Autor führ im Akademietheater Regie

Vinterberg-Uraufführung in Wien

Am Samstag, 10. September 2011 kommt im Wiener Akademietheater die Tragikomödie "Die Kommune" zur Uraufführung, die Thomas Vinterberg gemeinsam mit Mogens Rukov geschrieben hat. Der Autor führt selbst Regie und ist in die grellsten Abgründe der 1970er Jahre hinabgestiegen.

Kultur aktuell, 08.09.2011

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Burgtheater

Menschen mit Schlaghosen

Kopenhagen 1975. Es könnte alles so friedlich sein: Eine Handvoll sympathischer Menschen mit Schlaghosen und John-Lennon-Frisuren gründen eine Kommune.

Regisseur und Autor Thomas Vinterberg weiß, wovon er erzählt in seinem neuen Stück: "Ich bin in einer Kommune aufgewachsen, zwölf Jahre lang habe ich mit meinen Eltern dort gelebt. Das hat mein künstlerisches Leben beeinflusst. Auch mein Film 'Das Fest' erinnert in gewisser Weise an das Leben in einer Kommune: ein großes Haus voller Verrückter. Also, für mich war es entschieden an der Zeit, einmal die ganze Kommunengeschichte aufzugreifen."

Ein Leben ohne Boss?

Und das tut Thomas Vinterberg zusammen mit seinem Co-Autor Mogens Rukov. Die beiden erzählen von Erek und seiner Lebensgefährtin Anna, die eine Kommune gründen, in der auch ihre gemeinsame pubertierende Tochter sich wohlfühlen soll. Kommunenpapa Erek legt größten Wert auf ein hierarchiefreies Zusammenleben. "Wir versuchen das hier gemeinsam zu lösen, ja, wir haben hier keinen Boss. Warum sagt Ihr zu mir, ich bin der Boss", heißt es im Stück.

Burgtheaterstar Joachim Meyerhoff spielt den Kuschel-Kommunarden, der das Alphatier in sich allerdings nicht lange verleugnen kann. Als er sich eine Geliebte zulegt - um einiges jünger als seine Hauptgesponsin - und als diese Geliebte neben Hauptfrau Anna Quartier nimmt in der Wohngemeinschaft, wird die Sache explosiv.

WG-Ibsen

Verdeckte Machtstrukturen in den menschlichen Beziehungen lassen sich eben nicht so einfach überwinden, nur weil man sie hinter pseudo-einfühlsamem "Lasst-uns-mal-darüber-reden"-Bla-Bla verbirgt. Vinterberg - ein präzise analysierender WG-Ibsen - bringt eine grelle Tragikomödie aus der Blütezeit der Neuen Linken auf die Bühne.

Der bürgerlichen Kleinfamilie - so seine Diagnose - entrinnt man nicht so leicht: "Im Grunde sind die Experimente der 70er Jahre ja gescheitert. Alle, die damals mit kollektiven Wohnformen experimentiert haben, leben heute wieder in bürgerlichen Kleinfamilien. Alle! Also, das Gemeinschaftliche haben sie in gewisser Weise aufgegeben."

Vinterbergs zweite Theaterarbeit

"Die Kommune" ist Vinterbergs zweite Theaterarbeit, nachdem ihn Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann letztes Jahr zu einer Bühnenfortsetzung von "Das Fest" überredet hat.

Die Arbeit beim Film und auf der Bühne könne man nicht miteinander vergleichen, meint Vinterberg: "Die beiden Medien sind sehr, sehr unterschiedlich. In gewisser Weise fange ich hier am Theater völlig neu an. Aber: Auf dünnem Eis zu gehen und neue Territorien zu erforschen, ist das, was mich am Leben hält."

Stück entstand mit Schauspieler/innen

Bei der Arbeit an seinem neuen Stück folgt Vinterberg uralten Kommune-Traditionen. Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben den Text gemeinsam mit dem Regisseur entwickelt, das Stück ist überhaupt erst während der Proben entstanden.

"Wenn Sie jetzt vor der Premiere die Panik in meinen Augen aufflackern sehen - dann hat das mit dem Verlust von Kontrolle zu tun", so der Autor. "Wir stellen hier ein Stück vor, das wir erst während der Proben geschrieben haben. Das macht mir Angst. Wenn ich einen Film drehe, ist das Skript ein Jahr vor Drehbeginn fertig. Also, das hier am Theater ist ganz was anderes - alle arbeiten gemeinsam auf die Premiere hin. Das ist ein spontaner und sehr lebendiger Prozess. Für mich ist die Arbeit am Theater ein 'Feuchter Traum' und ein eiskalter Alptraum zugleich."

In welche Richtung die Premiere am kommenden Samstag ausschlagen wird - mehr feuchter oder mehr Alptraum - weiß Vinterberg im Augenblick selbst noch nicht so genau.