Justizreform: Haftstrafe ohne Prozess?
Die geplante Strafrechtsreform von Justizminister Wolfgang Brandstätter wird in vielen Bereichen von Juristen aus allen Fachbereichen begrüßt. Eine Einschränkung ist jedoch die Wiedereinführung des Mandatsverfahrens. Das heißt, dass bei kleineren Delikten eine Strafe ohne Prozess verhängt werden kann.
8. April 2017, 21:58
Morgenjournal, 9.5.2014
Urteil per Brief
Justizminister Brandstetter sieht die Wiedereinführung des Mandatsverfahrens als Beitrag, Verfahren schneller abzuwickeln. In der Praxis soll das so aussehen, dass bei kleineren Delikten, etwa Verkehrsunfällen oder leichte Körperverletzung, der Beschuldigte ohne Prozess verurteilt wird, diese Entscheidung per eingeschriebenem Brief zugestellt bekommt und dann laut Entwurf zwei Wochen Zeit hat, dagegen Berufung einzulegen. Macht er das, muss eine Verhandlung stattfinden. Rechtsexperten sind hier allerdings skeptisch.
"Problematisch und gefährlich"
Rupert Wolff, Präsident der Rechtsanwaltskammer: "Wenn Sie dagegen nichts unternehmen, werden Sie verurteilt. Und nach dem Gesetzestext können Sie auch bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt werden in Form dieses Mahnbescheides."
Das hält Wolff für äußerst problematisch und gefährlich, "weil es dazu führen könnte, dass Angeklagte einen solchen Mandatsbescheid gegen sich ergehen lassen, nichts dagegen unternehmen, nur um Kosten und Mühe zu sparen, und dann sind sie vorbestraft für den Rest ihres Lebens."
Bedenken aus der Praxis
Auch der Wiener Landesgerichtspräsident Friedrich Forsthuber hat große Bedenken, aus eigener Erfahrung vor Jahren als Bezirksrichter, bevor das Mandatsverfahren abgeschafft wurde. "Die Leute realisieren oft nicht, was der eingeschriebene Brief für sie bedeutet", sagt Forsthuber. Er sieht auch keine großen Einsparungen durch eine derartige Reform an seinem Landesgericht.
Ebenso Oliver Scheiber, Leiter des Bezirksgerichtes Meidling: "Bezirksgerichte sind nicht überlastet, im Durchschnitt brauchen wir vier bis fünf Monate für einen Fall. Umso größer sind hingegen die Konsequenzen dieser Reform für die Betroffenen", sagt Scheiber. Die Betroffenen gehörten oft zu Personengruppen, die ihre Briefe nicht abholen, nicht lesen oder nicht verstehen, sagt Scheiber. Oft zeige sich erst in der Hauptverhandlung, dass etwa eine Notwehrsituation vorgelegen ist, oder dass sich Zweifel an der Schuldfähigkeit des Angeklagten ergeben, weil dieser psychisch krank ist. Das könne man aber erst beurteilen, wenn man die Betroffen sieht und mit ihnen redet, also im Prozess, sagt Scheiber.