diese Tests durchführen, und wie weit man mit der Annahme kumulativer Gefahren geht. Das Risiko lasse sich dadurch jedenfalls nicht abschaffen, so Cohn-Bendit.