Schellings Ruf des "Wunderwuzzi"

Morgen wird die ÖVP-Spitze bei einem Treffen in Linz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Nominierung von Hans Jörg Schelling als Finanzminister fixieren. Montag um 8 Uhr 30 ist der neue Finanzminister beim Bundespräsidenten, um 11 Uhr wird er mit den anderen Neuen angelobt werden. Immer ist eine Neubesetzung im Finanzministerium auch politische Botschaft, jetzt in den Zeiten hoher Schulden und hoher Steuerbelastung ganz besonders.

Mittagsjournal, 30.08.2014

Stefan Kappacher analysiert im Gespräch mit Wolfgang Wittmann

Harter Verhandler

Hans Jörg Schelling eilt jetzt schon ein bisschen der Ruf voraus, eine Art Wunderwuzzi zu sein. Und er hat in seiner beruflichen Karriere einiges dazu getan, dass er diesen Ruf hat. Schelling ist mit Sicherheit ein versierter und harter Verhandler, der sich auch nicht scheut, die Dinge auf den Punkt zu bringen und sich damit auch Konflikte einzuhandeln - etwa mit dem niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll in Spitalsfragen. Das traut sich nicht jeder. Schelling traut sich das auch deshalb, weil er wirtschaftlich unabhängig ist und frei agieren kann. Vielleicht sogar freier, als es der ÖVP lieb ist.

Schelling als Signal für einen Neustart

Mitterlehner holt sich mit Schelling eine starke Persönlichkeit ins Team und noch dazu für den wichtigsten Posten. Das ist für sich schon eine Ansage, ein klares Signal in die Richtung: Wir wollen einen Neustart. Einer wie Schelling macht den Finanzminister sicher nicht, um weiter herumzugrundeln - um ein Wort des oberösterreichischen Landeshauptmanns Josef Pühringer zu zitieren. Schelling will etwas bewegen, ob das die Steuerreform ist, der ewig immer nur verlängerte Finanzausgleich oder die anderen aufgeschobenen Strukturreformen.

Harald Mahrer als Staatssektretär

Harald Mahrer ist, wie man so schön sagt, ein moderner Konservativer, da kann man sich wenig darunter vorstellen. Er kommt aus der Kreativwirtschaft, ist auch in die anderen politischen Lager gut vernetzt. Man könnte auch sagen: Mahrer verkörpert die Generation NEOS in der ÖVP - so wie ein Sebastian Kurz. Diese junge Garde wird mit der Berufung Mahrers zum Staatssekretär an der Seite des ÖVP-Chefs gestärkt. Wenn Mitterlehner das im Parteivorstand durchbringt - wovon wir jetzt einmal ausgehen - ist das eine mutige Entscheidung.

Wirtschaftskompetenz der ÖVP

Insgesamt bemerken wir ÖVP-intern nun eine Machtverlagerung von ÖAAB-Seilschaften zum Wirtschaftsbund. Kann das der ÖVP den zuletzt ramponierten Anspruch auf beste Wirtschaftskompetenz zurückbringen?

Mitterlehner versucht das natürlich, alles andere wäre für einen Wirtschaftsbündler ja auch recht seltsam. Und man muss auch sehen, dass die Wirtschaft die Kernkompetenz der ÖVP ist und bleibt - da müsste der neue Obmann ansetzen. Der Erfolg der NEOS ist da nur die allerletzte Warnung, da hätte die ÖVP schon viel früher reagieren müssen.

SPÖ überlasst Schelling die Bühne

Mit dem gelernten Sozialpartner Mitterlehner glaubt die SPÖ ja gut zu können, trifft das auch auf Hans-Jörg Schelling zu?

Ja, man hat da gestern Abend kein böses Wort über Schelling gehört. Dass die SPÖ diese Wahl respektiert, beweist ja auch der Plan, Finanz-Staatssekretärin Steßl in Kanzleramt zu holen und damit Schelling die Bühne komplett zu überlassen. Das ist schon ein Vertrauensbeweis des Koalitionspartners. Für die SPÖ und Kanzler Faymann könnte sich aber doch das Problem auftun, dass Mitterlehner punktet als Wirtschaftsminister und im Wissenschaftsbereich, dass er damit ein Vizekanzler wird mindestens auf Augenhöhe zum Kanzler, ein good Cop beim Regieren, den bad Cop beim Sparen macht dann ja der Schelling. Dem Bundeskanzler soll nichts Schlimmeres passieren als dass der Vizekanzler und der Finanzminister ein gutes Bild abgeben und in der Öffentlichkeit punkten. Denn im Grunde ist das die letzte Chance, die diese Regierung noch hat.