Quer durch Frankreichs Hauptstadt

Die Pariser Metrolinie 7

Die Métro mit der Nummer 7 hat von allen 16 Pariser Untergrundbahn-Linien die meisten Stationen: 38 Mal hält sie entlang der fast 19 Kilometer langen Strecke, die von Ivry im Süden bis nach La Courneuve im Nordosten durchfahren wird.

Die südliche Endstation der Métro 7 heißt "Mairie d'Ivry". Die Mairie ist das Rathaus, und Ivry-sur-Seine ist eine eigenständige Gemeinde in der südlichen Banlieue. "Banlieue", das französische Wort für Bannmeile, bezeichnet die Gebiete "extra muros", also außerhalb der Stadtmauern - kurz: die Vororte.

Vorrang für Öffis
Nach zwei Stationen erreichen wir den "Boulevard péripherique", der entlang der alten Stadtmauern die Pariser Stadtgrenze markiert. Bei der "Porte d'Italie", dem italienischen Stadttor, sehen wir die türkis-weißen Garnituren der neuen Straßenbahnlinie T3 - Paris ist gerade dabei, die Straßenbahn wieder zu entdecken.

Die rot-grüne Mehrheit in der Stadt fördert den öffentlichen Verkehr und legt sich mit den Autofahrern an: Die großen Boulevards werden begrünt, die Fahrspuren verschmälert und stattdessen Radwege errichtet.

Asiatisches Viertel
Rund um die Station "Tolbiac" befindet sich das Zentrum der asiatischen Gemeinde in Paris, mit vielen Restaurants und asiatischen Supermärkten. Die in Paris lebenden Asiatinnen und Asiaten stammen zum großen Teil aus Vietnam, Laos und Kambodscha, meist sind es Chinesinnen und Chinesen, die in diesen Ländern gelebt haben und aus den früheren französischen Kolonien ins Mutterland gezogen sind.

Unsere Fahrt bleibt multikulturell und führt von Asien in die arabischen Länder: Von der Station "Jussieu" sind es nur wenige Schritte zum "Institut du Monde Arabe". Das Gebäude mit seinen 240 kunstvoll strukturierten Metallfenstern, die den Lichteinfall regulieren können, ist von Jean Nouvel geplant worden. Gleich um die Ecke befindet sich die große Pariser Moschee; sie wurde 1926 im maurischen Stil errichtet und erinnert daran, dass Frankreich die größte islamische Gemeinde aller europäischen Länder hat.

Sandstrand statt Straße
Die Métro 7 unterquert nun die Seine. Von den Stationen "Sully-Morland" und "Pont Marie" sind es nur wenige Schritte bis zum Sandstrand - zumindest im Hochsommer. Seit einigen Jahren wird die Seine-Begleitstraße in den Sommermonaten gesperrt, nur Inlineskater und Radfahrer dürfen dort fahren, auf dem Asphalt wird Sand aufgeschüttet, Liegestühle und Palmen machen daraus den Pariser Strand - "Paris-Plage".

Die Neugestaltung der Seine-Ufer, die unter Staatspräsident Georges Pompidou zu (seitdem nach ihm benannten) Schnellstraßen umgewandelt worden sind, ist ein wichtiges Vorhaben der gegenwärtigen Pariser Stadtplanung. Daran beteiligt ist auch der Architekt Dietmar Feichtinger, der aus Bruck an der Mur stammt und seit Jahren in Paris lebt. Er hat den elegant geschwungenen Steg zur neuen Nationalbibliothek entworfen, der nach der Schriftstellerin Simone de Beauvoir benannt ist.

Riesige Station "Chatelet"

Weiter im Pariser Untergrund zur Station "Chatelet". Das ist eine der größten U-Bahn-Stationen der Welt, und wer je hier vom Flughafen kommend mit seinem Reisegepäck die langen Förderbänder und labyrinthischen Umsteigewege abgehen musste, kann davon ein Lied singen.

Einer der Ausgänge der Station führt zum "Forum des Halles", dem halb-unterirdischen Einkaufszentrum am Platz der früheren Markthallen, die für Emile Zola der "Bauch von Paris" waren. Das - ebenfalls unter Georges Pompidou - errichtete Forum ist ziemlich missglückt und mittlerweile recht verlottert. Es soll demnächst abgerissen und neu erbaut werden.

Abstecher zum Luxustempel
Die nächsten Stationen der Metrolinie 7 führen zu bekannten Sehenswürdigkeiten der französischen Hauptstadt: Pont Neuf, Louvre/Palais Royal, Opéra. In der Station "Chaussée d'Antin - La Fayette" steigt aus, wer zum berühmten Einkaufstempel "Galeries Lafayette" möchte.

Am Bahnhof "Gare de l'Est" kann man den Nachtzug nach Wien besteigen oder durch das Viertel "Faubourg St. Denis" mit seinen afrikanischen Friseurläden und den einst so noblen Fin-de-siècle-Passagen schlendern, die heute fest in der Hand von Indern und Pakistanis sind.

Auf den Spuren Maigrets
Von der nächsten Station, "Chateau Landon", sind es nur zwei Querstraßen bis zum Canal St. Martin. Dort spielt nicht nur so mancher Maigret-Krimi, am Ufer des Kanals befindet sich auch ein großes Obdachlosen-Zeltdorf.

Das Thema der "SDF" ("sans domicile fixe" - ohne festen Wohnsitz) spielte im vergangenen Wahlkampf eine große Rolle, seit bekannt wurde, dass ein Drittel der sogenannten Clochards einer regelmäßigen Arbeit nachgeht, ihr Lohn aber nicht für die hohen Pariser Wohnkosten ausreicht. Unter dem Druck der öffentlichen Meinung hat die vorige Regierung ein Gesetz angekündigt, das ein einklagbares Recht auf eine Wohnung vorsehen wird.

Abzweigung Richtung Osten

In der Station "Louis Blanc" zweigt die Métro "7bis" ab, die in den Osten der Stadt nach Belleville führt - ein früherer Arbeiterbezirk, der jetzt gerade hipp wird. Die Métro 7 selbst fährt nach Norden weiter und kommt nach "La Villette", wo auf dem Gebiet eines ehemaligen Schlachthofes das Technikmuseum "Cité des Sciences et de l'Industrie" errichtet wurde - eines der "grand projets", der großen Projekte der Präsidentschaft von Francois Mitterand.

Endstation Schlafstadt

In "La Courneuve" ist Endstation. Wir sind hier in der nordöstlichen Banlieue, dort, wo die Unruhen des Herbsts 2005 ihren Ausgang genommen haben. Es ist eine von Autobahnen durchschnittene Schlafstadt, ein Plattenbau-Viertel mit hoher Arbeitslosigkeit und vielen Drogen. Am Markt "Aux Quatre Routes" verkaufen Immigranten aus aller Herren Länder Lebensmittel und billige Gebrauchsgegenstände.

Für die Polizei ist der Markt ein Sorgengebiet. Hier, in La Courneuve, hat Nicolas Sarkozy noch als Innenminister den Namen einer deutschen Firma für Hochdruckreiniger in Frankreich unsterblich gemacht: Er werde, hat er angekündigt, die Vorstädte "mit dem Kärcher säubern".

Hör-Tipp
Diagonal, Samstag, 26. Jänner 2008, 17:05 Uhr

Links
Wikipedia - Metrolinie 7
Peter Supp - Bildergalerie zur Metrolinie 7