Lever dood als slav
Himmel, Wasser, Hausbootsommer
Lassen Sie sich nicht täuschen: Friesland ist mehr als Otto und der hübsche rotgelbe Leuchtturm von Pilsum. Friesland ist uraltes Kulturland an der Nordseeküste, wo immer schon der Spruch galt: Lever dood als slav - lieber tot als Sklave!
8. April 2017, 21:58
Otto ist Ostfriese und steht dazu. Ostfriesland ist auch wirklich schön. Putzige Häuser, kompakte Kirchen, knubbelige Bäume. Deiche, Wattenmeer, viel Gegend. Schafe und Kühe. Und Menschen, die einander den ganzen Tag mit dem Wörtchen "Moin" begrüßen. Falls einer sehr gesprächig ist, sagt er "Moinmoin", aber gesprächige Friesen sind selten. Nein: Moin ist keine schief geratene Abkürzung unseres "Guten Morgen", sondern Friesisch und bedeutet einfach "Einen Guten". Was gut sein soll, darf man selber ergänzen.
Der Osten in der Mitte
Ostfriesland zeichnet sich dadurch aus, dass es zwischen Nord- und Westfriesland liegt, quasi im Zentrum des Friesenreiches. Aber Ostfriesland und Nordfriesland ist heute nicht mein Thema. Vielleicht schwärme ich ein andermal von dem Ostfriesland, in dem ich mich in meinen Seebären verliebt habe, oder von der nordfriesischen Gegend, in der meine Schwiegereltern lebten, nahe dem grauen Städtchen am Meer, dessen Grünflächen im Frühling als violetter Krokosteppich leuchten.
Die Bezeichnung Westfriesland verwenden die Westfriesen nicht, warum weiß ich nicht. Irgendwer hat einmal gesagt, sie mögen nicht gerne daran erinnert werden, dass Westfriesland eigentlich viel größer ist als die niederländische Provinz Friesland. Tatsache ist, dass die Friesen seit 1996 frei wählen dürfen, ob sie ihre Ortsnamen lieber friesisch oder niederländisch haben wollen. Seither muss man korrekt von Fryslân reden.
Verträumte Wasserstraßen
Ich war vor der "Wieder-Einfriesung" dort, trieb mich ein paar Sommer lang mit meinem Schatz in verschiedenen Booten auf den friesischen Kanälen und Meeren herum. Ach, das muss ich auch noch erklären: Binnenwasserflächen, bei uns üblicherweise Seen genannt, heißen in Friesland Meer, wohingegen man das Meer als "die See" bezeichnet.
Ich habe warmes Wetter in Erinnerung - obwohl unser Logbuch ganz anderes Wetter vermerkt! - unglaubliche Sonnenuntergänge, stille Anlegeplätze direkt im Grünen, umringt von Kühen und Enten. Schmale Kanäle, die entlangzufahren mir irgendwie sympathischer war, denn sie waren verträumter als die breiten Wasserstraßen. Auf den kleinen Kanälen gab es kein Problem, wenn man dem lockenden Angebot "De Koffie is klaar" ganz unbedingt sofort folgen musste und daher neben dem Anlieger des kleinen Cafés das Boot festmachte und das Bötche aus einer anderen Sicht, von der Kuchenterrasse aus, genoss. Das ging auf dem Prinses Margrietkanaal nicht so gut, da muss man sich schon an die offiziellen Anleger halten.
Ganz gemütlich ziehen die kleinen Städtchen vorbei, die Dörfer, allesamt schmuck, links und rechts der Wasserstraße. Manche Häuser schauen wirklich aus, als wären sie mit Spitzen überzogen, mit ihren weiß umrandeten Fenstern und den rot geklinkerten Mauern. Und immer wieder Windmühlen, wie Riesenspielzeug, das zufällig auf einer grünsamtenen Matte abgestellt worden ist. In einer fand gerade, als wir vorbeifuhren, eine Chorprobe statt, vor einer anderen gab die örtliche Blaskapelle ein Platzkonzert, das wir uns anhörten, weil eh keiner Zeit hatte, die Brücke für uns zu öffnen.
Schiffe haben Vorrang
Das mit den Brücken ist eine eigenartige Sache: (Fast) überall haben die Schiffe Vorfahrt. Stellen Sie sich vor, Sie haben mitten in der Hauptstadt einen Termin, sind etwas knapp in der Zeit, und müssen nur mehr über eine einzige Brücke. Und dann sehen Sie knapp vor der Brücke auf dem Kanal parallel zur Straße ein Schiff in Ihre Richtung schippern: Machen Sie Ihr Handy klar, denn das Schiff hat Vorfahrt und Sie müssen warten. Aber in den Niederlanden ist man das gewöhnt und es scheint niemandem etwas auszumachen. Die meisten Autofahrer kennen "den Gegner", weil sie in ihrer Freizeit selber schippern, und wissen daher, dass Schiffe schwerer bremsen als Autos.
Wir durften damals noch mit unserem Schifferl in die Städte, aber nicht in alle. In Harlingen mussten wir den Jachthafen ansteuern, das passte ganz gut in unseren Plan, denn wir wollten mit der Fähre rüber nach Terschelling und ein wenig auf der Insel spazieren gehen, nachschauen, ob das Gasthaus, das mein Schatz von früheren Reisen kannte, immer noch so gut war (es war!). Der Heimweg war ein wenig problematischer. Wir wussten nämlich nicht, dass genau an diesem Abend ein Rockfestival endete, standen rechtzeitig zur Abfahrt unserer Fähre am Hafen und vernahmen mit Erstaunen den Ruf: "Das Boot ist voll!" Hat bis in die Morgenstunden und vier volle Fähren gedauert, bis wir alle - inklusive weit über tausend Rockmusikfans - wieder auf dem Festland waren.
Allein im Moor
Leeuwarden haben wir mit dem Schiff erkundet, sind den sternförmigen Singel-Kanal entlang geschippert, haben unter Trauerweiden angelegt, wurden vom Glockenspiel geweckt, hach war das schön! Aber am schönsten war es im Prinsenhof östlich vom Prinses-Margrietkanal beim Dörfchen Eernewoude - mitten im Moor, alleine mit meinem Schatz - und die paar Gelsen haben uns nicht wirklich stören können...
Hör-Tipp
Terra incognita, Donnerstag, 30. Juli 2009, 11:40 Uhr
Buch-Tipp
Geert Mak, "Wie Gott verschwand aus Jorwerd. Der Untergang des Dorfes in Europa", Btb