Mark Pieth hält Österreich für "Korruptionsoase"

OECD-Experte: "Scheuch-Urteil ist sauber"

Für den Schweizer Strafrechts- und Korruptionsexperten Mark Pieth ist das erstinstanzliche Urteil gegen Uwe Scheuch (FPK) juristisch sauber und gerechtfertigt. Kritik übt Pieth zudem an den laxen österreichischen Korruptionsbestimmungen. Österreich sei nach wie vor eine "Korruptionsoase".

Mittagsjournal, 6.8.2011

Bernt Koschuh

Kritik der Freiheitlichen nicht nachvollziehbar

Die Argumente von FPÖ und FPK, wonach das Urteil im "Part-of-the-Game"-Prozess ein Fehlurteil wäre, sind nach Ansicht des Schweizer Strafrechtsprofessor schlichtweg falsch. "Wenn ein stellvertretender Landeshauptmann für sich oder für seine Partei Geld verlangt, dann ist das in allen mir bekannten Rechtsordnungen schlicht strafbar", sagt Pieth.

Uwe Scheuch soll laut Anklage in einem mitgeschnittenen Telefongespräch von einem potentiellen russischen Investor Parteispenden gefordert, und ihm im Gegenzug die österreichische Staatsbürgerschaft zugesichert haben.

"Strafbar, auch wenn kein Geld geflossen ist"

Nach Ansicht der Freiheitlichen hätte Scheuch aber nicht verurteilt werden dürfen, da angeblich gar kein Geld geflossen sei und es auch keinen Russen gegeben habe, der investieren wollte. Nach Meinung von Mark Pieth, der unter anderem auch die Arbeitsgruppe der OECD zur Bekämpfung von internationaler Korruption leitet, ist dieses Argument juristisch nicht haltbar.

Ob tatsächlich Geld geflossen ist, sei nach österreichischem Gesetz unerheblich, so Pieth. Für die Verurteilung wegen des "Verbrechens der Geschenkannahme durch Amtsträger", reiche es vollkommen aus, dass überhaupt Geld verlangt wurde, analysiert der Strafrechtsexperte. "Wenn solche Verhaltensweisen an der Tagesordnung sind, dann müssen sie aufgearbeitet werden."

"Österreich ist Korruptionsoase"

Die österreichischen Korruptionsbestimmungen müssten eigentlich noch strenger sein, glaubt Pieth. Als Beispiel nennt er das sogenannte "Anfüttern" - also die wiederholte Gewährung kleiner Geschenke, um Abgeordnete bei Laune zu halten - das seit 2009 nicht mehr strafbar ist. Für Pieth mit ein Grund, Österreich als "Korruptionsoase" zu bezeichnen. Im Gegensatz zu Deutschland oder der Schweiz ist hierzulande die Geschenkannahme durch Amtsträger nur dann verboten, wenn ein Zusammenhang mit einer späteren Amtstätigkeit besteht.

"Korruptionserleichterungen" für Staatsbetriebe

Noch gravierender ist aus Sicht der Anti-Korruptions-Arbeitsgruppe der OECD, dass für Mitarbeiter von Staatsbetrieben in Österreich nicht die gleichen strengeren Anti-Korruptionsgesetze gelten wie für Beamte. Diese "Quasi-Korruptionserleichterungen" gelten laut Pieth nämlich nicht nur für Betriebe wie ÖBB, Asfinag oder OMV, sondern auch für staatliche, ausländische Großkonzerne.

In Österreich mit seinen laxen Korruptionsbestimmungen sei es sogar besonders leicht, auch große, ausländische Konglomerate zu bestechen. Als Beispiel nennt Pieth den russischen Gaskonzern Gazprom. Vielleicht, so mutmaßt Pieth, seien diese Regelungen sogar Absicht. Immerhin komme Österreich mit seiner Nähe zu Osteuropa künftig eine wirtschaftlich bedeutende Rolle zu. "Da ist es viel angenehmer, wenn man von hier aus bestechen könnte."

Regierungsinserate: "Staatsanwalt sollte prüfen"

Aber auch zur aktuellen Diskussion in Österreich über Regierungsinserate und über womöglich erkaufte freundliche Berichterstattung in auflagenstarken Zeitungen, hat der Schweizer Experte eine klare Position. Diskutiert wird ja etwa über Inserate von SPÖ- und ÖVP-geführten Ministerien, aber auch über ÖBB-Inserate, die Bundeskanzler Werner Faymann noch als Verkehrsminister angeblich vermittelt haben soll.

"Wenn ich Steuergelder ohne gesetzliche Grundlage für Eigenwerbung einsetze, dann müsste die Staatsanwaltschaft eigentlich die Frage der Untreue prüfen", urteilt Pieth.

Umdenken in Bevölkerung gefordert

Vieles müsste sich ändern, sagt der Experte, damit er Österreich nicht mehr als "Korruptionsoase" bezeichne. Vor allem auch die Wahrnehmung von Korruption und das Bewusstsein in der Bevölkerung. Nach wie vor werde Korruption in Österreich als Kavaliersdelikt empfunden. Das, so Pieth, sei das eigentliche Problem.