Biografie von Halldór Gudmundsson

Halldór Laxness

"Ádan flugu tveir svanir austryfir." - "Vorhin flogen zwei Schwäne Richtung Osten." So unvermittelt beginnt Halldór Kiljan Laxness' Roman "Der große Weber von Kaschmir". Er ist der Eintritt Islands in die Moderne, die Rückkehr in die Weltliteratur und Laxness' Durchbruch.

Erschienen 1927, beendet er das realistische Abfeiern bäuerlich-isländischen Alltags. Die Geschichte um den rastlos intellektuellen Steinn Ellidi und seine erdgebundene Liebe, Diljá, umrahmt religiöse und weltliche Diskurse.

Ein "neuer Geist"

Loksins, loksins - endlich, endlich! rief die Kritik. Hier war ein neuer Geist in Erscheinung getreten, ein Begnadeter, ganze 25 Jahre alt. Ein Weltenbürger, elegant gekleidet, schlaksig mit runder Hornbrille und schütter werdendem Haar. Geboren in Reykjavík 1902, der damals 6.000-Einwohner-Hauptstadt auf einer Insel von Bauern und Fischern, aufgewachsen in einem Tal nahe der Hauptstadt, auf dem Hof Laxnes.

Von diesem leitet er seinen Künstlernamen ab. Er ist ausgezogen, als Schriftsteller die Welt zu erobern. Er reist in die USA, nach Südamerika, durch Europa, in die Sowjetunion. Und er schreibt wie ein Besessener. An seinem Stehpult. Viele Stunden pro Tag. "Und ich werde ein Schriftsteller von Weltrang werden oder krepieren!" sagt er einige Jahre später.

Ein Spiegel für Land und Leute

"Salka Valka", "Sein eigener Herr" (später unter dem Titel "Unabhängige Menschen" neu übersetzt), "Das Weltlicht", "Die Islandglocke", "Die Atomstation": Die Romane des Kosmopoliten aus Island füllen bald die Regale internationaler Buchhandlungen. Halldór schreibt in einer Kleinsprache, dem Isländischen, der Konserve alles Nordischen, fast unverändert seit der Besiedlung im 9. und 10. Jahrhundert. Zum Zeitpunkt von Laxness' Durchbruch leben gerade einmal 100.000 Menschen auf der Insel. Als er 1998 stirbt, sind es immerhin 275.000.

Die ersten Romane halten Land und Leuten einen Spiegel vor. Da ist Salka, das Mädchen in einem kleingeistigen Fischerdorf, in das sozialistische Ideen Einzug halten - eine Frauenfigur, wie sie Island noch nicht gesehen hat - Hosen tragend, stolz und unbeugsam, kämpferisch, aber dennoch empfänglich für die Liebe.

Da ist Bjartur í Sumarhúsum, der sein eigener Herr sein will - auch wenn die Hochebene, auf die er zieht, nichts zum Leben hergibt. Keine Verherrlichung der bäuerlichen Existenzgründung wie bei Knut Hamsuns "Segen der Erde" sondern eine Abfolge von Rückschlägen, die nur mit Trotz und Eigensinn zu ertragen sind.

Da ist Ólafur Kárason, der Lichtwikinger, der Dichter aus dem Volk, Ärmster unter den Armen und doch getragen von der Berufung, Menschen mit seiner Kunst Sinn und Liebe zu geben. Das Werk ist ein Fragezeichen an die Weltpolitik. Wie sollte ein Dichter sich angesichts Kriegsgefahr und Unrechts verhalten? Die Suche nach dem Ewigen ist der Ausweg. So wie Ólafur findet der Leser in der Schönheit der Welt Antwort und Erlösung.

Politische Themen

Mit der "Islandglocke" schreibt sich Laxness 1943 bis 44 in die Seele seiner Zeitgenossen ein. Der historische Roman um den Handschriftensammler Arnas Arnaeus gleicht einer Programmschrift für die letzte Phase der politischen Lösung von Dänemark. Diese gelingt schließlich 1944. Island wird Republik.

Politik bleibt Laxness' metaphorischer Quell, wenngleich sein Sozialismus langsam versiegt. 1948 erscheint seine "Atomstation": Der sich abzeichnende Beitritt Islands zur NATO, die Aufteilung der Welt in zwei Lager hält Einzug in das Leben des jungen Dienstmädchens Ugla, die aus dem Nordland nach Reykjavík gezogen ist. Im Haus ihres Dienstherren, eines hohen Politikers, erlebt sie die NATO-Gespräche und ihre dramatischen Folgen.

Literaturnobelpreis 1955

Wie soll die Welt sich der Schrecken des Nationalsozialismus' erinnern? Wie stupide Helden- und Gewaltverehrung bewerten? Laxness' nächstes Werk, "Die glücklichen Krieger", erschienen 1952, ist nur der äußeren Form nach die Neuauflage der mittelalterlichen Saga von den Schwurbrüdern. Bei Laxness ist aller Heroismus ins Groteske überzeichnet. Der antiquierte Sagastil lässt aufhorchen... Und am genauesten horcht die Schwedische Akademie.

Am 27. Oktober 1955 erfährt der Autor, dass ihm der Literaturnobelpreis zuerkannt wurde. Er habe die isländische Sprache erneuert, heißt es in der Laudatio - als ein künstlerisches Mittel, zeitgenössische Inhalte auszudrücken. Seine Leichtigkeit und Natürlichkeit wird gelobt, mit der er die literarische Entwicklung auf dem Boden der Tradition hält.

Ein anderer Laxness

Der große Laxness-Biograf, Halldór Gudmundsson, hat die Periode nach dem Nobelpreis als Desillusion beschrieben: Es ist ein anderer Halldór Laxness, der in Erscheinung tritt. Gelassenheit und Lebensklugheit treten vor fahnenschwingende Ideologie. Diese Wendung lässt Raum für besonders feinen Humor und einige der lebhaftesten Charaktere, die die isländische Literatur auf die Welt gebracht hat.

Da ist der stoische Großvater aus dem "Fischkonzert" oder der Landpfarrer Jón Primus aus Laxness' "Am Gletscher", der lieber Pferde beschlägt als Messen zu lesen. Die Kirche hat er zugenagelt, Gott wohnt im Snaefellsjökull, dem Gletscher.

Als Halldór Laxness 1998 stirbt, hinterlässt er der Welt 60 Bücher und den Blick auf ein Dichterleben, in dem Träume Wirklichkeit wurden, denn - so wie er in seinem großen Lebensrückblick "Auf der Hauswiese" sagt -: "Alles ist tot ohne Träume, und traurig die Welt."

Text: Eleonore Gudmundsson

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Halldór Gudmundsson, "Halldór Laxness. Sein Leben", aus dem Isländischen übersetzt von Coletta Bürling, Steidl Verlag

Steidl Verlag - Halldór Laxness