Schwedischer Lyriker

Literaturnobelpreis an Tomas Tranströmer

Der Nobelpreis für Literatur geht in diesem Jahr an den Lyriker Tomas Tranströmer (80) aus Schweden. Das teilte die Schwedische Akademie am Donnerstag in Stockholm mit. Tranströmers Gesamtwerk besteht aus weniger als 100 Texten.

Kulturjournal, 06.10.2011

Jubel in Stockholm

Bei der Bekanntgabe des Namens durch die Schwedische Akademie brach heftiger Applaus aus. Akademiesprecher Peter Englund sagte: "Tranströmer ist einer der größten Poeten unserer Zeit." In der Begründung der Akademie hieß es, Tranströmer habe den Preis bekommen, weil er "uns in komprimierten, erhellenden Bildern neue Wege zum Wirklichen weist."

Tranströmer gehörte seit Jahren zu den engen Anwärtern für den wichtigsten Literaturpreis.

International anerkannt

Tranströmer gilt seit langem international als einer der bedeutendsten Lyriker. Der Sohn einer schwedischen Journalistenfamilie studierte in den 1950er Jahren Psychologie, Literatur- und Religionsgeschichte in seiner Geburtsstadt Stockholm.

Seinem erlernten Beruf als Psychologe blieb Tranströmer bis zu einem schweren Schlaganfall 1990 treu. Auch nach dem schriftstellerischen Debüt 1954 arbeitete er weiter als Anstaltspsychologe mit jugendlichen Straftätern. Später war er halbtags als Berufsberater in verschiedenen Arbeitsämtern tätig.

Tranströmers Gedichtbände sind in rund 50 Sprachen übersetzt. Sein Gesamtwerk besteht aus weniger als 100 Texten.

Abseits der Ideologien

Im Gefolge der 68er-Bewegung wandten sich viele Leser von Tranströmer ab. Seine zuversichtliche, wenig konfrontative Poesie leiste keinen Beitrag zu den Tagesdiskussionen, lautete der Vorwurf der Kritiker. Tranströmer betonte in diesem Zusammenhang, dass sein Schaffen nicht auf Ideologien, sondern auf Visionen zurückzuführen sei.

Tranströmer lebt seit seinem Schlaganfall mit seiner Frau Monica Bladh zurückgezogen in Stockholm. Obwohl der Lyriker an einem weitgehenden Verlust des Sprechvermögens (Aphasie) leidet, brachte er in enger Zusammenarbeit mit seiner Frau 1993 seine Memoiren "Die Erinnerungen sehen mich" (Hanser Verlage/1999) und in den folgenden Jahren mehrere neue Gedichtbände heraus.

Freude in Schweden

Einhellige Freude herrschte in Schweden auch bei den Kollegen und Freunden des Ausgezeichneten. "Oh Gott, Ich bin überglücklich", freute sich Annelie Edh, Sprecherin von Tranströmers Verlag Bonnier. "Das ist fantastisch, es ist wie ein Traum. Wir sind zu durcheinander, um das überhaupt zu begreifen", beschied Jonas Axelsson, Chef der Literaturabteilung bei Bonnier.

Achter schwedischer Preisträger

Tranströmer ist der achte Schwede, der von der Akademie für den Literaturnobelpreis erkoren wurde. Frühere Preisträger waren 1909 Selma Lagerlöf, 1916 Verner von Heidenstam, 1931 Erik Axel Karlfeldt, 1951 Pär Lagerkvist, 1966 Nelly Sachs, 1974 Eyvind Johnson und Harry Martinson.

Friederike Mayröcker gratuliert

Erfreut über die Zuerkennung des Literaturnobelpreises an den Lyriker Tomas Tranströmer zeigten sich auch österreichische Dichter. "Ich freue mich sehr", so Friederike Mayröcker, die selbst immer wieder auf der Favoritenliste für die begehrte Auszeichnung stand: "Wenn man ihn schon selbst nicht bekommt, ist es schön, wenn er wenigstens an einen Lyriker geht", scherzte sie.

Mayröcker lernte Tomas Tranströmer selbst einmal kennen: Er begegnete ihr als "sehr angenehmer, sympathischer Herr", seither habe sie aber "viel zu wenig Kontakt" mit ihm gehabt. Auch seine Gedichte will die Lyrikerin nun besser kennenlernen - "ich werde mir auf jeden Fall bald mehr von ihm kaufen".

Der Dichter Christoph W. Bauer hat dagegen "selten eine Lyrik gelesen, die mit so sparsamen Mitteln auskommt", wie er erklärt. "Da wird mit einer Handvoll Worte ein Raum aufgemacht. Das ist ein Zeichen für große Poesie."

Notizen, die er sich bei einer Schwedenreise im vergangenen April zu Tranströmers 80. Geburtstag machte, ließ der Dichter Peter Waterhouse der APA zukommen: "Seine Dichtung: Meer, Wind, Wälder, weite Flächen, keine Wörter, sondern Sprachen - so viel Zeit und Weite, daß man die Wörter vergißt - keine Türen, die Grenzen offen - ein Außerhalbsein von dem, was man anstrebt, will - die Unbekanntheit der Geographie, ihre leise, andere Sprache - nicht wissen, ob man schläft oder wacht - die endlose Größe des Gehirns, es sammelt Weites, Endloses in ein paar Akkorde..."

Überreichung im Dezember

Die Auszeichnung ist mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro (10 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert. Der Literaturnobelpreis wird am 10. Dezember in Stockholm überreicht - dem Todestag des Stifters Alfred Nobel.

Im vergangenen Jahr bekam der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa den wichtigsten Literaturpreis der Welt.

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