Krisenfeuerwehr in der Schule

Die Ungehaltenen halten

Seit mehr als 30 Jahren gibt es an Wiener Schulen Psychagogen und Betreuungslehrer, speziell ausgebildete Pädagogen, die schwierigen Kindern helfen, ihre Probleme wie etwa Schulangst in den Griff zu bekommen. Sie haben immer mehr zu tun, aber ihre Zahl sinkt.

Psychagoge Wolfgang Reiher zu seiner Arbeit

Seit über 30 Jahren gibt es an Wiener Schulen Beratungslehrer und Psychagogen. Sie vereinen das Wissen aus Pädagogik und Tiefenpsychologie und unterstützen die Schüler bei der Bewältigung von in Krisen wie Schulangst oder Verhaltensauffälligkeiten. Diverse Einsparungen und ein Mangel hinsichtlich Ausbildung lassen sie jedoch immer weniger werden.

Vertrauen heilt

Der achtjährige Schüler ist sehr aufgeregt. Er hatte einen schlechten Traum, der ihn völlig verwirrt. Der Lehrer bringt ihn zum Psychagogen, der sein Büro innerhalb des Schulgebäudes hat. Der Psychagoge nimmt sich viel Zeit für das Kind; er spricht mit dem Schüler über den bösen Traum und über dessen Ängste. Schließlich beschließt der Schüler, den Traum aufzuzeichnen und in einer Schachtel zu versperren. Sie reden noch ein Weilchen, dann hat sich das Kind beruhigt und kehrt in seine Klasse zurück. Wenn es in der nächsten Woche wieder zum Psychagogen kommt, sind seine Träume heiterer geworden.

Das ist nur eine von vielen Episoden, die Beratungslehrer und Psychagogen im Alltag erleben. "Es ist die Beziehung, die heilt!“ Dieses Zitat des Kinderpsychiaters Rudolf Eksteins, auf den sich die Psychagogen berufen, ist kennzeichnend für die Arbeit mit den Kindern: Die therapeutische Arbeit ist langfristig und tiefenpsychologisch angelegt; sie beruht auf der vertrauensvollen Beziehung zwischen dem Kind und dem Psychagogen.

Förderklassen statt Sonderschulen

Beratungslehrer und Psychagogen gibt es nun schon seit 30 Jahren an Wiens Schulen. Begonnen hat alles 1976/77 - als Initiative einer Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern in Zusammenarbeit mit dem Kinderpsychiater Prof. Max Friedrich, der heute die Wiener Universitätsklinik für Kinderneuropsychiatrie leitet. Kinder mit Lernschwierigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten wurden bis dahin ausgesondert. Sie kamen in Sonderschulen und wurden ausgegrenzt.

Heute gibt es keine Sonderschulen im eigentlichen Sinn mehr, in denen Problemkinder ghettoisiert werden, stattdessen gibt es in Wien Förderklassen in Sonderpädagogischen Zentren, etwa das Integrative Zentrum Galileigasse oder das Rudolf Ekstein Zentrum. Hier werden Kinder in Kleingruppen so lange unterrichtet, bis sie an eine normale Regelschule zurückkehren können, wo ihre emotionalen Bedürfnisse von den Beratungslehrern vor Ort abgedeckt werden können.

Immer weniger Psychagogen

Derzeit sind Psychagogen und Beratungslehrer an zwei bis drei Tagen pro Woche für die Kinder im Einsatz. Früher konnten sie mehr Zeit an den jeweiligen Schulen verbringen, doch im Zuge diverser Einsparungen wurden Beratungslehrer, die in Pension gingen, nicht nachbesetzt. Es werden zur Zeit auch keine neuen Psychagogen oder Beratungslehrer ausgebildet, was den Berufsstand um seine Zukunft fürchten lässt.

Die bisherige Ausbildung erstreckte sich über sechs Jahre. Die meisten haben eine darüber hinausgehende psychotherapeutische Ausbildung. Der Unterschied zwischen Psychagogen und Beratungslehrern bezieht sich auf ihre Ausbildung: Beide Gruppen haben eine jeweils andere Tradition und Geschichte. Heute deckt sich jedoch ihre Arbeit in vielen Bereichen. Das Angebot des Beratungslehrers gibt es nur für den Pflichtschulbereich. Für AHS und Gymnasium existiert hingegen nichts Vergleichbares. Ein wichtiges Prinzip der Beratungstätigkeit ist die intensive Zusammenarbeit mit Lehrern und Eltern. Denn oft brauchen auch die Eltern Unterstützung, um dann ihrem Kind besser helfen zu können.

Hör-Tipp
Journal-Panorama, Montag, 19. März 2007, 18:25 Uhr

Links
Pädagogisches Institut der Stadt Wien - Standorte sonderpädagogischer Institutionen des Bundes
Schulpsychologische Bildungsberatung
Bildungspsychologie und Evaluation
Rudolf-Ekstein-Zentrum