Elektrischer Jazz im Streichquartettformat

"Mahavishnu Orchestra" Revisited

Über 30 Jahre nach dem Ende des (ersten) "Mahavishnu Orchestra" wächst die Zahl der Projekte, die die elektrisierende Musik von John McLaughlins legendärer Rockjazz-Formation neu beleuchten - teils aus ungewöhnlicher Besetzungsperspektive.

Es galt und gilt als eine der Supergroups des Rock-Jazz: Das "Mahavishnu Orchestra" (MO), also das 1971 vom britischen Gitarristen John McLaughlin gegründete Quintett, das in der kurzen Dauer seiner ersten Auflage Maßstäbe in Sachen elektrischer Energieproduktion setzte.

Das Erfolgsrezept war ein höchst ambitioniertes: McLaughlin führte nicht nur Jimi Hendrix' Rockgitarren-Ästhetik in bis dato unerreichter Virtuosität weiter, er verschränkte diese mit komplexen, von indischen Tablas inspirierten Rhythmen und Metren sowie Funk, der Improvisationshaltung des Jazz und harmonischen Einflüssen klassischer europäischer Musik. Wobei der kompakte, orchestrale Gruppensound wesentlich auch den Mitstreitern geschuldet war, die man zur Feier des Anlasses in Erinnerung rufen sollte: Neben McLaughlin standen da der amerikanische E-Violinist Jerry Goodman, der aus Tschechien stammende Pianist und Synthesizer-Spieler Jan Hammer, der irische Bassist Rick Laird sowie der in Panama geborene Schlagzeug-Jungstar Billy Cobham.

Auflösung und Neuauflagen

Das Ende des "ersten" MO kam schneller als geplant: Bereits Ende 1973 trennten sich die Musiker nach internen Differenzen. Drei legendäre Tonträger - "The Inner Mounting Flame" (1971), "Birds of Fire" und "Between Nothingness And Eternity" (beide 1973) - blieben als bis heute gültige Monumente zurück, während die beiden MO-Neuauflagen in veränderter Besetzung (1974-76 und 1984-86) in Sachen Publikums- und Kritikergunst das "Original" nicht erreichten. McLaughlins lange gehegter Plan, das "Orchestra" noch einmal in Erstbesetzung zusammen zu führen, scheiterte an Jan Hammer.

Dreieinhalb Dekaden später ist die Musik dennoch überaus präsent: Gleich drei Formationen widmen sich aktuell dem frühen Oeuvre des MO: Bereits seit 2001 existiert das "Mahavishnu Project" des durch seine Zusammenarbeit mit Pat Metheny und John Zorn bekannten New Yorker Schlagzeugers Gregg Bendian. Währen sich die ersten beiden CDs frei aus dem Repertoire vor allem von "Birds of Fire" und "The Inner Mounting Flame" bedienten, widmet sich Opus 3 ausschließlich einem Werk der zweiten "Orchestra"-Periode: "Visions of The Emerald Beyond" von 1975. Stück für Stück und in originaler, elfköpfiger Besetzung (inkl. Ex-Miles-Davis-Keyboarder Adam Holzman und der in New York lebenden österreichischen Vokalistin Maria Neckam) wird die Musik neu zum Klingen gebracht.

Bigband und Streichquartett

Einen weniger systematischen Zugang pflegen hingegen zwei andere Projekte: Zum einen die Bigband des Hessischen Rundfunks, die sich für ihr Programm der Zusammenarbeit mit dem britischen Arrangeur Colin Towns sowie Original-Drummer Billy Cobham versichert hat.

Zum anderen ist da das österreichische "Radio String Quartet" um Violinist Bernie Mallinger, das im November letzten Jahres beim Jazzfest Berlin seinen Durchbruch feierte. Elektrischer Jazz im Streichquartettformat? Ein zweifellos riskantes Unterfangen - aber ein erfolgreiches. Wie schrieb doch John McLaughlin selbst in den Liner Notes zur CD?

Dies ist kein gewöhnliches Streichquartett. Die leidenschaftliche Hingabe der vier Musiker an ihre Instrumente ist bewundernswert. Auch dass es ihnen gelungen ist, Musik, die eigentlich elektrischer Fusion-Jazz ist, mit Elementen ihrer klassischen Herangehensweise zu verschmelzen und dabei die 'elektrische' Atmosphäre zu erhalten, ist einfach einzigartig.

CD-Tipps
Gregg Bendian's Mahavishnu Project: "Return To The Emerald Beyond", Cuneiform Records, ASIN B000KRN2GW

Billy Cobham, Colin Towns & HR Bigband, "Meeting the Spirits - A Celebration of the Mahavishnu Orchestra", In+Out Records,

Radio String Quartet, "Celebrating The Mahavishnu Orchestra", ACT Music, ACT 9462-2

Links
John McLaughlin
Gregg Bendian's Mahavishnu Project
HR Bigband - "Meeting of the Spirits"
Radio String Quartet