Über Wilhelm Busch (1832-1908)
Der große Heimliche
Was wäre eine Kindheit ohne "Max und Moritz" und "Hans Huckebein"! Wilhelm Buschs wehmütige Ironie, die er mit wenigen Strichen innerhalb zweier Verse unterbrachte, machte ihn fälschlicherweise zum ersten Comic-Autor. Sein Todestag jährt sich heute.
8. April 2017, 21:58
"Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich's völlig ungeniert", "Leben ist immer lebensgefährlich", "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben..." sind nur drei der bekanntesten Busch-Zitate, die nicht von Wilhelm Busch sind. Dem großen, mit so großer Vorliebe verkleinerten Zeichner und Maler Wilhelm Busch wird, in seiner Eigenschaft als satirischer Dichter und lyrischer Wortkünstler, gern allerlei untergeschoben, was man so für humorig hält.
Aus dem Schatzkästlein
Sein Werk, vielgestaltig und in fast allen Gestalten genialisch wie kein zweites, firmiert ja auch immer noch - dank Zeitläufen, mit deren aggressiver Spießerei Busch nicht nur nichts zu schaffen hatte, sondern die er auch noch präzise vorhergezeichnet und -gedichtet hatte, unter "Schatzkästlein des deutschen Haushumors" oder unter Ähnlichem.
Die Popularität des Wilhelm Busch beruht zu einem erschreckend großen Teil auf einer Unterschätzung seines Genies - zu der er, der Feind allen Prestiges und jeglicher Prätention, freilich nicht wenig beigetragen hat.
Zeigefinger stehen Spalier
Als er, als Mittzwanziger und absolvierter Kunststudent, endlich doch einen Verleger gefunden hatte, der des mäßig bekannten Bilderbogenzeichners Jugenderinnerungen in Gestalt der "Max und Moritz"-Geschichten herausbringen wollte, ließ sich "W.B." (wie er seine Arbeiten zu paraphieren pflegte) bescheiden in bar abfertigen - dafür wird ihm der steinreich gewordene Verleger 30 Jahre später ein kleines Vermögen als Ehrenanfindung zuerkennen.
Aber auch bei diesem einzigartigen und weitaus bekanntesten aller Busch-Werke stehen die vom Meister zeitlebens so grandios verhöhnten Zeigefinger bis heute Spalier - weil das doch viel zu grausame Geschichten seien für zarte Gemüter...
Doch kein Bienenzüchter
Buschens wehmütige Ironie, die er mit wenigen Strichen, innerhalb zweier Verse, mit einem metaphysischen Augenzwinkern ins fantastisch Surreale zu wenden oder auch mit Ungewissheit freundlich zu umnebeln wusste, war schon zu seinen Lebzeiten zu wenig für die Begriffe der (damals noch nicht so genannten) Intellektuellen - in Wahrheit natürlich viel zu viel! - und zu hoch für die (damals schon breite) Mehrheit der Konsumbeschränkten.
Seine großen Bildergeschichten - darunter solche Klassiker der komischen Satire wie die Tobias-Knopp-Trilogie, die "Fromme Helene", der "Heilige Antonius von Padua", all die tierischen und menschlichen Moralabhandlungen, durch die ein fröhlicher Schopenhauerianer (!) und pantheistischer Weltgeist wiehert, all die scheinbar erhebenden Zeigefinger, die er ironisch abgeklopft hat - diese Geschichten sind eben keine mehr oder minder platten "Comics", sondern eine ganz eigene, bilddichterische Dimension - die uns nie aufgetan worden wäre, wäre der in seinen späten Zwanzigern recht depressive W.B. wirklich, wie er's damals vorhatte, als Bienenzüchter nach Südamerika gegangen ("Schnurrdiburr oder Die Bienen"); oder ein sehr guter Maler geworden - aber er malte nur noch heimlich, nachdem er bei seinem ersten Studienaufenthalt in Antwerpen die alten Niederländer dort studieren hatte können.
Verborgene Gedichte
Er hielt ja auch seine Lyrik lange geheim - zu der Herausgabe der Sammlung "Kritik des Herzens" ließ er sich erst überreden, als er, der starke Raucher, nach einer Nikotinvergiftung und einem Herzanfall auch psychisch darniederlag - mit damals zweiundvierzig.
Der Lyrikband "Zu Guter Letzt" war seine letzte Veröffentlichung zu Lebzeiten (1902), die Gedichtbücher "Hernach" und "Schein und Sein" kamen postum heraus.
Selbstverständliche Selbstkritik
Mit Humor, womöglich goldenem, hatten sein philosophischer Witz, seine brillante Satire, seine kurzschlüssige Komik, hatten, kurzum, seine unglaublich vielen Talente zum Genie nur insofern zu tun, als alles an diesem Wilhelm Busch absolut uneitel geschah - weil ihm Selbstkritik nicht neckische Pose ("Die Selbstkritik hat viel für sich"), auch gar nicht einmal Bedürfnis, sondern eine Selbstverständlichkeit im Sinn höherer Einsicht war.
In einem seiner allerletzten Gedichte, "Abschied", stehen die Schlusszeilen:
Zwei Blinde, müd vom Wandern
Sah ich am Ufer stehn.
Der Eine sprach zum Andern:
'Lebwohl. Auf Wiedersehn.'
Schon Jahre früher hatte er in einer Bildergeschichte einem Maulwurf, den der zornige Gärtner erschlagen hat, die tiefe Einsicht mitgegeben:
Denn hinderlich, wie überall
ist hier der eig'ne Todesfall.
Hör-Tipp
Ö1 extra, Samstag, 7. Jänner 2009, 22:05 Uhr
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