Deutschland wendet sich ab
Atomlobby in Nöten
Fukushima drängt die Atomenergiekonzerne in die Defensive - auch in Europa, besonders in Deutschland. Landtagswahlen in Deutschland treiben die Bundesregierung aus CDU/CSU und FDP zu einer Kehrtwende in der Atompolitik - zumindest vorübergehend: Sieben alte AKW wurden vom Netz genommen. Die deutschen Energiekonzerne haben jetzt Probleme mit Glaubwürdigkeit und Einfluss wieder zurück zu gewinnen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 25.03.2011
Kostenintensive Stilllegungen
Es ist eine ungewohnte Rolle, die die Konzerne derzeit gegenüber der Politik und einer verunsicherten Öffentlichkeit einnehmen müssen. Kurz vor den zwei wichtigen Landtagswahlen in Rheinland Pfalz sowie in Baden Württemberg hat ihre Deutungshoheit in puncto Atomenergie rapide abgenommen. Die vier marktbeherrschenden Unternehmen – E.on, RWE, EnBW sowie Vattenfall – müssen damit rechnen, dass sie schneller als erwartet einen lukrativen Teil ihrer Einnahmen verlieren. Nach Berechnungen von Experten fehlen pro abgeschaltetem AKW und Tag eine Million Euro.
Schrecksekunde vorbei
Im Deutschen Atomforum haben sich all jene zusammengeschlossen, die dem Nutzen der Kernenergie das Wort reden. An seiner Spitze steht Ralf Güldner vom größten Atomstromanbieter E.on. Nach der Katastrophe in Japan sieht Güldner keinen akuten Handlungsbedarf für die Anlagen in der Republik.
Nach einem kurzen Moment der gefühlten Abschaltung fahren die AKW Betreiber wieder hoch. Sie prüfen, ob das Moratorium der Bundesregierung rechtlich zulässig ist, sie formulieren Schadenersatzforderungen sowie Steuernachlässe und versuchen Abgeordnete der Regierungsparteien auf Landes- und Bundeseben für ihre Position zu gewinnen. Gleichzeitig wollen sie dem Willen der Politik einmal folgen und die Reaktoren einem so genannten Stresstest unterziehen.
Solche Aussagen sind Teil einer umfassenden wie langerprobten Strategie der Branche, sagt Thomas Leif, Journalist und bei Transparency international engagiert. Auf allen politischen Ebenen gebe es seit Jahrzehnten zum Teil sehr enge Verbindungen zwischen Energiewirtschaft und Politik.
Wirtschaftsfaktor AKW
Die Energieversorger sind nicht die einzigen, die die Politik für die eigenen Interessen bearbeitet haben, denn Nuklearanlagen samt Infrastruktur fallen in die Kategorie Exportschlager. Weltweit sind derzeit mehr als 150 Atomanlagen in Bau oder Planung, allein für deutsche Firmen sind damit mögliche Aufträge in Höhe von mehr als 600 Milliarden Euro verbunden. Das Risiko in China, Russland, Brasilien oder Indien zu scheitern ist relativ klein. Zum einen investieren deutsche Banken, auch solche in Länderbesitz, in Bau und Betrieb von Nuklearprojekten, zum anderen können die Unternehmen mit staatlichen Bürgschaften rechnen. Die schwarz gelbe Koalition hat das Verbot zur Förderung von Atomkraft vor gut einem Jahr aufgehoben. Werden Exportgarantien geprüft, dann gelten wieder die weniger strengen OECD Umweltrichtlinien.