Comeback durch Kirchenkritik

Politprovokateur mit Mandatschancen

Am Sonntag sind 30 Millionen Polen aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Ministerpräsident Donald Tusk von der liberalkonservativen "Bürgerplattform" kann mit der Wiederwahl rechnen. Zweite Kraft bleibt wohl die rechtskonservative "Recht und Gerechtigkeit". Mandatschancen werden aber zunehmend auch der neuen Partei von Janusz Palikot eingeräumt.

Mittagsjournal, 06.10.2011

Spektakuläres Comeback

Als Janusz Palikot vor einem Jahr seinen Austritt aus der rechtsliberalen polnischen Regierungspartei "Bürgerplattform" (PO) erklärte, galt das vielen als Ende seiner politischen Karriere. Der als Polit-Clown Verschrieene hatte sich viele Feinde gemacht - in der PO wie in der Opposition. Nun steht der 46-Jährige vor einem spektakulären Comeback: Sein antiklerikales Projekt "Unterstützungsbewegung Palikot" (RPP) wird laut Umfragen am kommenden Sonntag ins Parlament einziehen - die möglicherweise größte Überraschung der Wahl.

Antiklerikaler Kurs

Bisher wurde Palikot meist nur milde belächelt, wenn er Demonstrationen vor Bischofssitzen organisierte. Seine Forderungen schienen wenig zu interessieren: keine staatliche Unterstützung der Kirche mehr, Abschaffung des Religionsunterrichts an Schulen und die Rücknahme der Entscheidungen, durch die der Staat früher verstaatlichtes Kircheneigentum entschädigte. Alles in allem eine Kriegserklärung an die polnischen Geistlichen - wie zum Hohn schmückte Palikot das Logo seiner Partei mit zwei aus Engelsdarstellungen abgekupferten Flügelchen.

Sogar in die Regierung?

Genau damit scheint er aber bei einem Teil der Polen einen Nerv getroffen zu haben. Jüngste Umfragen geben der Palikot-Bewegung bis zu zehn Prozent der Stimmen. Die RPP könnte als fünfte Kraft ins Parlament einziehen, wenn die bisher vertretenen Parteien wieder über die Fünf-Prozent-Hürde springen. Sollte die Stimmung, die sich in den jüngsten Umfragen ausdrückt, bis Sonntag anhalten, könnte Palikot sogar Regierungsmitglied werden.

Für bürgerliche Freiheiten

So entwickelte sich Palikot zu einem der bekanntesten polnischen Politiker - gleichzeitig aber auch zu einem der unbeliebtesten. Im Wahlkampf versuchte er, sich ein ernsthafteres Image zu geben. In seinem Buch "Die Kulissen der Bürgerplattform" beschrieb er seine Enttäuschung über Ministerpräsident Donald Tusk (PO). Bei unzähligen Veranstaltungen im Land brachte er den Menschen sein Programm näher. Neben der Kritik an der Kirche tritt der Politiker für mehr bürgerliche Freiheiten ein - darunter eine größere gesellschaftliche Kontrolle der Geheimdienste.

7.000 Kandidaten

Bei der Parlamentswahl in Polen bewerben sich insgesamt 7.043 Kandidaten um die 460 Mandate im politisch bedeutenderen Unterhaus (Sejm) und 502 Kandidaten um die 100 Senatorensitze. Die 25.992 Wahllokale, darunter 268 im Ausland - zwei auch in Österreich - sind zwischen 07.00 Uhr und 21.00 Uhr geöffnet. Sieben Wahlkomitees treten in allen Wahlbezirken Kandidaten an: die Regierungspartei PO und ihr Koalitionspartner, die moderate Bauernpartei PSL, sowie die Oppositionsparteien und -Bündnisse PiS ("Recht und Gerechtigkeit"), SLD ("Bündnis der Demokratischen Linken"), PJN ("Polen ist am wichtigsten"), RPP ("Bewegung für die Unterstützung von Palikot") und PPP ("Polnische Arbeitspartei - August 80"). Die NP (Neue Rechte) stellt sich der Wahl in 21 der 41 Wahlkreise, die PR (Rechte) in 20 und die NDP ("Unser Haus Polen - Selbstverteidigung") in neun Wahlkreisen. Lokal treten zudem Listen der deutschen Minderheit an.

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