Burgtheater zeigt "Das weite Land"

Schnitzler als Film noir

Arthur Schnitzlers "Das weite Land" hat am Samstag, 24. September 2011 am Wiener Burgtheater Premiere. Peter Simonischek ist in der Rolle des Hofreiters zu sehen. Ursprünglich war Klaus Maria Brandauer vorgesehen, der ist aber kurz vor Beginn der Proben abgesprungen. Inszeniert wird das Stück vom lettischen Regisseur Alvis Hermanis.

Mittagsjournal, 21.09.2011

Am Burgtheater hat Hermanis, der immer wieder auch für die Wiener Festwochen inszeniert und das Neue Theater in Riga leitet, zuletzt bei Tschechows "Platonov" Regie geführt, und für Tracy Letts "Eine Familie" den Nestroy erhalten.

Inszenierung mit Film-Ästhetik

Schnitzler klassisch, Schnitzler entstaubt, Schnitzler brutal oder oberflächlich - "Das weite Land" hat man schon in vielen Versionen gesehen, so aber bestimmt noch nie. Auch Regisseur Hermanis hat das Stück von Ehebruch und Doppelmoral schon in einigen Inszenierungen erlebt und war mit keiner zufrieden.

Die meisten blieben auf der Ebene des bürgerlichen Melodrams und man wollte nicht noch eine Soap Opera machen, so Hermanis: "Wir wollten wirklich eintauchen in das Unterbewusstsein der Figuren. Deshalb haben wir die Ästhetik des Film Noir verwendet. Das ist natürlich auch auf der visuellen Ebene sehr reizvoll - aber darum ging es uns nicht primär - sondern um den speziellen Fokus auf das Unterbewusste. Ich hoffe, bei unserer Version wird klar herauskommen, wie nahe sich Arthur Schnitzler und Sigmund Freud waren."

Hollywood aus der Schnitzler-Welt

Bühnenbild und Kostüme sind gänzlich in Schwarz-Weiß und Grauschattierungen gehalten, alle Dialoge sind mit Filmmusik unterlegt, die sich immer wieder dramatisch steigert, jede Dame ein Femme fatale, jeder Herr ein potenzieller Humphrey Bogart. Und mit seinen drei Toten mehr Krimi als Melodram. Auch der Tonfall und Spielstil orientiert sich am Film noir.

"Ich sehe einen Zusammenhang zwischen Schnitzlers Dialogen und denen, wie sie im Film noir konstruiert wurden", so Hermanis. "Das ist kein Zufall, denn die Skriptwriter in Hollywood waren Wiener Juden - sie haben die Dialoge für Humphrey Bogart und Lauren Bacall geschrieben. Diese Schreiber kamen aus der Schnitzler-Welt."

Brandauers Ausstieg

Wenn man ein Stück aus dem zeitlichen Kontext hebt, dann muss man schon sehr starke Gründe dafür haben, meint Hermanis, der sich selbst als konservativ bezeichnet - aber hier wäre das Verlegen des Jahrhundertwende Stoffes in die späten 1940er Jahre absolut notwendig gewesen. Möglich, dass gerade dieser Idee die Zusammenarbeit mit Klaus Maria Brandauer zum Opfer gefallen ist.

"Das Burgtheater hat 'Das weite Land' eigentlich für Brandauer auf den Spielplan gesetzt - und Brandauer war mit mir als Regisseur einverstanden. Aber ganz zu Beginn haben wir zu unser beider Erstaunen entdeckt, dass wir wirklich sehr verschiedene Auffassungsunterschiede haben", so Hermanis.

Burgtheater ist Hollywood

Mit Peter Simonischek als Hofreiter, Dörte Lyssewski als Genia, Corinna Kirchhoff als Anna Meinhold oder Kirsten Dene als Frau Wahl hat Hermanis ein, wie er sagt, brillantes Ensemble zur Verfügung.

Das Burgtheater sei für ihn wie Hollywood - eine große Bühne, viel Geld und eine hohe Qualität an Schauspielern: "Ich mag es, wie hier mit einer älteren Generation an Schauspielern zu arbeiten. Zuhause bei mir am Riga Theater haben wir ein sehr junges Ensemble - aber das gewisse Charisma eines Schauspielers entwickelt sich erst mit der Erfahrung und den Lebensjahren. Ältere Schauspieler haben einfach mehr Kraft, Energien zu bewegen - und darum geht es ja im Theater."

Schnitzler auch in München

"Das weite Land" hat am Samstag im Burgtheater Premiere - Anfang Oktober wird man es auch in München sehen können - denn Martin Kusej, ewiger Konkurrent von Burg-Chef Matthias Hartmann, eröffnet seine Intendanz am Münchner Residenztheater ebenfalls mit Schnitzler. Dort wird Tobias Moretti die Hauptrolle spielen.

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