Marion Fürsts Biografie
Maria Theresia Paradis
Maria Theresia Paradis war Komponistin, Pianistin und Sängerin. Die als Kind erblindete Künstlerin erhielt Unterricht von Salieri, Kozeluch und Vogler, Mozart widmete ihr ein Klavierkonzert. Eine Biografie von Marion Fürst beleuchtet ihr Wirken.
8. April 2017, 21:58
Hidemi Matsushita über Maria Theresia Paradis
Vor knapp zwei Jahren im Kölner Böhlau-Verlag erschienen und mit dem Untertitel: "Mozarts berühmte Zeitgenossin" versehen, war Marion Fürsts Publikation über Maria Theresia Paradis ein gezielter Beitrag zum Mozartjahr.
Nun, um die eigene Bedeutung der 1759 in Wien geborenen Musikerin zu erforschen, darf es auch ein Nicht-Mozart-Jahr sein.
Frauen in der Musikgeschichte
Erschienen ist das Buch der in Koblenz lehrenden Musikwissenschaftsdozentin Marion Fürst als Band 4 einer Publikationsreihe zum Thema "Europäische Komponistinnen". Was ein grundsätzliches Missverständnis aufwirft, da die Autorin schon im Vorwort mit guten Gründen schreibt:
Eine in ihrer Gesamtschau erst zu schreibende Musikgeschichte, die sich als Geschichte kulturellen Handelns versteht, wird auch die nicht unbedeutende Rolle, die Frauen in ihr spielen, sichtbar machen. (...) Der Anteil der Frauen an der Vermittlung von Musik, an der Gestaltung von Kulturräumen, wie des Salons, wird dabei berechtigt ins Zentrum geraten.
Genaue soziologische Beschreibung
Marion Fürst behandelt also in ihrer Monographie das Leben der Maria Theresia Paradis nicht so sehr als das einer Komponistin. Auch nimmt die Beschreibung ihres kompositorischen Schaffens nur einen relativ kleinen Teil des Buches ein. Viel Raum gilt hingegen den Lebensbedingungen, dem soziologischen Umfeld. Wie die mit drei Jahren erblindete Künstlerin sich die Musik erarbeitete, eroberte.
Sie begann am Spinett, lernte dann auch Orgel und daneben Gesang. Wie sie alle widrigen Umstände der temporär sogar erfolgreichen Heilungsversuche des legendenumrankten Franz Anton Mesmer erduldete und schließlich die Laufbahn der reisenden Künstlerin beschritt, die ihr naturgemäß besonders schwer fallen musste. Nicht nur physisch, sondern auch psychisch, denn:
Das Erstaunen, welches ihr Spiel bei ihren Zeitgenossen hervorrief, wird mit ihrer Behinderung in Verbindung gebracht. Ihre pianistischen Leistungen faszinierten, so wie man die Kunst von Jongleuren oder Akrobaten schätzt, oder schlimmer noch, die Kunststückchen, die Tiere vorführen, weil man staunt, dass sie überhaupt dazu fähig sind.
Legenden- und Mythenbildung
Was in diesem Zusammenhang von der Autorin klug in einem eigenen Kapitel zusammengefasst wird, ist die Legenden- und Mythenbildung in ihrer Wirkungsgeschichte. Wobei etwa Stefan Zweigs Sympathien für Franz Anton Mesmers medizinisches Außenseitertum noch die absolut seriöse Seite repräsentieren.
Viel schlimmer wird es, wenn die blinde Künstlerin im 1992 erschienenen Roman des irischen Schriftstellers Brian ODoherty neben Mozart auf der Klavierbank sitzt und vierhändig spielt und wir dabei über ihre erotischen Empfindungen unterrichtet werden.
Gedichte auf die Paradis
Überhaupt ist die vorhandene Literatur zur Paradis sorgfältig dokumentiert und wird in dem Buch auch reichlich zitiert. Quellentexte, Chronik und Werkliste warten mit viel Material und Information auf, zeitgenössische Gedichte auf Maria Theresia Paradis finden sich ebenso wie die Beschreibung der damals praktizierten Notenschrift für Blinde.
Apropos: Dass sich die nach langer, unermüdlicher Reisetätigkeit nun doch nach Sesshaftigkeit sehnende Paradis in Wien niederließ, um sich primär Leidensgenossinnen, also erblindeten Mädchen, pädagogisch zu widmen, ist für das Persönlichkeits- und Zeitbild ebenfalls sehr bedeutungsvoll. Auch hier haben sich für die Buchautorin wie für die Leser genaue Recherchen nach den Unterrichtsmethoden bezahlt gemacht.
Musikalische Maximen
Einige der Maxime der Musikalität der Künstlerin sind ebenfalls zitiert und dürfen sich durchaus mit den bekannten "Musicalischen Haus- und Lebensregeln" Robert Schumanns messen:
Der Rhythmus ist der Herzschlag der Musik, und der Ausdruck muss das Herzgefühl ansprechen! Wer die Musik nur durch die Ohren jagt, ist mehr Gaukler als Musiker
Die Musik ist die Sprache des Herzens, und die Mahlerey der Leidenschaften; das Herz muss sie also verstehen, und die Leidenschaft sich darin erkennen. Die Wahrheit und Natur darf dabey der Kunst nicht aufgeopfert werden.
Vortrag zum Nachhören
Hören Sie in unserem Audio einen Vortrag des Paradis-Experten Hidemi Matsushita über die Künstlerin, aufgenommen beim Symposium "Ein unerschöpflicher Reichthum an Ideen" im RadioKulturhaus im November 2005.
Mehr zu Mozarts Rivalinnen in oe1.ORF.at
Buch-Tipp
Marion Fürst, "Maria Theresia Paradis. Mozarts berühmte Zeitgenossin", Böhlau, ISBN: 9783412195052
Links
Wikipedia - Maria Theresia Paradis
Wikipedia - Franz Anton Mesmer