Gedanken für den Tag

Von Hans Schelkshorn, römisch-katholischer Theologe und Philosoph. "Die Revolte und der Sinn für das Heilige" - Zum 100. Geburtstag von Albert Camus. Gestaltung: Alexandra Mantler

Kampf gegen das Leid

In seinem wohl berühmtesten Roman "Die Pest" schildert Albert Camus das Leben in der Stadt Oran, die wegen einer Pestepidemie unter Quarantäne gestellt worden ist. In dieser vom Tod gezeichneten Situation, in der täglich neue Pestfälle gemeldet und Leichen aus den Häusern getragen werden, fordert Pater Paneloux die Menschen in einer Predigt auf, die Pest als eine Strafe Gottes für die Lauheit ihres christlichen Lebens demütig hinzunehmen: "Liebe Brüder", so heißt es "ihr seid im Unglück, liebe Brüder, ihr habt es verdient."

Camus' Kritik richtete sich gegen die vorkonziliare katholische Theologie nach dem 2. Weltkrieg. Doch Pater Paneloux predigt noch immer! Manche evangelikale Christen und katholische Traditionalisten sehen in Aids und selbst in Hurrikans ein göttliches Strafgericht für die Sünden der Menschen.

Obwohl Camus als Agnostiker es ablehnt, "im Namen eines von außen gesehenen Christentums mehr von den Christen zu fordern als von sich selbst", so findet sich in der "Pest" doch ein bedeutsamer Wink. Nachdem Pater Paneloux mit dem Arzt Rieux den Todeskampf eines Kindes miterlebt hat, ändert sich seine Haltung gegenüber dem Leid grundlegend. Seine zweite Predigt beginnt mit den Worten, "dass man nicht versuchen dürfe, sich das Schauspiel der Pest zu erklären". An dieser Stelle lässt Camus den Chronisten der Pest kommentierend festhalten: "Wer konnte denn behaupten, dass eine ewige Wonne einen Augenblick menschlichen Schmerzes ausgleichen kann? Ganz sicher kein Christ, dessen Meister den Schmerz in seinen Gliedern und in seiner Seele empfunden hat. Nein, der Pater würde am Fuße der Mauer stehen bleiben, jener Zerrissenheit getreu, deren Symbol das Kreuz ist, Auge in Auge mit dem Leiden eines Kindes." So legt Camus hier als Nicht-Glaubender ein religiöses Argument gegen die Arroganz einer theologischen Erklärung des Bösen vor.

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Sendereihe

Playlist

Komponist/Komponistin: Robert Schumann/1810 - 1856
Titel: Märchenbilder op.113 - für Klavier und Viola
* Nicht schnell (00:03:42)
Solist/Solistin: Ricardo Requejo /Klavier
Solist/Solistin: Hirofumi Fukai /Viola
Ausführender/Ausführende: Hirofumi FUKAI /< japan.Bratschist >/10.2.1942 Saitama
Länge: 02:00 min
Label: Claves 508201

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