Vizekanzler Mitterlehner im "Journal zu Gast"

Die Regierung arbeite intensiv an der Umsetzung der gemeinsamen Arbeitsvorhaben, sagt Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner im Ö1-Journal zu Gast. Was die umstrittene Wahl der neuen Rechnungshofpräsidentin betrifft sagt Mitterlehner, Margit Kraker sei eine qualifizierte Wahl, jeder Parlamentsklub habe vor ihrer Wahl taktiert - so auch jener der ÖVP. Klubobmann Reinhold Lopatka hier eine diabolische Rolle zuzuschreiben, sei stark übertrieben. Seine eigene Position als Parteichef sieht Mitterlehner nicht gefährdet.

Porträt Reinhold Mitterlehner: Er hat Funkmikrophon und spricht gerade.

APA/GEORG HOCHMUTH

Mittagsjournal, 18.6.2016

Vizekanzler Mitterlehner im Gespräch mit

Regierung arbeitet intensiv

Mit einem "Ich will" ist Reinhold Mitterlehner stellvertretend für seine Partei, die ÖVP, in die neue Koalitions-Partnerschaft mit der SPÖ unter dem neuen Bundeskanzler Christian Kern gestartet. Von jenem Zauber, der einem Anfang inne wohne, war damals die Rede. Das war vor einem Monat. Mittlerweile hat es den Anschein, dass dieser anfängliche Zauber schon etwas verflogen ist: Die offensichtliche Packelei rund um die Rechnungshof-Präsidentin ist in der Öffentlichkeit gar nicht gut angekommen. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bewertet im "Ö1-Journal zu Gast" die personell neue Regierung als konstruktiv. Die Arbeitsvorhaben seien präzisiert worden, jetzt werde intensiv daran gearbeitet, diese auch umzusetzen, so wie geplant. Immer wieder auch vorkommende Unstimmigkeiten führt Mitterlehner auf einzelne handelnde Funktionäre zurück: denn „die DNA beider Parteien ist vielfach sehr stark auf Auseinandersetzung ausgerichtet gewesen.“

Zu den Vorgängen rund um die Bestellung der neuen Rechnungshofpräsidentin meint Mitterlehner, Ausgangspunkt sei die Festlegung auf das Verfahren gewesen, wo jede Partei zwei Vorschläge machen habe können. Wünschenswert sei für ihn gewesen, dass sich die Opposition auf einen einzigen Kandidaten einigt und diesen der Regierung präsentiert. So aber habe auch die Regierung nicht nur einen Kandidaten gehabt. Das habe dann zu den taktischen Vorgängen geführt, die aber jede Partei vorgenommen habe.

Eindeutig steht Mitterlehner hinter ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka in dieser Causa. Jede Partei habe taktiert, so auch er. „Ihm eine diabolische Rolle zuzuordnen, halte ich für gewaltig übertrieben.“ Er sei ein guter Mitstreiter in der Partei. Das Ziel sei, die Partei bestmöglich zu positionieren. „Wir ziehen alle an einem Strang.“

Mindestsicherung ist Überbrückungshilfe

Die Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte auf 520 Euro in Oberösterreich hat viele Kritiker auf den Plan gerufen - ÖVP-Chef Mitterlehner verteidigt aber die Maßnahme der schwarz-blauen Regierung in seinem Heimatbundesland. Er spricht von Überbrückungshilfe und dem Ansporn, schneller einen Job zu finden. Er sagt, man dürfe die freiwillig gewährten Gratifikationen nicht vergessen, wie kostenloser Arztbesuch oder Fahrtenbeihilfe. Damit könne man zwar nicht einfach leben, aber in einer ersten Phase etwa in Wohngemeinschaften.

Resettlement für Flüchtlinge

Große Aktivitäten entwickelt Österreich beim Stopp der illegalen Migration nach Europa. Es gibt jetzt einen ministeriums-übergreifenden "Aktionsplan", der viele schon länger kursierende Ideen zusammenfasst. Besondere Kritik hat sich zuletzt Außenminister Kurz mit seinem Lob des australischen Systems samt Internierungslagern außerhalb Australiens eingeheimst. Parteichef Reinhold Mitterlehner verteidigt aber die harte Gangart.

Man sollte die beiden Worte „australisches Modell“ weglassen und den Inhalt anschauen, „nämlich dass wir nicht einfach Flüchtlinge, die nach Europa gelangt sind, weitertransportieren – sondern, dass wir hier ein System brauchen, das nicht einfach belohnt, sondern wo auch Rückkehrmöglichkeiten geplant sind und wo ein organisierter Prozess in Richtung Relocation und Resettlement stattfindet.“

Man könne das sehr zivilisiert und mit guten Standards machen. „Das Wort ‚Internierungslager‘ ist ein Wort, mit dem die ganze Diskussion abgewürgt werden soll, das wird aber dem Problem nicht gerecht.“

Wahlwiederholung bedauerlich

Eine Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl wäre sehr bedauerlich, sagt Mitterlehner. Hier stünde Österreich unter internationaler Beobachtung. Es erwecke mit zwei Kandidaten den Eindruck, hier würde mit unlauterer Absicht etwas bewerkstelligt worden sein – das sei aber auszuschließen. Es sei aber zugegebenermaßen schlampig und unkorrekt gearbeitet worden.

Zur Koalitionsarbeit

Demnächst will die neu aufgestellte Regierung erste Arbeitsnachweise vorlegen, so Mitterlehner: Es geht etwa um Reformen bei den 22 Sozialversicherungsträgern und um die Liberalisierung der Gewerbeordnung. Bei den Sozialversicherungen gehe es, so Mitterlehner um Effizienzsteigerung im gesamten System und nicht primär um Zusammenlegungen. Das gehe zwar nicht von heute auf morgen, aber die Regierung plane eine klar strukturierte Vorgehensweise.

Und Anfang Juli werde die Regierung ihre konkreten Pläne zur neuen Gewerbeordnung und zu Start-ups vorlegen. Denn ja, die Bevölkerung messe „die Arbeit der Regierung an Ergebnissen und nicht an hochwertigen Streitauseinandersetzungen“.

Gefahr Brexit

Was das EU-Referendum in Großbritannien anbelangt, so hofft Mitterlehner, dass es positiv für die EU ausgehen wird. Denn wenn es nicht der Fall ist, werde es Auswirkungen auf den Kapital- und Finanzmärkten geben. Und es berge die Gefahr, dass sich dann jeder einzelne Staat Rosinen herauspicken möchte und die EU unter Druck setzt. Die EU jedenfalls habe sich immer gerade in Krisenzeiten als besonders stark erwiesen, deshalb drohe ihr kein Ende, sondern eher ein Schritt vorwärts, meint Mitterlehner.