Nur fünf von hundert Straftätern sind weiblich
Frauenkriminalität: ein Randthema
Betrachtet man die Kriminalstatistik, so erübrigt sich ein Nachdenken darüber, ob Frauen anders sind als Männer. Im Schnitt sind 95 von 100 Häftlingen immer noch Männer, die Frauen stellen derzeit gerade einmal fünf Prozent. Mehr als sechs Prozent waren es noch nie.
8. April 2017, 21:58
Michael Neider vergleicht kriminelle Frauen mit Männern
Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Das ist ein Tag, an dem man zum Beispiel auch darüber nachdenken kann, ob Frauen wirklich anders sind als Männer. In konkreten Zahlen lässt sich dieser heikle Vergleich normalerweise nur schwer ziehen, sieht man von manchen eindeutigen Statistiken, wie etwa der Dokumentation der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen, einmal ab.
Frauen sind anders
Die Kriminalstatistik zeichnet da ein vergleichsweise deutlicheres Bild, und nimmt man die als Basis für die Fragestellung her, so lautet die Antwort eindeutig "Ja". Frauen sind nicht nur ein bisschen, sie sind sogar sehr anders als Männer: Im Schnitt sind 95 von hundert Häftlingen immer noch Männer, die Frauen stellen derzeit gerade einmal fünf Prozent. Mehr als sechs Prozent waren es noch nie.
Warum das so ist, warum der Unterschied des kriminellen Potenzials zwischen Männern und Frauen dermaßen krass ist, darüber darf spekuliert werden. Denn wie will man wissenschaftlich fundieren, warum der eine mit größerer Wahrscheinlichkeit kriminell wird, die andere aber nicht?
Frauen fangen keine Kriege an
Der erstaunlich geringe Frauenanteil an den Häftlingen ist kein österreichisches Spezifikum - er repräsentiert vielmehr den europäischen Schnitt. Warum Frauen so deutlich weniger häufig Straftaten verüben, die mit einer Haft enden, ist bis dato nur unzureichend erforscht. Frauenkriminalität bleibt jedenfalls ein Randthema.
Der langjährige Leiter des Bereichs Vollzug im Justizministerium, Michael Neider, weist in diesem Zusammenhang auf einen der möglichen Gründe hin : "Frauen fangen keine Kriege an, Frauen sind keine Soldaten - außer in Ausnahmesituationen. Das heißt: Alles, wovor man sich fürchtet, geht von Männern aus.
Unterschiedliche Konfliktbewältigung
Der Kriminalsoziologe Arno Pilgram sagt, Frauen und Männer wären allein schon durch ihre Sozialisation darauf geprägt, Konflikte unterschiedlich auszuagieren:
"Frauen leiden eher, wenn sie abweichend auffällig werden und mit ihrer Lebenssituation nicht zurecht kommen; sie sind auch im Bereich der psychischen Erkrankungen stärker repräsentiert als Männer. Männer wenden ihre Probleme eher nach außen, agieren sie vielmehr aus und kommen auf die Art und Weise natürlich im öffentlichen Leben leichter in Konflikt mit Institutionen sozialer Kontrolle."
Frauenstrafvollzug ist Männersache
Während einerseits der Frauenanteil an Häftlingen äußerst gering ist, wird andererseits der Frauenstrafvollzug von Männern dominiert. Die bundesdeutsche Studie "Ist Frauenstrafvollzug Männersache?" von Hannelore Maelicke besagt auch, dass bei schweren Eigentums- und Raubdelikten Frauen überwiegend als Mittäterinnen, das heißt durch Beteiligung an einer in der Regel durch Männer begangenen Straftat strafrechtlich in Erscheinung treten und weitaus seltener als Männer wiederholt straffällig werden.
Darüber hinaus sind laut dieser Studie Straftaten bei Frauen, insbesondere wenn es sich um Gewaltdelikte handelt, häufig im familiären Nahraum angesiedelt und als "Konflikttaten" zu definieren. Auch was organisierte Kriminalität anlangt, stellen Frauen offenbar die weitaus unauffälligere, sozusagen die "bravere Hälfte der Menschheit. Drogenbosse und Mafia-Paten bleiben - auch in emanzipierten Zeiten - so gut wie ausschließlich Männer.
Frauen sind kommunikativer
Frauen gelingt es während der Haft viel besser als Männern, soziale Netzwerke aufrechtzuerhalten. Das sei ein sehr interessantes Phänomen, das er auch von Sozialarbeitern kenne, sagt dazu Kriminalsoziologe Walter Hammerschick:
"Frauen organisieren von der Haft aus viele Dinge für Familie, Kinder, während die Männer - die sind weg für die Familie, wenn sie eingesperrt sind. Aber Frauen bleiben immer noch in diesen Verpflichtungen, und obwohl sie ganz wenig Möglichkeiten haben, bleiben sie noch immer verantwortlich, dieses oder jenes zu organisieren. Sie setzen alle möglichen Hebel in Gang, nutzen Möglichkeiten der sozialen Dienste, der Straffälligenhilfe, soweit sie Kontakte haben, um Dinge, die notwendig sind, doch noch zu organisieren.
Hör-Tipp
Journal-Panorama, Donnerstag, 8. März 2007, 18:25 Uhr
Buch-Tipp
Hannelore Maelicke, "Ist Frauenstrafvollzug Männersache?", Verlag Nomos, ISBN 139873789040726
Links
Justizministerium
Verein Neustart