Man rief die Tierrettung

Bauchverbot in Diskotheken?

Lieber Chef, könntest Du mir wohl heute ausnahmsweise den Teaser schreiben? Es sind mehrere Jahre zurückliegende Erlebnisse, deren schriftliche Aufarbeitung nicht ohne gehirnlähmende Rückstände vonstatten ging. Kann auch sein, dass ich Schrumpfhirn habe.

Ich habe die Zigaretten im Auto vergessen und will nicht noch einmal hinunter, also muss ich auf die Roth-Händle zurückgreifen, die ich bei meinem letzen Deutschlandaufenthalt mitgenommen habe. Ein kerngesunder, winziger Münchner Bodyguard, der mir einmal im Zug von Salzburg nach Wien das Leben gerettet hat, als ein bulliger Sachse mich wegen einer dreisten Antwort, die ich ihm auf eine nicht minder dreiste Aussage gegeben hatte, verprügeln und wahrscheinlich umbringen wollte, plapperte danach über Roth-Händle und bot mir eine an. Es wären die Zigaretten der Linken gewesen, seinerzeit.

Der kleine Bodyguard sieht überhaupt nicht links aus, dachte ich geistesgegenwärtig, und wenige Minuten später sagte er auch schon etwas Garstiges über Menschen mit dunklem Teint. Ich sah ihm auffällig in den Schritt, drückte die Rassistenzigarette aus, ging ins Sachsenabteil und gab dem Dreisten zu verstehen, dass der entmannte Bodyguard sich über sein Äußeres ein wenig mehr als nur lustig gemacht hätte und ich mich für meine dumme Antwort vorhin höflich entschuldigen wollte und ich seine Muskeln total riesig finde und zum Fürchten auch. Dann lief ich zum Schaffner und bat ihn, die beiden kastrierten Streithähne im Auge zu behalten. Dann ging ich in den Speisewagen und trank Bier bis Linz, denn da wollten die Zwei aussteigen, zufällig beide in Linz!

Ich sann lange nach, was wohl ein Mini-Bodyguard aus München und ein geistig abnormer Sachse so spät am Abend in der zweithässlichsten Stadt Österreichs zu suchen hätten. Als ich einmal für einige Tage in Linz war, hatte ich meine ersten Panikattacken, das war, als Elfriede Jelinek fünfzig geworden war und Peter Turrini ihr bei der Geburtstagsfeier, die im Radio übertragen wurde, sagte, dass sie eine schöne Frau wäre, da glühten mir ein paar Nerven durch. Ich ging drei Tage lang alle zehn Minuten duschen und wechselte im nämlichen Intervall die Kleidung, rauchte in den Pausen filterlose Gauloises, jonglierte dabei mit feuchten Dynamitstangen, damit sie trocken würden, brüllte Mantras, die von allen Geschwadern des Teufels erzählten, hieb Cocktailspießchen in den Schulglobus meiner Gastgeber, dort hinein, wo Linz war, und rannte wieder, nackt und nass, ins Badezimmer - es war fast schon zwanghaft. Man rief die Tierrettung.

Sogleich dachte ich: "Die Menschenwelt hat sich zu einem Ort der Perversion gewandelt - ihren Leguanen häkeln sie Winterbekleidung und wegen meiner allzumenschlichen Schockreaktionen lassen sie diese Hundefänger antanzen! Was kommt als Nächstes? Bauchverbot in Diskotheken?! Wenn zwei Rüden sich im Liebesspiel ineinander verkeilt haben, beendet man die Affäre mit einem Kübel Wasser, die Welt kann man damit nicht retten, das ist schade." Ich ersuchte meine Gastgeber, ihre berühmte Linzer Tadelsucht im Zaum zu halten, mir mein Fehlverhalten nachzusehen und mich bei Gelegenheit im Tierheim zu besuchen. Dort vertrieb ich mir die Zeit mit der Lektüre von Nietzsche, die Bücher waren in Hundesprache geschrieben, seither verstehe ich, was die Rüden einander zuflöten, wenn sie im Park ihre kleinen versauten Nasen aneinander stupsen. Och, ist das nicht lieb, mein Hündchen hat sich gerade den Autoschlüssel geschnappt und ist runter, um mir die Zigaretten zu holen.