WIFO-Chef setzt Hoffnung in neuen Finanzminister

Ohne Gegenmaßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) und des nächsten EU-Gipfels bestehe die Gefahr einer neuen Rezession in Europa, warnt der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Karl Aiginger, im Ö1-Interview. Österreich könne aber als einzelnes Land mit einer "glaubwürdigen Reformstrategie" gegensteuern. In den neuen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) setzt Aiginger große Hoffnungen.

Mittagsjournal, 3.9.2014

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts, Karl Aiginger, im Gespräch mit Birgit Pointner

Entlastung noch heuer

Für eine Steuerreform müsse man vorher das Gesamtkonzept beschließen, danach könne man über den Zeitpunkt sprechen, sagt der WIFO-Chef. Er plädiert dafür, schon heuer im November oder Dezember "eine kleine Entlastung der niedrigen Einkommen um ungefähr 200 Millionen Euro" zu machen. Zur Gegenfinanzierung könnten "sinnlose, nicht verständliche Ausnahmen" gestrichen werden wie ein niedriger Steuersatz für Schnittblumen oder die Absetzbarkeit von Familienautos. Das würde helfen, den Konsum zu stärken, ist Aiginger zuversichtlich: "Die Konsumenten wollen mehr ausgeben, sie entsparen jetzt sogar, damit das möglich ist."

"Große Freude" mit Schelling

Ein wesentlicher Teil eines Aufschwungs hänge am Vertrauen in eine Strategie der Regierung, wie Österreich wettbewerbsfähig bleiben soll. Dann hätten Konsumenten das Vertrauen, dass sie nicht mehr Geld auf die Seite legen müssen, und die Unternehmern hätten das Vertrauen, mit Investitionen zu beginnen. "Viele Investitionen sind aufgeschoben, bis klar ist, dass Österreich einen wirtschaftspolitischen Kurs fährt, mit dem es auch in zehn Jahren noch eines der wettbewerbsfähigsten Länder Europas ist." Die Aussagen des neuen Finanzministers habe er "mit großer Freude" gehört, so Aiginger: "Das klingt nach Strategie, nach Analyse und nach Entschlossenheit, das Entworfene tatsächlich umzusetzen. Ich glaube, da wird eine Strategie entwickelt und das Vertrauen kann entstehen. Ich wünsche mir das dann auch für Europa."