In der "Schule des Staunens"

Der Verwandlungsreisende

André Heller, der am 22. März seinen 60. Geburtstag feiert, ist eine Ausnahmeerscheinung in der aktuellen Kunstszene. "Es ging mir nie um Kunst, immer nur um Erfahrungen", sagt der Zeremonienmeister internationaler Massenspektakel.

André Heller über seine Eltern

Wien, Jänner 2007. Bei einer Pressekonferenz verkündet André Heller, dass seine aktuelle Show "Afrika Afrika" bisher 175.000 Zuschauer angelockt hat. Vor den versammelten Journalisten ruft er seine 92-jährige Mutter an: "Ich bin die erfolgreichste Tournee-Show in Österreich! Das dazu, dass ma' ohne Matura nix werden kann. Bussi..."

"Ohne Matura geht gar nix." Dieser von der Mutter oft und oft wiederholte Satz hat sich im Leben des einstigen Schulabbrechers André Franz Heller nicht bewahrheitet. Und auch der Plan des Vaters, eines konvertierten jüdischen Schokolade- und Zuckerlfabrikanten, dass aus dem Sohn ein hoher katholischer Würdenträger, am besten gleich ein Kardinal werden solle, ist nicht aufgegangen. Bekannt sind die Erzählungen vom Hausaltar, von den Monstranzen und Priestergewändern, mit denen Klein-Franzi fürs zukünftige Priesteramt üben musste. Der frühe Tod des Vaters ermöglicht den Befreiungsschlag.

Der Internatszögling des Jesuitenkollegiums verwandelt sich schnell in einen jungen Bürgerschreck, der als Discjockey beim damals neu gegründeten Sender Ö3 anheuert und sich zudem als Schauspieler versucht. Unterricht nimmt er just beim meistgefürchteten Kritiker seiner Zeit, bei Hans Weigel.

Wahre Abenteuer
Hoch hinaus wollte er freilich schon als kleiner Bub. Mit Luftballons von der Wiener Gloriette abheben... und nach Afrika fliegen. Weil das nicht funktioniert hat, wurde eben das erste Taschengeld in eine Wärmeflasche investiert. "Die wahren Abenteuer sind im Kopf."

Mit etwas mehr als seinem Taschengeld, nämlich mit dem gesamten, bescheidenen Erbe - erinnert sich Hellers frühe Gefährtin Erika Pluhar - tritt er schon als Anfang Zwanzigjähriger protzig als Mäzen auf, finanziert die Verfilmung von Gerhard Fritschs "Moos auf den Steinen". Ein Flop. Das Erbe ist verloren, aber das Herz der Hauptdarstellerin Erika Pluhar gewonnen. Sie wird die erste in einer langen Reihe ausnehmend schöner Frauen sein, die ihr Leben jeweils für eine Weile mit Heller teilen sollten. Die Liebe ist ein seltsames Spiel, denn "was sich für Ewigkeit hält, währet oft nur drei Küsse" heißt es in einem seiner Chansons.

Ende der 1960er Jahre interviewt der aus dem Wiener Nobelbezirk Hietzing stammende ungestüme junge Mann im Radio die größten Musiker seiner Zeit, Jimi Hendrix, John Lennon, Brian Jones, Frank Zappa und wird selbst schon bald die erste eigene goldene Langspielplatte an die Wand hängen. Schnell kommt der Erfolg für den singenden Poeten. "Ich war ein unreifer Popkasperl", kommentiert Heller heute seine Gesangskarriere, "bin allen nur möglichen Versuchungen erlegen. Aber ich hab's überstanden."

Eine Ausnahmeerscheinung
André Heller, der am 22. März seinen 60. Geburtstag feiert, ist und bleibt eine Ausnahmeerscheinung in der österreichischen und auch in der internationalen Kulturlandschaft. Als Zeremonienmeister wundersamer Massenspektakel, als Erfinder fantastischer Feuertheater, Gärten und Vergnügungsparks, betreibt er seine "Schule des Staunens" und stellt an sich den Anspruch, auf möglichst hohem Niveau möglichst viele Menschen zu erreichen.

Auch in die politischen Verhältnisse seiner Heimat mischt er sich gerne ein. "Am Heldenplatz vor ein paar Hunderttausend Menschen zu sprechen, das hab ich nicht lernen müssen, das kann ich. Aber mich zu trauen, in den Spiegel zu schauen, das hab ich lernen müssen."

Dankbar für die Niederlagen

Gelassen und heiter blickt André Heller zurück auf die ersten sechs Jahrzehnte seines Lebens, auf die Erfolge ebenso wie auf die unvermeidlichen Niederlagen, für die man - so der Jubilar - dankbar sein sollte, weil auch sie zur Weiterentwicklung beitragen. Ein gelungenes Dasein, philosophiert er, basiere auf drei Dingen: Dankbarkeit, wenig Ego ("sehr schwierig für mich!"), und schließlich selbstlose Liebe, die er im Umgang mit seinem Sohn Ferdinand gelernt habe.

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Buch-Tipps
André Heller, "Bilderleben. Öffentliches und Privates 1947 - 2000", Brandstätter Verlag, 2000, ISBN 978-3854980087

André Heller, "Afrika! Afrika! Das magische Zirkusereignis vom Kontinent des Staunens", Brandstätter Verlag, 2006, ISBN 978-3902510471

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