Umweltexperte Schleicher fordert Veröffentlichung

Feinstaubsünder anprangern?

Ein unbestreitbares Faktum in der Feinstaubdiskussion ist, dass mehrere österreichische Städte die gesetzlich erlaubten Feinstaubgrenzwerte um ein Vielfaches überschreiten. Umweltexperte Stefan Schleicher von der Uni Graz fordert Verbotszonen für den Individualverkehr in Ballungszentren und die Veröffentlichung von Feinstaubsündern.

Mittagsjournal, 22.11.2011

Verbotszonen in Ballungszentren

Für Stefan Schleicher, Umweltexperte an der Uni Graz, ist klar, wer an der Feinstaubbelastung schuld ist: Der Verkehr, der Hausbrand und die Industrie seien die Hauptverantwortlichen. Um die Belastung kurzfristig zu reduzieren, müssten die Länder vor allem beim Verkehr ansetzen. Schleicher schlägt hier vor, in den Ballungszentren Verbotszonen für den Individualverkehr einzurichten: "Wir sollten laut drauf aufmerksam machen, dass in den Ballungsräumen so wenig Fahrzeuge wie möglich mit Verbrennungsmotoren und vor allem wenige Fahrzeuge mit Dieselmotoren verwendet werden sollen. Wenn das im freiwilligen Appell nicht funktioniert, dann müssen wir Zonen schaffen, wo einfach die Einfahrt nicht mehr gestattet ist."

Feinstaubbelastung sei Folge falscher Planung

Außerdem müssten Feinstaubsünder öffentlich bekannt gemacht werden - um nicht zu sagen angeprangert. So sanften Druck auf die Verantwortlichen auszuüben und sie zu einem Umdenken zu bewegen. Generell glaubt Schleicher aber, dass in der gesamten Thematik das Pferd von hinten aufgezäumt werde. Denn: Die Feinstaubbelastung sei nur die Folge einer falscher Verkehrs- und Raumplanung.

"Landeshauptleute verantwortlich"

Das Gesetz, das die Grenzwerte für Feinstaub in Österreich regelt, ist das sogenannte IG-Luft - ein Bundesrahmengesetz. Das bedeutet, der Bund gibt den gesetzlichen Rahmen für das Immissionsschutzgesetz vor. Die einzelnen Bundesländer können das Gesetz ausgestalten, sagt Jürgen Schneider vom Umweltbundesamt: "Das heißt, für die Messung der Luftbelastung und auch für das Setzen der Maßnahmen sind die Landeshauptleute verantwortlich. Das ist deswegen so, weil die natürlich die Situation vor Ort am besten kennen und die beste Information und Daten darüber haben, was in ihrem jeweiligen Land an Maßnahmen möglich und sinnvoll ist."

Grenzwerte müssen eingehalten werden

Mit dem IG-Luft gibt der Umweltminister den Bundesländern also nur einen Werkzeugkoffer in die Hand. Die einzelnen Werkzeuge müssen die Landeshauptleute dann selbst anwenden. Müssen - denn das IG-Luft ist eine Muss- und keine Kann-Bestimmung. Schneider: "Wenn die Grenzwerte des IG-Luft überschritten werden, dann hat der Landeshauptmann entsprechende Maßnahmen zu treffen, die mittelfristig eine Einhaltung der Grenzwerte sicher stellen."

Feinstaubprogramme nicht ausreichend

Stellt sich also die Frage, wieso es in einzelnen Bundesländern trotzdem ständig zur Überschreitung von Grenzwerten kommt. Der Experte des Umweltbundesamtes führt das auf die außergewöhnlichen meteorologischen Bedingungen des heurigen Jahres zurück: "Es ist so, dass wir in allen Bundesländern Feinstaubprogramme in Kraft haben. Es zeigt sich aber, dass bei besonderen meteorologischen Bedingungen diese augenscheinlich nicht ausreichend sind, die Grenzwerte einzuhalten."

Gesetz ein "zahnloser Tiger"?

Dass das Gesetz ein zahnloser Tiger sei, will Schneider so nicht stehen lassen. Denn: Bei einer dauerhaften Überschreitung der Grenzwerte drohen Sanktionen. Und zwar in Gestalt eines Vertragsverletzungsverfahrens, das die EU Gegen die Republik Österreich einleiten könnte.