Privatgutachten bei Prozessen bald erlaubt
In praktisch jedem großen Wirtschaftsprozess der vergangenen Jahre haben die Verteidiger den Gerichtssachverständigen aufs Korn genommen. ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter will diesen Angriffspunkt entschärfen und nun auch Privatgutachten in Prozessen zulassen.
8. April 2017, 21:58
Mittagsjournal, 8.5.2014
"Entschärfung des Problems"
Seit der Reform der Strafprozessordnung 2008 wird der Sachverständige nicht mehr vom Gericht bestellt, sondern von der Staatsanwaltschaft. Durch die oft jahrelange Zusammenarbeit mit dem Staatsanwalt sehen die Verteidiger hier Befangenheit und ein Ungleichgewicht zu Lasten der Angeklagten, wenn der Sachverständige dann auch im Gerichtsverfahren auftritt. Das will Brandstetter nun ändern.
Zum Einen sollen Beschuldigte bereits bei der Auswahl von Gutachtern im Ermittlungsverfahren mehr mitreden dürfen und eigene Vorschläge für Sachverständige einbringen können. Die Staatsanwaltschaft muss dann schriftlich begründen, wenn sie den Vorschlag ablehnt. Zum Anderen sollen Angeklagte auch im Hauptverfahren punkto Gutachter mehr Rechte bekommen, sagt Brandstetter: "Die Verteidigung soll künftig die Möglichkeit haben, die Expertise eigener Sachverständiger in das Verfahren einzubringen. Das wird in Zukunft auch Gegenstand des Beweisverfahrens sein müssen, so dass wir uns hier eine entsprechende Entschärfung des Problems erwarten."
Zweiklassenjustiz?
Überhaupt will Brandstetter künftig bei Ermittlungen verstärkt auf interne Fachexperten der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft setzen, als auf teure externe Gutachter: "Das ist auch ein wichtiger Beitrag zur Verfahrensbeschleunigung, und zugleich ist dann klar, dass der hauseigene Experte nicht der Sachverständige sein kann, der dann im Gerichtsverfahren für das Gericht tätig ist."
Allerdings: Privatgutachten können sich meist nur vermögende angeklagte leisten. Droht hier eine Zweiklassenjustiz? Brandstetter, meint dazu, es gebe in allen Lebensbereichen ökonomisch bedingte Ungleichheiten, das könne man auch da nicht ausschließen. "Aber wichtig ist schon, dass der Beschuldigte und sein Verteidiger, so er einen hat, ernstgenommen wird."
Zahlen trotz Freispruch?
Rupert Wolff, Präsident der Rechtsanwaltskammer, begrüßt die grundsätzlich die geplante Neuerung: "Das ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Wir haben immer Waffengleichheit gefordert." Ungeklärt bleibe allerdings die Frage der Kosten, so Wolff: "Die Kosten des Privatsachverständigen muss der freigesprochene Angeklagte aus eigener Tasche tragen." Außerdem hätten sich die Anwälte bereits für das Ermittlungsverfahren die Zulassung von Privatgutachten gewünscht, so Wolff.