Premiere mit Natalie Dessay und Juan Diego Flórez
Die "Regimentstochter" im Haus am Ring
Sie gelten schon jetzt als weiteres Opern-Traumpaar: Natalie Dessay und Juan Diego Flórez sind die Titelhelden der neuen "Regimentstochter", der "Fille du Régiment", an der Wiener Staatsoper. Die Premiere war am 1. April live in Ö1 zu hören.
8. April 2017, 21:58
Natalie Dessay und Juan Diego Flórez (Probenausschnitt)
Eine französische Marketenderin, die es ins Tiroler Hochgebirge verschlagen hat, auf die Bühne gebracht von einem italienischen "Gastarbeiter" im Paris des Jahres 1840 - und noch dazu auf die Bühne der Opéra Comique, die doch sonst Boieldieu und Auber und anderen französischen Komponisten allein gehörte.
Hector Berlioz, nie annähernd so erfolgreich wie Gaetano Donizetti, dessen Auftauchen in Paris er als "Invasion" empfand, schäumte über "La Fille du Régiment": "Das ist eine von diesen Sachen, wie man zwei Dutzend im Jahr schreiben kann, wenn man seine Gedanken beieinander und eine leichte Hand hat. Man sieht darin fast nur noch einen Vorwand für die Erfolge der großen Tenöre und Diven." Prophetische Worte!
Ein neues Opern-Traumpaar
"Die" Sopran-Tenor-Liebespaar-Besetzung der 1960er und 1970er Jahre für die "Regimentstochter" lautete: Joan Sutherland und Luciano Pavarotti. Beide zogen als Marie und Tonio vom Londoner Royal Opera House Covent Garden in die Welt. In London hatte diesen Jänner auch Laurent Pellys Inszenierung mit Natalie Dessay und Juan Diego Flórez Premiere. Ein "Joint Venture" mehrerer Opernhäuser. Diese neue "Fille du Régiment" erreichte am 1. April Wien, und niemand zweifelte vorher daran, dass danach ein weiteres Opern-"Traumpaar" zu bejubeln war.
Es gab Zeiten, da wurde in Frankreich der Nationalfeiertag, der Jahrestag der Bastille-Erstürmung, traditionell mit der "Fille du Régiment" gefeiert, mit der ganzen Familie, und die Legende will wissen, dass das Publikum Donizettis Musik ausreichend "intus" hatte, um in Generalpausen laut mitzuzählen: "Un! Deux! Trois! Quatre!" Was nicht funktioniert hätte, wären Donizettis Melodien in der "Regimentstochter" nicht von infektiösem Elan - und dann sofort wieder von anrührendster Sentimentalität.
Kriegsspielerei
Nicht einmal das militaristische Moment der Handlung kann ernsthaft Widerstand auslösen, zu pappkameradenhaft ist die Kriegsspielerei gezeichnet, zu menschlich treten die Soldaten auf, die das Waisenkind Marie dereinst adoptiert haben.
Andererseits: Als die Metropolitan Opera im Zweiten Weltkrieg "La Fille du Régiment" am Spielplan hatte, mit der bezwingenden Lily Pons in der Titelrolle, wurden die französischen Nationalfarben auf der Bühne zum politischen Statement, und als "Einlage" erklang die Marseillaise. Schon bei den schmissigen "Rataplan"-Rhythmen und genretypischen Verwicklungen, ehe Marie und Tonio einander endlich in die Arme sinken dürfen, schwingt Ironie mit (und ein anderer "Gastarbeiter", Jacques Offenbach mit seiner "Fille du Tambour-Major" ist nicht fern).
Montserrat Caballé als Duchesse
Die Selbstironie der Erzkomödiantin war gefragt, als - neu für Wien! - die große Montserrat Caballé in die mehr Sprech- als Gesangsrolle der Duchesse de Crakentorp (!) schlüpfte, die von vergangener Glorie zehrt. "Pure delight", seufzten die Kritiker in London, "das reine Vergnügen".
Hör-Tipps
"Vor der Premiere", Sonntag, 1. April 2007, 19:30 Uhr
"La Fille du Régiment", live aus der Wiener Staatsoper, Sonntag, 1. April 2007, 19:55 Uhr
TV-Tipps
Streifzug Kultur: "Montserrat Caballé - Ein Star kehrt zurück", Sonntag, 1. April 2007, 10:25 Uhr, ORF 2
"La Fille du Régiment", live aus der Wiener Staatsoper, Sonntag, 1. April 2007, 19:55 Uhr, ORF 2
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