Gesetzesänderungen notwendig
Rechtsstreit um Atomausstieg
Nachdem der Stromkonzern RWE Klage gegen das Atom-Moratorium und die Abschaltung des Atomkraftwerkes Biblis A eingereicht hat, droht nun ein langer Rechtsstreit. Darüber hinaus will die Regierungskoalition einige der ältesten AKW ganz vom Netz nehmen - dazu ist aber eine Gesetzesänderung notwendig.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 02.04.2011
Überraschende Wende
Im politischen Berlin ist man sich weitgehend über einen raschen Atomausstieg einig. Das war vor dem Atomunfall in Japan ganz anders. Erst im Herbst hatte die schwarz-gelbe Regierungskoalition den ursprünglich von Rot-Grün festgelegten Atomausstieg verschoben - und die Laufzeiten der 17 Atomkraftwerke in Deutschland um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert. Nach der Katastrophe in Japan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel dann mit ihrer schnellen Ankündigung überrascht, alle Atomkraftwerke in Deutschland auf ihre Sicherheit zu überprüfen.
Klage hätte Chancen
Für das dreimonatige Moratorium sind die sieben ältesten Meiler sofort stillgelegt worden. Rechtlich begründet wurde dies mit einem Artikel im Atomgesetz, der besagt, dass ein Kernkraftwerk abgeschaltet werden muss, wenn Gefahr für Leben, Gesundheit oder Sachgüter besteht. "Der erlaubt aber nicht, wegen allgemeiner Sicherheitsbedenken oder einer Wende in der Kernenergiepolitik Kraftwerke stillzulegen", sagt Christian Pestalozza Staatsrechtler von der Freien Universität Berlin. Juristen billigen der Klage des Energiekonzerns RWE gegen die Abschaltung des Kraftwerks Biblis A in Hessen durchaus gute Chancen zu. Hier könnten auf den Staat Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe zukommen. RWE entgehen an die 700.000 Euro täglich.
Von Atomkonzernen abhängig?
Zusätzlich hat das Einreichen der Klage eine aufschiebende Wirkung auf das Moratorium - auch wenn RWE derzeit keine Anstalten dazu macht, so könnte das AKW sofort wieder hochgefahren werden. Renate Künast von den Grünen: "Die Bundesrepublik kann sich nicht gefallen lassen, auf den guten Willen der Atomenergiekonzerne angewiesen zu sein." Durch einen Sofortvollzug des Bundeslandes Hessen ist man dies inzwischen auch nicht mehr.
Neues Gesetz muss her
Durchgesickert ist mittlerweile auch, dass die Bundesregierung nach dem Moratorium einige der älteren Atommeiler durch die strengeren Sicherheitsstandards stilllegen lassen will. Allerdings müsste dazu das Gesetz geändert werden, betont Rechtsexperte Christian Pestalozza. Und man will hier schnell handeln. CSU-Chef Horst Seehofer: "Dann müssen wir halt so schnell wie möglich ein Gesetz machen."
Konsens mit der Opposition?
Seitens der SPD darf mit Unterstützung gerechnet werden - mit Bedingungen. Frank Walter Steinmeier: "Als erster Schritt muss die Laufzeitverlängerung vom Tisch kommen." Das sei die Voraussetzung für einen Konsens mit der Opposition über einen beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie. Sollte das neue Atom-Gesetz schnell beschlossen werden, ist die SPD auch bereit, ihrerseits eine Klage zurückzuziehen, die sie gegen die schwarz-gelben Laufzeitverlängerungen eingebracht hat.
Deutschlands größter Energiekonzern Eon sieht übrigens von einer Klage gegen das Atom-Moratorium ab. Bei einem Klageerfolg von RWE könnte aber der Druck der Aktionäre dazu führen, dass sich auch Eon nochmal eine Klage überlegt, heißt es.