"Im Journal zu Gast": Siegfried Wolf

Siegfried Wolf (56) ist der neue Aufsichtsratspräsident der österreichischen Staatsindustrie-Holding ÖIAG. In dieser Funktion muss er klären, ob weitere Staatsbeteiligungen unter das Dach der ÖIAG kommen sollen, wer den Aufsichtsrat bestellt und ob und was privatisiert werden soll. "Im Journal zu Gast" erläutert Wolf sein Verhältnis zu Russlands Staatschef Putin und fordert Reformen in Österreich ein. Dass seine Bestellung in der Regierung und bei den Arbeitnehmervertretern nicht begrüßt wird, stört Wolf nicht.

Mittagsjournal, 28.6.2014

ÖIAG-Aufsichtsratspräsident Siegfried Wolf "Im Journal zu Gast" bei Michael Csoklich

Siegfried Wolf

(c) APA/HANS PUNZ

Keine "Freunderlwirtschaft"

Er wäre "gerne dabei", wenn es darum geht, den einen oder anderen Anstoß für Reformen und Strukturmaßnahmen zu setzen, sagt Wolf. Mit der Änderung des ÖIAG-Gesetzes sei man angetreten, den "Staatsfreunderldienst" zu beenden und einen Aufsichtsrat mit einer klaren Perspektive einzusetzen, sich nicht an politische Weisungen halten zu müssen. "Und ich glaube, es ist eine gute Arbeit gelungen." Dass mit der Selbsterneuerung des Aufsichtsrates die politische Freunderlwirtschaft durch eine der Industrie abgelöst werde, weist er als "lächerlich" zurück. Als Beispiel nennt Wolf Ex-Siemens-Managerin Brigitte Ederer, die gegen seine Bestellung gewesen sei, obwohl er sie für den Aufsichtsrat vorgeschlagen habe. Den Arbeitnehmervertretern bescheinigt er allerdings, dass diese "in der Direktion der Arbeiterkammer" stimmten und nicht frei für die Interessen des Betriebes eintreten.

Wie er es mit der Frage von Sperrminoritäten des Staates hält, lässt sich Wolf nicht in die Karten blicken. Man sollte über Infrastruktur-Notwendigkeiten im Land diskutieren. Wenn es um Versorgungssicherheit geht dürfe man nicht alles aus dem Einfluss des Staates nehmen. Aber im Detail werde er darüber mit dem Finanzminister ein Gespräch für ein klares Programm führen.

Freund Putin?

Seit fünf Jahren ist Siegfried Wolf auch Aufsichtsratschef der Konzernholding Russian Machines des russischen Oligarchen Oleg Deripaska. Vergleiche des politischen Einflusses, den er in Österreich ablehnt, mit der allgegenwärtigen Staatsmacht in Russland will Wolf nicht zulassen: "Da reden wir nicht über Parteieneinfluss, sondern über eine Gesprächsbasis mit Auftraggebern. Denn wir verantworten letztlich hunderttausende Arbeitsplätze, wo es wichtig ist, ein gutes Gesprächsklima mit den Hauptauftraggeber zu haben, und das ist in Russland die russische Föderation." Staatschef Putin mische sich da nicht so sehr ein, dass man mit Vorsicht und Rücksicht umgeht. Als Geschäftsmann sorge man für Arbeitsplätze, Ausbildung und Visionen für die Zukunft. Und da würde man auch in einem anderen Land Anerkennung von einem Staatsoberhaupt bekommen, wenn man gute Arbeit macht. Er habe in den fünf Jahren nie das Gefühl gehabt, in seinen unternehmerischen Entscheidungen eingeschränkt zu werden, so Wolf. Und sollte sich ein westlicher Unternehmer in Russland übervorteilt vorkommen, könne er einen neutralen Ombudsman anrufen, den Putin vor zwei Jahren eingesetzt habe. Auch Gerichtsverfahren funktionierten schnell. Es sei sicher nicht alles richtig und in bester Position, "aber es ist weit besser, als von außen immer in das Land hineingerufen wird."

Würde sich Wolf als "Freund Putins" bezeichnen? Freunde könne man sich selber aussuchen, antwortet Wolf. Er respektiere Putin als Person, sei nicht mit jeder seiner Aktionen einverstanden, habe aber in wirtschaftlichen Fragen "keinen einzigen Vorwurf zu machen". Als "offene Frage" betrachtet Wolf Putins Vorgehen in der Ukraine- und Krim-Krise, bremst aber sofort: "Das sind politische Dinge, ich bin Wirtschaftsmann, ich werde mich nicht zu politischen Dingen äußern." Er stelle die Wirtschaft aber nicht über Menschenrechte und sei für Dialog statt Sanktionen. Die Ukraine brauche eine stabile Struktur und ein System der Transparenz, Waffenruhe und die Hilfe Russlands und Europas. Für den Umgang mit diesem Thema bei Putins Besuch in Österreich zollt Wolf auch "höchsten Respekt" an Bundespräsident Fischer und Außenminister Kurz. Diese Art von Zivilcourage brauche es auch "bei einigen anderen".

Zum Thema Umgang mit Homosexuellen in Russland stellt Wolf klar, er sei gegen Verfolgung und Diskriminierung, aber "ich erwarte mir auch, dass man es nicht als Provokation macht, sondern sich dem Gesetz gegenüber vernünftig verhält." Und über dieses Gesetz müsse weiter diskutiert werden.

"Reichensteuer trifft Mittelstand"

An der österreichischen Wirtschaftspolitik kritisiert Wolf, dass "Arbeit nicht mehr leistbar ist." Arbeitsplätze drohten abzuwandern, "weil wir den Standort Österreich nicht wettbewerbsfähig halten können." Es gebe keinen "starken Abbau" der Bürokratie sowie eine Energie- und eine Steuerdiskussion, die Österreich unattraktiv machten. Zur Abhilfe fordert Wolf Bürokratieabbau und eine Steuerreform, damit sich Arbeit wieder lohnt. "Im Moment funktioniert Österreich so gut, weil es fleißige Menschen hat, die immer noch mehr arbeiten. Aber irgendwann werden 24 Stunden auch nicht mehr reichen." Sonst verkomme Österreich und Europa zu einem Museum, warnt der neue ÖIAG-Präsident. "Entscheidungen treffen und umsetzen - das erwarte ich mir, deswegen haben wir diese Regierung gewählt. Diese Regierung soll Probleme lösen und nicht vor sich herschieben." Zum Thema Reichensteuern meint er, dass auch die Reichen in Österreich - wie er selbst - gerne ihren Beitrag leisten, wenn sie sehen, was damit geschieht und wann es ein Ende hat. Die aktuell diskutierte Reichensteuer ziele aber nicht auf die wirklich Reichen ab, denn die wären schon längst nicht mehr mit ihrem Vermögen in Österreich, sondern sie ziele auf den Mittelstand.

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