Filzmaier: "Keine Angst vor Volkswillen"
Der Politologe Peter Filzmaier sieht bei Volksbegehren grundsätzlich einen "Desillusionierungseffekt", weil sie selbst dann, wenn sie hunderttausend Unterschriften erreichen, im Parlament nur diskutiert werden müssen und keine verpflichtende Konsequenz zur Folge haben. Automatische Volksabstimmungen nach erfolgreichen Volksbegehren könnten gegen diesen Frust helfen.
8. April 2017, 21:58
(c) Neubauer, APA
Mittagsjournal, 23.4.2013
Politologe Peter Filzmaier im Gespräch mit Wolfgang Wittmann
"Wichtiges Symbol"
Die von der ÖVP geforderte Einführung einer automatischen politisch verbindlichen Abstimmung könnte den Menschen wieder mehr Lust auf wirkliche demokratische Mitbestimmung machen, stimmt Filzmaier zu. Es wäre kein Allheilmittel, aber ein wichtiges Symbol, dass man den Bürger mehr einbeziehen will. "Warum sollte man das nicht tun. Die hauptsächlichen Argumente sind alle historisch bedingt: Ängste vor der Emotionalität des Volkswillens hätte man als Gründe anführen können in den Anfängen einer Demokratie. Heute sind sie eher ein Armutszeugnis. "
Problem Mobilisierung
Im Prinzip sei die Bevölkerung für mehr direkte Demokratie, weiß der Politologe. Nur bei den konkreten gescheiterten Volksbegehren sei es den Initiatoren offensichtlich nicht gelungen, die Bürger zur Unterschriftenabgabe zu motivieren.
Aus der Sicht Filzmaiers würde nichts dagegen sprechen, die Stimmabgabe einfacher zu machen, etwa durch Online-Voting oder Briefwahl. Voraussetzung dafür wären Gesetzesänderungen, aber auch ein politischer Kulturwandel, so Filzmaier. Schließlich sei das Volk historisch gesehen sieben Jahre lang nationalsozialistischer Propaganda ausgesetzt gewesen, da sei man zu Recht skeptisch gegenüber Direktdemokratie gewesen. Außerdem müsste man das Misstrauen und das Kontrolldenken etwas hintanstellen, etwa gegenüber befürchteten Fälschungen beim Online-Voting. Dann könnte das die Hemmschwelle zur Beteiligung senken, so Filzmaier.
Langsam wachsendes Pflänzchen
Das besondere realpolitische Problem dabei: Die Mobilisierung der Bürger und Bürgerinnen könne nur durch traditionelle Parteien oder etablierte Medien geleistet werden, schon weniger durch NGOs und schon gar nicht durch einzelne Bürgerinitiativen. Trotzdem müsse man die Option bieten und die Entwicklung einer direkten Demokratie erlauben, so Filzmaier. "Das ist ein Pflänzchen, das langsam wachsen muss."
Was sich Österreich von der Schweiz abschauen könnte, wäre nach Ansicht des Politologen der gelassenere Umgang mit Volksentscheiden und realistischere Erwartungshaltungen. Denn auch in der Schweiz beteiligten sich durchschnittlich weniger als die Hälfte der Wahlbeteiligten an Volksentscheidungen, oft auch nur zehn oder 20 Prozent, und Vieles sei Routine. Aufregerthemen fänden auch eine größere Öffentlichkeit.